Faktenprüfung auf Facebook hat ihre Grenzen
OLG Karlsruhe v. 27.5.2020 - 6 U 36/20
Der Sachverhalt:
Die Klägerin publiziert im Internet ein auch in Printform erscheinendes Magazin. Ferner bewirbt sie Klägerin die auf ihrer Internetseite veröffentlichen Artikel durch Veröffentlichung eines Anreißers mit Link auf ihre Internetveröffentlichung auch auf ihrem Profil im sozialen Netzwerk Facebook. Die Beklagte ist eine gemeinnützige Gesellschaft und betreibt ein Recherchezentrum, das journalistisch-redaktionelle Artikel auf der eigenen Internetseite und in Zusammenarbeit mit anderen Medien veröffentlicht. Beide Parteien bitten ihre Leser online um Spenden zur Unterstützung für ihre journalistische Tätigkeit. Ferner vertreiben beide online Bücher.
Die Beklagte betreibt auf Grundlage einer Kooperationsvereinbarung einen sog. "Faktencheck" für Facebook und erhält dafür eine Aufwandsentschädigung. Am 26.9.2019 hatte die Klägerin einen Artikel mit der Überschrift veröffentlich: "500 Wissenschaftler erklären: Es gibt keinen Klimanotfall". Der Artikel war Gegenstand des Faktenchecks der Beklagten für Facebook und wurde als "teils falsch" bewertet. In einem weiteren Abschnitt: "Mehr zum Thema" wurde in diesem Zusammenhang in dem durch Klick auf die Schaltfläche "i" aufrufbaren Pop-Up seitens Facebook ein Anreißer und ein Link zu einem auf deren Internetseite veröffentlichten Artikel der Beklagten unter der Überschrift "Nein: Es sind nicht "500 Wissenschaftler": Behauptungen teils falsch" eingefügt.
Die Klägerin ließ die Beklagte am 25.10.2019 abmahnen und zur Unterlassung der Verknüpfung eines Artikels der Klägerin auf Facebook in der dargestellten Weise und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern. Sie war der Ansicht, die Verknüpfung des Artikels der Beklagten mit demjenigen der Klägerin sei als geschäftliche Handlung der Beklagten einzustufen. Mit der streitgegenständlichen Vorgehensweise übe diese nicht nur eine bezahlte Tätigkeit für Facebook aus, sondern verlinke ihr eigenes publizistisches Online-Angebot, auf welchem sie gezielt und insoweit im Wettbewerb zur Klägerin stehend Spenden einwerbe. Die ideelle Zielsetzung der Beklagten stehe dem nicht entgegen, da auf die tatsächliche Betätigung im Wettbewerb abzustellen sei. Die Beklagte wies alles zurück. Sie war der Auffassung, es liege keine geschäftliche Handlung ihrerseits vor. Sie handle allein aus journalistisch-redaktionellen Motiven in Bezug auf die Debatte um den Klimaschutz.
Das LG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG das Urteil aufgehoben und dem Antrag stattgegeben.
Die Gründe:
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch nach §§ 8 Abs. 1 Satz 1; 4 Nr. 1 UWG zu. Das streitgegenständlichen Verhalten stellt eine geschäftliche Handlung unter Mitbewerbern dar, durch die das Angebot der Klägerin herabgesetzt wird.
Der von Facebook gegen Entgelt beauftragte Faktenprüfer, der bei einem Beitrag eines Nachrichtenmagazins die untrennbar verbundenen Hinweise "Fact-Check" und "Behauptungen teils falsch" anbringt und dabei auf sein eigenes Nachrichtenmagazin verlinkt, nimmt eine geschäftliche Handlung vor. Er stellt sich in diesem Fall durch seine Handlung in Wettbewerb zu dem Betroffenen und schafft dadurch ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, das ihn zum Mitbewerber macht. Die Beklagte profitiert von dem Hinweis in zweierlei Hinsicht: Zum einen erhält sie die im Rahmen des Kooperationsvertrages von Facebook gewährte Aufwandsentschädigung, zum anderen wirkt der Hinweis als Werbung für die Beklagte.
