EuGH-Vorlage zur Erforderlichkeit von Warnhinweisen beim Verkauf von Zigaretten
BGH v. 25.6.2020 - I ZR 176/19
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist ein eingetragener Verbraucherverein. Der Beklagte betreibt in München zwei Supermärkte. An deren Kassen werden Zigarettenpackungen in Warenausgabeautomaten zum Kauf bereitgehalten. Die Zigarettenpackungen sind mit den vorgeschriebenen gesundheitsbezogenen Warnhinweisen versehen. Kunden, die eine Zigarettenpackung erwerben wollen, müssen durch Drücken einer am Warenausgabeautomaten befindlichen Taste die Zigarettenmarke auswählen. Die für den Kunden zuvor nicht sichtbare Zigarettenpackung wird dann von einer Ausgabevorrichtung auf das Kassenband befördert und von dem Kunden an der Kasse bezahlt, falls er sich nicht anders entscheidet und von einem Kauf der Zigaretten absieht. Die Auswahltasten des Zigarettenautomaten sind mit Abbildungen versehen, die zwar keine naturgetreuen Zigarettenpackungen zeigen, aber hinsichtlich Markenlogo, Proportion, Farbgebung und Dimensionierung wie Zigarettenpackungen gestaltet sind. Diese Abbildungen zeigen keine gesundheitsbezogenen Warnhinweise. Der Kläger nimmt den Beklagten wegen Verstoßes gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 TabakerzV nach § 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3a, 5a Abs. 2 Satz 1 UWG auf Unterlassung in Anspruch.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Das OLG hat angenommen, der Beklagte habe nicht gegen das in § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 TabakerzV geregelte Verdeckungsverbot verstoßen. Der Wortlaut der Vorschrift erfasse nur eine Verdeckung der Warnhinweise auf der Verpackung und nicht eine Verdeckung der Verpackung insgesamt. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung von Art. 8 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2014/40/EU zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen. Nationale Vorschriften über die heimischen Verkaufsmodalitäten oder heimische Werbung seien nicht Gegenstand der Richtlinie. Das Vorrätighalten der Zigarettenpackungen sei für sich genommen weder als Inverkehrbringen i.S.v. Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU noch als Anbieten i.S.v. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 TabakerzV anzusehen. Es sei ausreichend, wenn der Kunde die Zigarettenpackung mit den gesundheitsbezogenen Warnhinweisen vor Abschluss des Kaufvertrages wahrnehmen könne. Hierzu habe der Kunde ausreichend Gelegenheit, wenn sich das Tabakerzeugnis auf dem Kassenband befinde. Dem Verbraucher werde daher auch keine wesentliche Information i.S.v. § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG vorenthalten. Es liege ferner kein Verstoß des Beklagten gegen § 11 Abs. 2 TabakerzV vor, weil diese Vorschrift unter Berücksichtigung von Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU dahin auszulegen sei, dass sie für reine Verkaufsmodalitäten nicht gelte.
Mit der vom OLG zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Unterlassungsantrag weiter. Der BGH hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH vier Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2014/40/EU zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Die Gründe:
Es ist durch den EuGH zu klären, ob eine Zigarettenpackung bereits dann, wenn sie in einem Warenausgabeautomaten zum Kauf bereitgehalten wird, i.S.d. Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU in Verkehr gebracht wird. Ferner wird der EuGH gefragt, ob i.S.d. Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf einer Zigarettenpackung durch sonstige Gegenstände verdeckt werden, wenn die ganze Zigarettenpackung durch einen Warenausgabeautomaten verdeckt wird. Außerdem ist zu klären, ob ein Bild einer Zigarettenpackung i.S.v. Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU vorliegt, wenn eine Abbildung zwar keine naturgetreue Zigarettenpackung zeigt, der Verbraucher die Abbildung aber aufgrund ihrer Gestaltung gedanklich mit einer Zigarettenpackung in Verbindung bringt. Schließlich wird der EuGH um Beantwortung der Frage gebeten, ob den Anforderungen des Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU unabhängig von der verwendeten Abbildung bereits dann genügt ist, wenn der Verbraucher die Zigarettenpackung mit den vorgeschriebenen Warnhinweisen vor Abschluss des Kaufvertrags wahrnehmen kann.
