02.02.2015

Fehlende Unterschrift führt auch bei der "Ein-Mann-AG" zur Nichtigkeit

Das Fehlen der nach § 130 Abs. 1 AktG nötigen Unterschrift des Notars bzw. des Aufsichtsratsvorsitzenden führt auch bei der "Ein-Mann-AG" zur Nichtigkeit nach § 241 Nr. 2 AktG. Daran ändert sich auch durch die Nachholung der Unterschrift nichts, wenn zuvor monate- oder gar jahrelang vom Notar bzw. dem Aufsichtsratsvorsitzenden die Unterzeichnung bewusst unterlassen wurde und sich die Erstellung der Niederschrift und deren Unterzeichnung dementsprechend nicht mehr innerhalb eines einheitlichen Beurkundungsvorgangs halten.

OLG Stuttgart 21.3.2014, 20 U 8/13
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist lnsolvenzverwalter über das Vermögen der E-AG (Schuldnerin). Die Beklagte ist die Alleinaktionärin der Schuldnerin. Der Insolvenzantrag war am 11.2.2010 gestellt worden. Am 30.7.2010 wurde das Verfahren eröffnet. Die Schuldnerin organisierte u.a. den Aufbau von Musterküchen für die Fa. A. Ab 2009 übernahm die neu gegründete E-GmbH den Geschäftsbereich der Musterküchen von der Schuldnerin. Nach dem 30.9.2009 endete die Zusammenarbeit zwischen der E-GmbH und der Fa. A endgültig.

Im Protokoll der Hauptversammlung der Schuldnerin vom 28.8.2007 fand sich eine einstimmige und vom als Leiter der Hauptversammlung fungierenden Aufsichtsratsvorsitzenden der Beklagten festgestellte und verkündete Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns für das Geschäftsjahr 2006, wonach eine Bruttodividende i.H.v. 190.000,00 € ausgeschüttet werden sollte. Im Protokoll der Hauptversammlung der Schuldnerin vom 26.11.2008 fand sich eine einstimmige und vom als Leiter der Hauptversammlung fungierenden Aufsichtsratsvorsitzenden der Beklagten festgestellte und verkündete Beschlussfassung, wonach die Höhe der sich nach dem Beschluss vom 28.8.2007 für das Jahr 2006 ergebenden Dividendenzahlung dahin korrigiert werde, dass eine Bruttodividende i.H.v. 90.000,00 € statt der bislang vorgesehenen 190.000,00 € ausgeschüttet werde. Im Jahresabschluss der Schuldnerin zum 31.12.2008 ist die in Rede stehende Ausschüttung als "Darlehen M. (Dividende)" bezeichnet.

Die erwähnten Beschlüsse wurden jeweils erst am 20./22.5.2009 vom Aufsichtsratsvorsitzenden der Beklagten unterzeichnet. Bereits zuvor, nämlich am 5.5.2009, wurde der nach der Beschlussfassung als Bruttodividende i.H.v. 90.000 € - was 71.010 € nach Steuern entsprach - auszuschüttende Betrag i.H.v. 71.010,00 € an die Beklagte bezahlt. Zu den Monatsenden Februar 2009 bis September 2009 folgten weitere Zahlungen von jeweils 2.001 €" insgesamt 16.008,00 €, an die Beklagte.

Der Kläger hat die Beträge zunächst ohne Erfolg von der Beklagten zurückgefordert. Das LG gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten blieb vor dem OLG erfolglos.

Die Gründe:
Die Klage auf Rückzahlung der als an die Beklagte, die Alleinaktionärin der Schuldnerin ist, auszuschüttenden Betrag geleisteten Summe von 71.010 € war schon aus § 62 Abs. 1 S. 1 AktG begründet. Auf die Frage insolvenzrechtlicher Anfechtbarkeit nach §§ 129 ff. InsO kam es somit nicht an. Denn Bereicherungsansprüche nach §§ 812 ff. BGB waren durch § 62 Abs. 1 S. 1 AktG verdrängt.

Sowohl der Gewinnverwendungsbeschluss vom 28.8.2007 als auch der vom 26.11.2008 waren nach § 241 Nr. 2 AktG nichtig, weil den Vorgaben des § 130 Abs. 1 S. 3 AktG nicht genügt worden war. Das Fehlen der nach § 130 Abs. 1 AktG nötigen Unterschrift des Notars bzw. des Aufsichtsratsvorsitzenden führt - auch bei einer "Ein-Mann-AG" zur Nichtigkeit nach § 241 Nr. 2 AktG. Hier fehlte die Unterschrift selbst noch zum Zeitpunkt der Auszahlung der im Streit stehenden Summe. Die Unterzeichnung durch den Aufsichtsratsvorsitzenden am 20./22.05.2009 änderte nichts an der Nichtigkeit.

Zwar bleibt die Nichtigkeit nach § 241 Nr. 2 AktG, solange eine in der Hauptversammlung begonnene Protokollierung gem. § 130 AktG nicht abgeschlossen und deren Fertigstellung nicht endgültig unmöglich geworden ist, in der Schwebe; ferner kann die versehentlich unterbliebene Unterschrift grundsätzlich unbefristet nachgeholt werden. Hier war die Unterzeichnung jedoch bewusst bis zum 20./22.05.2009 unterblieben. Somit war eine Nachholung der Unterschrift - und damit die nachträgliche Herbeiführung eines Zustands, der die Voraussetzungen von § 130 Abs. 1 AktG erfüllte - zumindest im Moment der Unterschrift nicht mehr möglich, die Nichtigkeitsfolge jedenfalls zu diesem Zeitpunkt bereits endgültig eingetreten. Denn die "fehlende Unterschrift" darf nicht als Instrument eingesetzt werden, die Wirksamkeit erst nachträglich eintreten zu lassen, die Beteiligten hatten hier nicht die Möglichkeit, das Geschäft bewusst in der Schwebe zu halten.

Angesichts der Nichtigkeit der Gewinnverwendungsbeschlüsse bestand kein Anspruch der Beklagten auf Zahlung der Dividende, diese durfte nicht an die Beklagte ausgezahlt werden, die erhaltene Zahlung ist nach § 62 Abs. 1 S. 1 AktG zurück zu gewähren. Der Kläger ist nach § 62 Abs. 2 S. 2 AktG berufen, diesen Anspruch geltend zu machen. Die Vorschrift steht der Inanspruchnahme der Beklagten nicht entgegen. Sie erfasst zwar u.a. gerade Dividendenzahlungen. Die Beklagte befand sich jedoch zumindest in fahrlässiger Unkenntnis von ihrem fehlenden Recht zum Bezug.

Im Ergebnis folgte der Senat der Vorinstanz auch hinsichtlich des zuerkannten weiteren Anspruchs auf Zahlung von 16.008 €. Das LG hatte insoweit zu Recht die Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO für gegeben angesehen. Auch der Senat ging aufgrund des ihm unterbreiteten Sachvortrags vom Vorliegen einer unentgeltlichen Leistung i.S.d. Vorschrift aus, woraus sich ohne weiteres die hier ausreichende mittelbare Gläubigerbenachteiligung ergab. Die Klage war somit auch nach Ansicht des Senats aus §§ 129, 134 Abs. 1, 143 InsO begründet.

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