Die Hinweise erwecken beim angesprochenen Nutzer in der Regel die Erwartung, die Faktenprüfung beziehe sich auf Tatsachen in genau dem Facebook-Beitrag, mit dem sie untrennbar verbunden worden sind. Wird diese Erwartung enttäuscht, weil im Wesentlichen nur auf Wertungsfragen eingegangen wird und im Mittelpunkt der Kritik nicht der geprüfte Beitrag selbst, sondern dort referierte Äußerungen Dritter stehen, kann in der Gesamtabwägung eine nicht hinzunehmende Herabsetzung vorliegen.
In der Gesamtabwägung erweist sich die Beeinträchtigung des Wettbewerbs durch die Ausgestaltung der Hinweise im vorliegenden Fall als unverhältnismäßig und damit als nicht gerechtfertigte Herabsetzung i.S.d. § 4 Nr. 1 UWG. Dabei kann dahinstehen, ob die Verknüpfung zwischen einem beanstandeten Artikel und dem Ergebnis der Faktenprüfung im Allgemeinen das einzige Mittel ist, um das von Facebook verfolgte und an sich legitime Ziel, die Verbreitung von Falschmeldungen und die Abkapselung von Nutzergruppen zu verhindern. Jedenfalls ist hier die konkrete Ausgestaltung hierzu nicht erforderlich. Zumindest der missverständliche Eindruck, dass sich die Beanstandungen der Beklagten auf Äußerungen der Klägerin bezögen, und die unklare Grenzziehung zwischen Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung hätten durch eine andere Gestaltung des beanstandeten Hinweises vermieden werden können, ohne dass dabei dessen Effektivität für die von Facebook und der Beklagten verfolgten Ziele gemindert worden wäre. Denn gerade die Gefahr von Missverständnissen durch die Ausgestaltung des Hinweises macht den Kern des Lauterkeitsverstoßes aus.
Landesrechtsprechung Baden-Württemberg
Die Klägerin publiziert im Internet ein auch in Printform erscheinendes Magazin. Ferner bewirbt sie Klägerin die auf ihrer Internetseite veröffentlichen Artikel durch Veröffentlichung eines Anreißers mit Link auf ihre Internetveröffentlichung auch auf ihrem Profil im sozialen Netzwerk Facebook. Die Beklagte ist eine gemeinnützige Gesellschaft und betreibt ein Recherchezentrum, das journalistisch-redaktionelle Artikel auf der eigenen Internetseite und in Zusammenarbeit mit anderen Medien veröffentlicht. Beide Parteien bitten ihre Leser online um Spenden zur Unterstützung für ihre journalistische Tätigkeit. Ferner vertreiben beide online Bücher.
Die Beklagte betreibt auf Grundlage einer Kooperationsvereinbarung einen sog. "Faktencheck" für Facebook und erhält dafür eine Aufwandsentschädigung. Am 26.9.2019 hatte die Klägerin einen Artikel mit der Überschrift veröffentlich: "500 Wissenschaftler erklären: Es gibt keinen Klimanotfall". Der Artikel war Gegenstand des Faktenchecks der Beklagten für Facebook und wurde als "teils falsch" bewertet. In einem weiteren Abschnitt: "Mehr zum Thema" wurde in diesem Zusammenhang in dem durch Klick auf die Schaltfläche "i" aufrufbaren Pop-Up seitens Facebook ein Anreißer und ein Link zu einem auf deren Internetseite veröffentlichten Artikel der Beklagten unter der Überschrift "Nein: Es sind nicht "500 Wissenschaftler": Behauptungen teils falsch" eingefügt.
