EZB: Zentrale Gegenparteien müssen nicht im Euroraum ansässig sein
EuG 4.3.2015, T-496/11Das Eurosystem umfasst die EZB und die nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten, die den Euro als gemeinsame Währung eingeführt haben. Im Juli 2011 veröffentlichte die EZB auf ihrer Website den "Eurosystem Oversight Policy Framework" (Rahmen für die Überwachungspolitik des Eurosystems - Überwachungsrahmen), der die Rolle des Eurosystems bei der Überwachung der "Zahlungs-, Clearing- und Abwicklungssysteme" beschreibt.
Der EZB zufolge ergibt sich die Überwachung der Gesamtheit dieser Systeme und Infrastrukturen aus der ihr mit dem AEUV übertragenen Aufgabe, das reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme zu fördern, sowie aus Art. 22 der Satzung des Eurosystems und der EZB, wonach "die EZB Verordnungen erlassen [kann], um effiziente und zuverlässige Verrechnungs- und Zahlungssysteme innerhalb der Union und im Verkehr mit dritten Ländern zu gewährleisten". In dem Überwachungsrahmen führte die EZB aus, dass die Wertpapierabwicklungssysteme und die Clearingsysteme mit zentraler Gegenpartei Schlüsselbestandteile des Finanzsystems seien. Ein finanzielles, rechtliches oder operationelles Problem, das diese Systeme betreffe, könne eine systemische Störung des Finanzsystems verursachen.
Dies gelte für die zentralen Gegenparteien in besonderer Weise, da sich bei ihnen die Kredit- und Liquiditätsrisiken bündelten. In dem Überwachungsrahmen wird betont, dass sich Fehlfunktionen, die bei außerhalb des Euroraums gelegenen Infrastrukturen aufträten, negativ auf im Euroraum ansässige Zahlungssysteme auswirken könnten, obwohl das Eurosystem über keinen unmittelbaren Einfluss auf solche Infrastrukturen verfüge. Die EZB leitet daraus ab, dass Infrastrukturen, die Zahlungsvorgänge in Euro abwickelten, im Euroraum als Rechtspersönlichkeit eingetragen sein und alle Kernfunktionen vom Euroraum aus überwacht und gesteuert werden sollten. Die EZB gab an, dass diese Standortpolitik auf zentrale Gegenparteien angewandt werde, die im Durchschnitt ein tägliches Nettoausfallrisiko von mehr als 5 Mrd. € bei einer der auf Euro lautenden Hauptproduktkategorien aufwiesen.
Das EuG gab der Klage, die das Vereinigte Königreich mit der Begründung erhoben hat, dass die EZB nicht befugt sei, zentralen Gegenparteien ein Standorterfordernis aufzuerlegen, statt.
Die Gründe:
Der von der EZB veröffentlichte Überwachungsrahmen ist insoweit nichtig, als darin für zentrale Gegenparteien, die am Wertpapierclearing beteiligt sind, das Erfordernis eines Standorts innerhalb eines Mitgliedstaats des Euroraums festgelegt wird.
Die Schaffung eines solchen Erfordernisses geht über den Rahmen der bloßen Überwachung hinaus, da es die Tätigkeit von Wertpapierclearingsystemen reguliert. Die EZB verfügt jedoch nicht über die erforderliche Befugnis, um deren Tätigkeit zu regulieren, da sich ihre Befugnis nach Art. 127 Abs. 2 AEUV allein auf Zahlungssysteme beschränkt.
Mangels einer ausdrücklichen Bezugnahme auf das Wertpapierclearing in Art. 22 der Satzung ist daher der Ausdruck "Verrechnungs- und Zahlungssysteme" dahin auszulegen, dass er hervorheben soll, dass die EZB über die Befugnis verfügt, Verordnungen zu erlassen, um effiziente und zuverlässige Zahlungssysteme, darunter auch solche, die eine Clearingphase einschließen, zu gewährleisten, und nicht dahin, dass ihr eine eigenständige Regulierungsbefugnis für sämtliche Clearingsysteme verliehen werden soll.
Das Argument der EZB, dass die ihr mit dem AEUV übertragene Aufgabe, das reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme zu fördern, zwangsläufig mit der Befugnis verbunden sei, die Tätigkeit der Infrastrukturen für das Wertpapierclearing zu regulieren, überzeugt nicht. Es obliegt der EZB - falls sie meint, dass für die ordnungsgemäße Wahrnehmung dieser Aufgabe eine solche Befugnis erforderlich sei -, den Unionsgesetzgeber auf der Grundlage von Art. 129 Abs. 3 AEUV zu ersuchen, Art. 22 der Satzung in der Weise zu ändern, dass ein ausdrücklicher Hinweis auf Wertpapierclearingsysteme hinzugefügt wird.
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