Facebook unterliegt Verbraucherzentrale in Wettbewerbsprozess
LG Berlin 6.3.2012, 16 O 551/10Der klagende Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände nimmt die Beklagte, die in Europa das soziale Internet-Netzwerk "Facebook" betreibt, wegen, ihrer Funktion "Freunde finden", ihrer AGB und ihrer Datenschutzrichtlinien auf Unterlassung in Anspruch. Anlass der Klage ist zunächst der mittlerweile geänderte Registrierungsprozess. In dessen Verlauf wird der Nutzer gefragt, ob seine Freunde schon bei Facebook registriert seien. Der schnellste Weg dies festzustellen sei das Durchsuchen seines E-Mail-Kontos, was der Nutzer sodann durch Betätigung des Buttons "Freunde finden" veranlassen kann.
Nach Betätigen des Buttons "Freunde finden" werden die E-Mail-Adressen der Kontakte des Nutzers, die nicht Mitglieder der Beklagten sind, importiert und sodann in einer Liste einzeln aufgeführt. Dort ist vor dem jeweiligen Kontakt ein Feld vorgesehen, das voreingestellt bereits ein Häkchen enthält, welches sich aber auch entfernen lässt. Unter dieser Liste befinden sich Buttons mit der Beschriftung "Einladungen versenden" und "Überspringen".
Am 21.4.2010 erhielt die bei dem Kläger beschäftigte Zeugin T eine E-Mail mit der Einladung eines Herrn M, dass sie sich bei der Beklagten anmelden solle. Zuvor hatte sich M, ein Bekannter der Zeugin, dort registrieren lassen. Weder ihm noch der Beklagten gegenüber hatte die Zeugin in die Übermittlung einer solchen Mail eingewilligt. Mit einer E-Mail vom 8.5.2010 wurde die Zeugin an diese Einladung erinnert. Des Weiteren wendet sich der Kläger gegen die von der Beklagten verwendeten AGB und ihre Datenschutzrichtlinien.
Das LG gab der Klage statt.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegenüber der Beklagten Anspruch auf Unterlassung hinsichtlich ihrer Funktion "Freunde finden", ihrer AGB und ihrer Datenschutzrichtlinien.
Im Hinblick auf den Versand der Einladungs- und der Erinnerungs-Mail sowie die dieser Funktion des "Freunde-Findens" zugrunde liegende Einwilligung des Nutzers in die Nutzung der Daten durch die Beklagte folgt der Anspruch aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG i.V.m. den nachfolgend genannten Vorschriften. Die E-Mails sind unlauter i.S.v. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG. Die Auswahl der Empfänger durch den einladenden Nutzer führt nicht zu der erforderlichen Einwilligung der Empfänger in die Zusendung der E-Mail. Es handelt sich daher um unerbetene Werbung der Beklagten. Die Einladungs- und Erinnerungs-Mails haben zwar aus Sicht der Nutzer einen sozialen Zweck, dienen gleichzeitig aber der Förderung des Absatzes von Dienstleistungen der Beklagte, da sie auf eine Vergrößerung ihrer Nutzerschaft gerichtet sind.
Die Versendung der Mails beruht auch nicht allein auf dem Entschluss eines Dritten, also der einladenden Nutzer. Vielmehr handeln diese und die Beklagte als Mittäter (§ 830 Abs. 1 S. 1 BGB), da sie bewusst und gewollt bei der Versendung der E-Mails zusammenwirken. Der damit festzustellenden Unlauterkeit steht auch nicht entgegen, dass der soziale Charakter des "Freunde finden", also das legitime Interesse des Nutzers an der Schaffung eines möglichst breiten Freundeskreises, gegenüber dem wirtschaftlichen Interesse der Beklagten an weiteren Nutzern durchaus erheblich erscheint. Nach § 7 UWG kommt es allein auf das Interesse des jeweiligen Empfängers der Direktwerbung an, das nach Abs. 2 Nr. 3 UWG aber ausdrücklich erklärt werden muss.
Im Hinblick auf die Einwilligung des Nutzers in die Nutzung der Daten durch die Beklagte liegt jedenfalls ein Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 4a Abs. 1 BDSG vor. Nach § 4a Abs. 1 BDSG ist die Einwilligung nur wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruht; dieser ist auf den vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung sowie ggf. auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung hinzuweisen. Dem wird die Beklagte im Rahmen des Registrierungsprozesses nicht gerecht, da die Nutzer nicht hinreichend über den Zweck der Verwendung informiert werden. Die Einwilligung betrifft auch E-Mail-Kontakte des Nutzers, die nicht zum Nutzerkreis der Beklagten zählen. Darüber, dass die Beklagte auf diese Daten zugreift, informiert sie den Nutzer aber nicht.
Der Kläger kann zudem von der Beklagten gem. § 1 UKlaG i.V.m. den nachstehend genannten Bestimmungen verlangen es zu unterlassen, die hier beanstandeten Klauseln der AGB und Datenschutzrichtlinien zu verwenden:
- Die sog. "IP-Lizenz" ist unwirksam gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Die anhand der Lizenz vorgesehene Übertragung ihrer Art nach unbeschränkter Nutzungsrechte verstößt gegen den § 31 Abs. 5 UrhO zugrunde liegenden Zweckübertragungsgedanken.
- Die Klausel "Über Werbung auf Facebook" ist jedenfalls wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) unwirksam. Der Kläger beanstandet insoweit zu Recht - wenn auch im Hinblick auf § 4a BDSG -, dass der Verbraucher nicht umfassend über die Art und Weise der Nutzung der Daten sowie über die Reichwerte der Erklärung informiert wird.
- Die Unwirksamkeit der Änderungsermächtigung folgt zwar nicht, wie der Kläger meint, aus § 308 Nr. 4 BGB, wohl aber aus § 307 Abs. 1 BGB (unangemessene Benachteiligung).
- Die Klausel "Beendigung" ist wiederum gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Sie sieht ein außerordentliches Kündigungsrecht ohne Abmahnung und wichtigen Grund vor, was dem Kern des § 314 BGB zuwiderläuft.
- Die Unwirksamkeit der Klausel "Informationen von anderen Webseiten" folgt wiederum aus §307 Abs. 1 BGB.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf den Webseiten der Berliner Justiz veröffentlicht.
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