Die Klägerin ließ die Beklagte am 25.10.2019 abmahnen und zur Unterlassung der Verknüpfung eines Artikels der Klägerin auf Facebook in der dargestellten Weise und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern. Sie war der Ansicht, die Verknüpfung des Artikels der Beklagten mit demjenigen der Klägerin sei als geschäftliche Handlung der Beklagten einzustufen. Mit der streitgegenständlichen Vorgehensweise übe diese nicht nur eine bezahlte Tätigkeit für Facebook aus, sondern verlinke ihr eigenes publizistisches Online-Angebot, auf welchem sie gezielt und insoweit im Wettbewerb zur Klägerin stehend Spenden einwerbe. Die ideelle Zielsetzung der Beklagten stehe dem nicht entgegen, da auf die tatsächliche Betätigung im Wettbewerb abzustellen sei. Die Beklagte wies alles zurück. Sie war der Auffassung, es liege keine geschäftliche Handlung ihrerseits vor. Sie handle allein aus journalistisch-redaktionellen Motiven in Bezug auf die Debatte um den Klimaschutz.
Das LG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG das Urteil aufgehoben und dem Antrag stattgegeben.
Die Gründe:
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch nach §§ 8 Abs. 1 Satz 1; 4 Nr. 1 UWG zu. Das streitgegenständlichen Verhalten stellt eine geschäftliche Handlung unter Mitbewerbern dar, durch die das Angebot der Klägerin herabgesetzt wird.
Der von Facebook gegen Entgelt beauftragte Faktenprüfer, der bei einem Beitrag eines Nachrichtenmagazins die untrennbar verbundenen Hinweise "Fact-Check" und "Behauptungen teils falsch" anbringt und dabei auf sein eigenes Nachrichtenmagazin verlinkt, nimmt eine geschäftliche Handlung vor. Er stellt sich in diesem Fall durch seine Handlung in Wettbewerb zu dem Betroffenen und schafft dadurch ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, das ihn zum Mitbewerber macht. Die Beklagte profitiert von dem Hinweis in zweierlei Hinsicht: Zum einen erhält sie die im Rahmen des Kooperationsvertrages von Facebook gewährte Aufwandsentschädigung, zum anderen wirkt der Hinweis als Werbung für die Beklagte.
Die Hinweise erwecken beim angesprochenen Nutzer in der Regel die Erwartung, die Faktenprüfung beziehe sich auf Tatsachen in genau dem Facebook-Beitrag, mit dem sie untrennbar verbunden worden sind. Wird diese Erwartung enttäuscht, weil im Wesentlichen nur auf Wertungsfragen eingegangen wird und im Mittelpunkt der Kritik nicht der geprüfte Beitrag selbst, sondern dort referierte Äußerungen Dritter stehen, kann in der Gesamtabwägung eine nicht hinzunehmende Herabsetzung vorliegen.
In der Gesamtabwägung erweist sich die Beeinträchtigung des Wettbewerbs durch die Ausgestaltung der Hinweise im vorliegenden Fall als unverhältnismäßig und damit als nicht gerechtfertigte Herabsetzung i.S.d. § 4 Nr. 1 UWG. Dabei kann dahinstehen, ob die Verknüpfung zwischen einem beanstandeten Artikel und dem Ergebnis der Faktenprüfung im Allgemeinen das einzige Mittel ist, um das von Facebook verfolgte und an sich legitime Ziel, die Verbreitung von Falschmeldungen und die Abkapselung von Nutzergruppen zu verhindern. Jedenfalls ist hier die konkrete Ausgestaltung hierzu nicht erforderlich. Zumindest der missverständliche Eindruck, dass sich die Beanstandungen der Beklagten auf Äußerungen der Klägerin bezögen, und die unklare Grenzziehung zwischen Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung hätten durch eine andere Gestaltung des beanstandeten Hinweises vermieden werden können, ohne dass dabei dessen Effektivität für die von Facebook und der Beklagten verfolgten Ziele gemindert worden wäre. Denn gerade die Gefahr von Missverständnissen durch die Ausgestaltung des Hinweises macht den Kern des Lauterkeitsverstoßes aus.