Festnetz-Telefonie: Anbieter von Flatrate-Tarifen müssen in der Werbung auf fehlende Call-by-Call-Möglichkeit hinweisen
BGH 9.2.2012, I ZR 178/10Die Klägerin, die Deutsche Telekom AG, war Betreiberin eines bundesweiten Telefonnetzes und bot Telekommunikationsdienstleistungen an. Den Geschäftsbereich Festnetz-Telefonie übertrug sie im April 2010 durch Ausgliederung auf die Telekom Deutschland GmbH. Personen, die über einen Festnetzanschluss der Klägerin oder - nunmehr - der Telekom Deutschland GmbH verfügen, haben die Möglichkeit, für Telefongespräche das Angebot konkurrierender Anbieter zu nutzen, u.a. durch individuelle Auswahl bei einzelnen Gesprächen durch Eingabe der dem Anbieter zugewiesenen Verbindungsnetzbetreiberkennzahl (Call-by-Call).
Die Beklagte bietet ebenfalls Telekommunikationsdienstleistungen an, u.a. auch die Vermittlung von Telefongesprächen. Die Kunden der Beklagten können für innerdeutsche Festnetzverbindungen zwischen einem Minutentarif und einer Flatrate wählen. Auslandsgespräche und Verbindungen zu Mobilfunkanschlüssen werden in jedem Fall nach Zeiteinheiten abgerechnet. Eine Möglichkeit zur Nutzung des Call-by-Call-Verfahrens steht den Kunden der Beklagten nicht zur Verfügung.
Die Beklagte bewarb im April 2009 ihr Angebot für Telefonanschlüsse und für die Vermittlung von Telefongesprächen in ihrem Internetauftritt sowie in der Print-Ausgabe eines Wochenmagazins. Einen Hinweis darauf, dass die Nutzung des Call-by-Call-Verfahrens nicht möglich ist, enthielt diese Werbung nicht. Die Klägerin sieht darin eine irreführende geschäftliche Handlung und beantragte dementsprechend u.a. Unterlassung.
Das LG gab der Klage statt. Das OLG gab ihr teilweise statt, wies sie aber im Hinblick auf den fehlenden Hinweis zur nicht vorhandenen Nutzung des Call-by-Call-Verfahrens bei Tarifen mit Flatrate in das deutsche Festnetz ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil in diesem Umfang auf und gab der Klage auch insoweit statt.
Die Gründe:
Der Klägerin steht entgegen der Ansicht des OLG ein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 2 UWG auch insoweit zu, als die Beklagte für Festnetzanschlüsse mit einem Flatrate-Tarif wirbt, ohne auf die fehlende Möglichkeit zur Nutzung der Call-by-Call-Option hinzuweisen.
Es kann offenbleiben, ob ein erheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise der beanstandeten Werbung die Aussage entnimmt, auch bei dem beworbenen Tarif bestehe die Möglichkeit des Call-by-Call. Auch wenn sich der Verkehr vorliegend keine Gedanken darüber machen sollte, ob der beworbene Tarif Call-by-Call zulässt, handelt es sich dabei doch um eine für den Vertragsschluss wesentliche Information (§ 5a Abs. 2 UWG). Dies gilt unabhängig davon, ob andere Anbieter als die Klägerin Call-by-Call anbieten. Die Werbung der Beklagten richtet sich nicht zuletzt an Verbraucher, die bislang über einen Netzanschluss der Klägerin verfügen und für die Call-by-Call selbstverständliche, nicht allein von der Klägerin angebotene Leistungsmerkmale sind.
Der Hinweis auf das Fehlen der Call-by-Call-Option stellt auch dann eine Information dar, die dem Verbraucher nicht vorenthalten werden darf, wenn ein Flatrate-Tarif angeboten wird, der sich - wie im Streitfall - auf Gespräche ins deutsche Festnetz bezieht. In diesem Fall kann es für den Verbraucher wirtschaftlich vorteilhaft sein, Verbindungen in Mobilfunknetze und in ausländische Festnetze im Call-by-Call-Verfahren über andere Anbieter abzuwickeln, da er hierbei die Möglichkeit erhält, über die Auswahl von Anbietern mit günstigeren Einzelverbindungsentgelten die Kosten für Auslandsgespräche und Verbindungen zu Mobilfunknetzen zu beeinflussen.
Denn es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass Anbieter von Call-by-Call-Verbindungen während der Vertragslaufzeit geringere Verbindungsentgelte in Rechnung stellen als die Beklagte. Insofern ist die Annahme des OLG unzutreffend, die Nutzung des Call-by-Call-Verfahrens sei für denjenigen wirtschaftlich sinnlos, der mit seinem Anbieter für Gespräche ins deutsche Festnetz einen Flatrate-Tarif vereinbart hat. Da das Angebot der Beklagten zum Zeitpunkt der beanstandeten Werbung unstreitig keine Möglichkeit zur Nutzung des Call-by-Call-Verfahrens vorsah und die Werbung auf diesen Umstand nicht hinwies, wurde den Verbrauchern eine wesentliche Information i.S.v. § 5a Abs. 2 UWG vorenthalten.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.