EuGH-Vorlage: Vorschriften des Fluggastdatengesetzes werden überprüft
VG Wiesbaden v. 15.5.2020 - 6 K 806/19.WI
Hintergrund:
Am 27.4.2016 erließen das EU-Parlament und der Rat die Richtlinie (EU) 2016/681 (PNR-Richtlinie). Diese schreibt vor, dass die Fluggesellschaften bei sämtlichen Flügen von der Union in Drittstaaten und von Drittstaaten in die Union eine Vielzahl von personenbezogenen Daten aller Fluggäste an von den jeweiligen Mitgliedstaaten einzurichtende Zentralstellen (in Deutschland: das Bundeskriminalamt) übermitteln müssen, wo diese Daten automatisiert mit Datenbanken und Algorithmen (sog. Mustern) abgeglichen und fünf Jahre lang gespeichert werden. Auch eine Weitergabe an andere Behörden im In- und Ausland ist gestattet. Diese Maßnahmen sollen der Bekämpfung von Terrorismus und schwerer Kriminalität dienen. Deutschland hat, ebenso wie viele andere EU-Mitgliedstaaten, mit Erlass des Fluggastdatengesetzes vom 6.6.2017 - dem deutschen Umsetzungsgesetz zur PNR-Richtlinie - die Richtlinie umgesetzt und von der durch die Richtlinie explizit eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Fluggastdatenverarbeitung auch auf alle innereuropäischen Flüge auszuweiten.
Der Sachverhalt:
Mit Beschlüssen vom 13.5. und 15.5.2020 (6 K 805/19.WI und 6 K 806/19.WI) hat das VG im Rahmen von Vorabentscheidungsersuchen dem EuGH eine Vielzahl von Fragen betreffend das Fluggastdatengesetz vorgelegt. In beiden Verfahren begehren die jeweiligen Kläger die Löschung ihrer sog. Fluggastdaten (PNR-Daten), die derzeit durch das Bundeskriminalamt gespeichert werden. Das Verfahren 6 K 805/19.WI betrifft dabei Flüge aus der EU in einen Drittstaat, das Verfahren 6 K 806/19.WI betrifft Flüge innerhalb der EU.
Die Gründe:
Die durch das VG nun dem EuGH zur Beantwortung vorlegten Fragen betreffen im Wesentlichen die Vereinbarkeit der PNR-Richtlinie und des Fluggastdatengesetzes mit der Charta der Grundrechte der EU, insbesondere den dort verankerten Grundrechten auf Achtung des Privat- und Familienlebens und dem Schutz personenbezogener Daten, sowie mit der DSGVO und (im Falle der innereuropäischen Flüge) mit der durch den AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der EU) innerhalb der EU garantierten Freizügigkeit.
Das VG hat erhebliche Zweifel, ob die PNR-Richtlinie und das deutsche Umsetzungsgesetz europarechtskonform sind. Es hält die Fluggastdatenverarbeitung mit der Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten für vergleichbar und erachtet die damit verbundenen Grundrechtseingriffe trotz des verfolgten Ziels (Bekämpfung von Terrorismus und schwerer Kriminalität) als nicht gerechtfertigt. Als zweifelhaft erachtet das VG u.a.:
VG Wiesbaden PM Nr. 17 vom 19.5.2020
Am 27.4.2016 erließen das EU-Parlament und der Rat die Richtlinie (EU) 2016/681 (PNR-Richtlinie). Diese schreibt vor, dass die Fluggesellschaften bei sämtlichen Flügen von der Union in Drittstaaten und von Drittstaaten in die Union eine Vielzahl von personenbezogenen Daten aller Fluggäste an von den jeweiligen Mitgliedstaaten einzurichtende Zentralstellen (in Deutschland: das Bundeskriminalamt) übermitteln müssen, wo diese Daten automatisiert mit Datenbanken und Algorithmen (sog. Mustern) abgeglichen und fünf Jahre lang gespeichert werden. Auch eine Weitergabe an andere Behörden im In- und Ausland ist gestattet. Diese Maßnahmen sollen der Bekämpfung von Terrorismus und schwerer Kriminalität dienen. Deutschland hat, ebenso wie viele andere EU-Mitgliedstaaten, mit Erlass des Fluggastdatengesetzes vom 6.6.2017 - dem deutschen Umsetzungsgesetz zur PNR-Richtlinie - die Richtlinie umgesetzt und von der durch die Richtlinie explizit eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Fluggastdatenverarbeitung auch auf alle innereuropäischen Flüge auszuweiten.
Der Sachverhalt:
Mit Beschlüssen vom 13.5. und 15.5.2020 (6 K 805/19.WI und 6 K 806/19.WI) hat das VG im Rahmen von Vorabentscheidungsersuchen dem EuGH eine Vielzahl von Fragen betreffend das Fluggastdatengesetz vorgelegt. In beiden Verfahren begehren die jeweiligen Kläger die Löschung ihrer sog. Fluggastdaten (PNR-Daten), die derzeit durch das Bundeskriminalamt gespeichert werden. Das Verfahren 6 K 805/19.WI betrifft dabei Flüge aus der EU in einen Drittstaat, das Verfahren 6 K 806/19.WI betrifft Flüge innerhalb der EU.
Die Gründe:
Die durch das VG nun dem EuGH zur Beantwortung vorlegten Fragen betreffen im Wesentlichen die Vereinbarkeit der PNR-Richtlinie und des Fluggastdatengesetzes mit der Charta der Grundrechte der EU, insbesondere den dort verankerten Grundrechten auf Achtung des Privat- und Familienlebens und dem Schutz personenbezogener Daten, sowie mit der DSGVO und (im Falle der innereuropäischen Flüge) mit der durch den AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der EU) innerhalb der EU garantierten Freizügigkeit.
Das VG hat erhebliche Zweifel, ob die PNR-Richtlinie und das deutsche Umsetzungsgesetz europarechtskonform sind. Es hält die Fluggastdatenverarbeitung mit der Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten für vergleichbar und erachtet die damit verbundenen Grundrechtseingriffe trotz des verfolgten Ziels (Bekämpfung von Terrorismus und schwerer Kriminalität) als nicht gerechtfertigt. Als zweifelhaft erachtet das VG u.a.:
- den Umfang der erhobenen und verarbeiteten Fluggastdaten,
- die Verhältnismäßigkeit der 5-jährigen Speicherdauer für die Fluggastdaten,
- die Bestimmtheit mehrerer Vorschriften der Richtlinie und des Umsetzungsgesetzes,
- ob die Fluggäste über die Datenverarbeitung ausreichend informiert werden,
- ob die Weitergabe an Drittstaaten und inländisch an das Bundesamt für Verfassungsschutz
- zulässig ist und
- ob die Mehrfacherfassung der Fluggäste (durch Start- und Zielland des jeweiligen innereuropäischen Fluges) gerechtfertigt ist.