19.08.2015

EuGH-Vorlage: Zum Gerichtsstand für Ausgleichsansprüche wegen Flugverspätung

Eine Klage auf Ausgleichszahlung dürfte auch dann im Gerichtsstand des der Luftbeförderung zugrundeliegenden Vertrags erhoben werden können, wenn das nach der Fluggastrechteverordnung verpflichtete "ausführende Luftfahrtunternehmen" nicht zugleich der Vertragspartner des Fluggastes ist. Bei einer nach dem Vertrag mehrgliedrigen Flugverbindung ohne nennenswerten Aufenthalt auf den Umsteigeflughäfen dürfte der Abflugort der ersten Teilstrecke auch dann als zuständigkeitsbegründender Erfüllungsort anzusehen sein, wenn die Klageansprüche aus Ereignissen auf einer anderen Teilstrecke resultieren.

BGH 18.8.2015, X ZR 2/15
Der Sachverhalt:
Der Kläger verlangte von der in Finnland ansässige Beklagten "Finnair" eine Ausgleichszahlung i.H.v. 400 € nach Art. 7 Abs. 1 S. 1b der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (Fluggastrechteverordnung) wegen eines verspäteten Fluges. Der Kläger hatte bei der Fluggesellschaft Air France unter deren Flugnummern eine Flugverbindung von Stuttgart über Paris nach Helsinki gebucht. Die Beförderung von Paris nach Helsinki erfolgte im Wege des Code-Sharing durch die Beklagte. Der Flug auf dieser zweiten Teilstrecke hatte allerdings eine Verspätung von drei Stunden und zwanzig Minuten.

Das vom Kläger angerufene AG, in dessen Bezirk der Flughafen Stuttgart liegt, wies die Klage mangels Zuständigkeit der deutschen Gerichte abgewiesen. Das LG bestätigte die Entscheidung. Es nahm an, die internationale Zuständigkeit könne sich allenfalls aus Art. 5 Nr. 1b Brüssel-I-VO ergeben. Indes liege im Inland gerade kein Erfüllungsort. Der gegen die Beklagte geltend gemachte Anspruch knüpfe ausschließlich an den verspäteten Flug der Teilstrecke von Paris nach Helsinki an.

Auf die Revision des Klägers hat der BGH das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH folgende Fragen zur Entscheidung vorgelegt:

Ist Art. 5 Nr. 1a der Brüssel-I-Verordnung dahin auszulegen, dass der Begriff "Ansprüche aus einem Vertrag" auch einen Anspruch auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Fluggastrechteverordnung erfasst, der gegenüber einem ausführenden Luftfahrtunternehmen verfolgt wird, welches nicht Vertragspartner des betroffenen Fluggasts ist?

Soweit Art. 5 Nr. 1 Brüssel-I-VO Anwendung findet:

Ist bei einer Personenbeförderung auf einer aus mehreren Flügen bestehenden Flugverbindung ohne nennenswerten Aufenthalt auf den Umsteigeflughäfen der Abflugort der ersten Teilstrecke als Erfüllungsort gem. Art. 5 Nr. 1b zweiter Spiegelstrich Brüssel-I-VO anzusehen, auch wenn die Flugverbindung von unterschiedlichen Luftfahrtunternehmen durchgeführt worden ist und sich die Klage gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen einer anderen Teilstrecke richtet, auf der es zu einer großen Verspätung gekommen ist?

Die Gründe:
Der Senat ist der Ansicht, dass in der vorliegenden Fallgestaltung ein Gerichtsstand ebenso am Abflugort der ersten Teilstrecke, also am Flughafen Stuttgart, eröffnet sein kann. Dies folgt aus zwei Überlegungen. Zum einen dürfte eine Klage auf Ausgleichszahlung auch dann im Gerichtsstand des der Luftbeförderung zugrundeliegenden Vertrags erhoben werden können, wenn das nach der Fluggastrechteverordnung verpflichtete "ausführende Luftfahrtunternehmen" nicht zugleich der Vertragspartner des Fluggastes ist. Dafür spricht bereits, dass die Ansprüche nach der Fluggastrechteverordnung eine vertragliche Grundlage der Beförderungsleistung voraussetzen.

Zum anderen dürfte bei einer nach dem Vertrag mehrgliedrigen Flugverbindung ohne nennenswerten Aufenthalt auf den Umsteigeflughäfen der Abflugort der ersten Teilstrecke auch dann als zuständigkeitsbegründender Erfüllungsort anzusehen sein, wenn die Klageansprüche aus Ereignissen auf einer anderen Teilstrecke resultieren. Dies entspräche einer konsequenten Anknüpfung an die vertragliche Grundlage der Beförderungsleistung.

Der EuGH hat sich bisher mit der vorliegenden Fallgestaltung noch nicht befasst. In der Rechtssache Rehder (EuGH-Urt. v. 9.7.2009 (Rs.: C-204/08) hatte der EuGH zwar entschieden, dass der Kläger bei der Durchsetzung einer Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung zwischen dem Gericht des Ortes des Abflugs und dem des Ortes der Ankunft des Flugzeugs wählen kann. Diese Entscheidung betraf aber eine eingliedrige Flugverbindung, die vom Vertragspartner des Fluggasts selbst durchgeführt worden war. Da sich die Bewertung der vorliegenden Fallkonstellation infolgedessen nicht hinreichend sicher aus der EuGH-Rechtsprechung ableiten ließ, wurde die Sache gem. Art. 267 AEUV an den EuGH weitergeleitet.

Linkhinweise:

  • Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 147 vom 18.8.2015
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