EuGH-Vorlage: Zertifizierungspflicht von Online-Händlern mit Bio-Lebensmitteln?
BGH 24.3.2016, I ZR 243/14Die Beklagte betreibt einen Internetversandhandel für Kamin- und Grillbedarf. Zu ihrem Sortiment gehören verschiedene Gewürzmischungen, die sie im Dezember 2012 unter der Bezeichnung "Bio-Gewürze" zum Verkauf angeboten hatte. Damals war die Beklagte nicht dem Kontrollsystem gem. Art. 27 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen unterstellt.
Mit einem als "Abmahnung" bezeichneten Schreiben beanstandete die klagende Wettbewerbszentrale dieses Angebot als Verstoß gegen Art. 28 Abs. 1 der Verordnung Nr. 834/2007. Sie forderte die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Die Beklagte kam dieser Aufforderung nach.
Mit der vorliegenden Klage machte die Klägerin die Erstattung eines Teils der ihr durch die Abmahnung entstandenen Aufwendungen i.H.v. rund 219 € nebst Zinsen geltend. Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr statt. Auf die Revision der Beklagten setzte der BGH das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob ein i.S.v. Art. 28 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 "direkter" Verkauf an Endverbraucher bereits vorliegt, wenn der Unternehmer oder sein Verkaufspersonal dem Endverbraucher die Erzeugnisse ohne Zwischenschaltung eines Dritten verkauft, oder ob ein "direkter" Verkauf darüber hinaus voraussetzt, dass der Verkauf am Ort der Lagerung der Erzeugnisse unter gleichzeitiger Anwesenheit des Unternehmers oder seines Verkaufspersonals und des Endverbrauchers erfolgt?
Die Gründe:
Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung des Art. 28 Abs. 2 der Verordnung Nr. 834/2007 ab.
Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten setzt nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG voraus, dass der mit der Abmahnung erhobene Unterlassungsanspruch zum Zeitpunkt der Abmahnung bestanden hat. Für die Beurteilung des Rechtsstreits sind daher die Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb in ihrer zum Zeitpunkt der Abmahnung am 28.12.2012 geltenden Fassung (UWG a.F.) und nicht in ihrer ab dem 10.12.2015 geltenden Fassung durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb maßgeblich. Ein Verstoß gegen die Verpflichtung gem. Art. 28 Abs. 1 Unterabs. 1b der Verordnung Nr. 834/2007 stellt eine nach § 4 Nr. 11 UWG a.F. unlautere und nach § 3 Abs. 1 UWG a.F. unzulässige geschäftliche Handlung dar.
Die Vorschrift des Art. 28 Abs. 1 Unterabs. 1b der Verordnung Nr. 834/2007 ist eine Marktverhaltensregelung i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG a.F. Sie ist dazu bestimmt, das Marktverhalten der Unternehmer im Interesse der Verbraucher zu regeln. Ein Verstoß gegen die Vorschrift ist geeignet, die Interessen von Verbrauchern i.S.v. § 3 Abs. 1 UWG a.F. spürbar zu beeinträchtigen. Der Verfolgung eines Verstoßes als unlautere geschäftliche Handlung steht nicht entgegen, dass die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken die Vorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern vollständig harmonisiert.
Die Beklagte hatte die in Art. 28 Abs. 1 Unterabs. 1b der Verordnung Nr. 834/2007 geregelte Pflicht, ihr Unternehmen einem Kontrollsystem nach Art. 27 der Verordnung zu unterstellen, nicht erfüllt. Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es nun darauf an, ob die Beklagte gem. § 3 Abs. 2 ÖLG von dem Einhalten der Pflichten nach Art. 28 Abs. 1 der Verordnung Nr. 834/2007 freigestellt war, weil sie die "Bio-Gewürze" i.S.v. Art. 28 Abs. 2 der Verordnung Nr. 834/2007 "direkt" an Endverbraucher verkauft hatte.
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