BGH PM Nr. 81 vom 25.6.2020
Der Kläger ist ein eingetragener Verbraucherverein. Der Beklagte betreibt in München zwei Supermärkte. An deren Kassen werden Zigarettenpackungen in Warenausgabeautomaten zum Kauf bereitgehalten. Die Zigarettenpackungen sind mit den vorgeschriebenen gesundheitsbezogenen Warnhinweisen versehen. Kunden, die eine Zigarettenpackung erwerben wollen, müssen durch Drücken einer am Warenausgabeautomaten befindlichen Taste die Zigarettenmarke auswählen. Die für den Kunden zuvor nicht sichtbare Zigarettenpackung wird dann von einer Ausgabevorrichtung auf das Kassenband befördert und von dem Kunden an der Kasse bezahlt, falls er sich nicht anders entscheidet und von einem Kauf der Zigaretten absieht. Die Auswahltasten des Zigarettenautomaten sind mit Abbildungen versehen, die zwar keine naturgetreuen Zigarettenpackungen zeigen, aber hinsichtlich Markenlogo, Proportion, Farbgebung und Dimensionierung wie Zigarettenpackungen gestaltet sind. Diese Abbildungen zeigen keine gesundheitsbezogenen Warnhinweise. Der Kläger nimmt den Beklagten wegen Verstoßes gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 TabakerzV nach § 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3a, 5a Abs. 2 Satz 1 UWG auf Unterlassung in Anspruch.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Das OLG hat angenommen, der Beklagte habe nicht gegen das in § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 TabakerzV geregelte Verdeckungsverbot verstoßen. Der Wortlaut der Vorschrift erfasse nur eine Verdeckung der Warnhinweise auf der Verpackung und nicht eine Verdeckung der Verpackung insgesamt. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung von Art. 8 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2014/40/EU zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen. Nationale Vorschriften über die heimischen Verkaufsmodalitäten oder heimische Werbung seien nicht Gegenstand der Richtlinie. Das Vorrätighalten der Zigarettenpackungen sei für sich genommen weder als Inverkehrbringen i.S.v. Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU noch als Anbieten i.S.v. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 TabakerzV anzusehen. Es sei ausreichend, wenn der Kunde die Zigarettenpackung mit den gesundheitsbezogenen Warnhinweisen vor Abschluss des Kaufvertrages wahrnehmen könne. Hierzu habe der Kunde ausreichend Gelegenheit, wenn sich das Tabakerzeugnis auf dem Kassenband befinde. Dem Verbraucher werde daher auch keine wesentliche Information i.S.v. § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG vorenthalten. Es liege ferner kein Verstoß des Beklagten gegen § 11 Abs. 2 TabakerzV vor, weil diese Vorschrift unter Berücksichtigung von Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU dahin auszulegen sei, dass sie für reine Verkaufsmodalitäten nicht gelte.
Mit der vom OLG zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Unterlassungsantrag weiter. Der BGH hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH vier Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2014/40/EU zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Die Gründe:
Es ist durch den EuGH zu klären, ob eine Zigarettenpackung bereits dann, wenn sie in einem Warenausgabeautomaten zum Kauf bereitgehalten wird, i.S.d. Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU in Verkehr gebracht wird. Ferner wird der EuGH gefragt, ob i.S.d. Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf einer Zigarettenpackung durch sonstige Gegenstände verdeckt werden, wenn die ganze Zigarettenpackung durch einen Warenausgabeautomaten verdeckt wird. Außerdem ist zu klären, ob ein Bild einer Zigarettenpackung i.S.v. Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU vorliegt, wenn eine Abbildung zwar keine naturgetreue Zigarettenpackung zeigt, der Verbraucher die Abbildung aber aufgrund ihrer Gestaltung gedanklich mit einer Zigarettenpackung in Verbindung bringt. Schließlich wird der EuGH um Beantwortung der Frage gebeten, ob den Anforderungen des Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU unabhängig von der verwendeten Abbildung bereits dann genügt ist, wenn der Verbraucher die Zigarettenpackung mit den vorgeschriebenen Warnhinweisen vor Abschluss des Kaufvertrags wahrnehmen kann.