27.04.2015

Firmen-Inhaltsversicherung: Zur Beweiserleichterung bei Einbruchdiebstählen

Bei Einbruchdiebstählen setzt das vom Versicherungsnehmer zu beweisende äußere Bild des Diebstahls nicht voraus, dass vorgefundene Spuren "stimmig" i.d.S. sind, dass sie zweifelsfrei auf einen Einbruch schließen lassen. Insbesondere müssen nicht sämtliche, typischerweise auftretenden Spuren eines Einbruchdiebstahls vorhanden sein.

BGH 8.4.2015, IV ZR 171/13
Der Sachverhalt:
Der Kläger stellt Armbanduhren aus Halbfertigprodukten her. Im Januar 2002 meldete der Hausmeister des Anwesens der Polizei, dass versucht worden sei, u.a. in die Geschäftsräume des Klägers einzubrechen. Dieser hielt sich zu dieser Zeit in der Türkei auf. Nach den Feststellungen der Polizei fanden sich vor einem aufgehebelten Fenster auf der Rückseite des Hauses Fußspuren im Schnee sowie zwei Armbanduhren. Zwei weitere Uhren lagen auf dem Fenstersims und dem Boden des Treppenhauses. Die Eingangstür zu den Räumen des Klägers stand offen. Alle drei Verschlussriegel waren zweitourig herausgefahren. An Türblatt und Zarge befanden sich zahlreiche Werkzeugspuren. Hebelspuren fanden sich auch an den Eingangstüren zu den Geschäftsräumen von zwei anderen Firmen im Hause; diese Türen waren aber noch verschlossen.

Der Kläger behauptete, es seien mehr als 4.770 in Kartons verpackte Uhren gestohlen worden und forderte aus einer bei der Beklagten unterhaltenen Firmen-Inhaltsversicherung 285.815 €. Die Beklagte war der Ansicht, dass der Diebstahl nur vorgetäuscht gewesen sei. Sie verwies auf ein von ihr eingeholtes Privatgutachten, wonach zum einen die Werkzeugspuren an der Tür nur bei geöffneter Tür hätten verursacht werden können und zum anderen eine Erweiterung des Falzmaßes um mehr als die Länge der zweitourig ausgefahrenen Schließriegel zu einem Aufbrechen der oberen Ecke der Türzarge hätte führen müssen, was unstreitig nicht geschehen war.

Im Strafverfahren gegen den Kläger wegen Vortäuschens einer Straftat wurde der Kläger in zweiter Instanz freigesprochen. Ein von ihm beauftragter Sachverständiger führte in der Berufungshauptverhandlung einen Biegeversuch durch, um zu demonstrieren, dass das Laibungsbrett der Türzarge um bis zu 10,5 mm ohne Beschädigung des Falzes verbogen werden könne.

Das LG gab der späteren Klage hinsichtlich der begehrten Versicherungsleistung statt; das OLG wies sie ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Gründe:
Das Berufungsgericht hatte die Anforderungen an die Darlegung des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls überspannt und seiner diesbezüglichen Prüfung einen falschen Maßstab zugrunde gelegt.

Der Versicherungsnehmer genügt seiner Beweislast bereits dann, wenn er das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung beweist, also ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zulassen. Zu dem Minimum an Tatsachen, die das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls ausmachen, gehört neben der Unauffindbarkeit der zuvor am Tatort vorhandenen, als gestohlen gemeldeten Sachen, dass abgesehen von Fällen des Nachschlüsseldiebstahls - Einbruchspuren vorhanden sind. Ist dem Versicherungsnehmer dieser Beweis gelungen, so ist es Sache des Versicherers, seinerseits zu beweisen, dass der Versicherungsfall nur vorgetäuscht war. Dabei kommen allerdings auch dem Versicherer Beweiserleichterungen zu. Für diesen Gegenbeweis erforderlich ist lediglich der Nachweis konkreter Tatsachen, die nicht nur mit hinreichender, sondern mit höherer, nämlich erheblicher Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass der Diebstahl nur vorgetäuscht ist.

Diese unterschiedlichen Anforderungen an die Beweisführung hat das Berufungsgericht nicht hinreichend auseinander gehalten, indem es bereits das Vorliegen des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls in vorstehendem Sinn mit einer nicht tragfähigen Begründung verneint hatte. Soweit es meinte, dass schon das äußere Bild "stimmige" Spuren voraussetze, die hier nicht in ausreichendem Maße vorhanden seien, hat es die BGH-Rechtsprechung missverstanden. Der Nachweis des äußeren Bildes setzt nämlich nicht voraus, dass die vorgefundenen Spuren "stimmig" i.d.S. sind, dass sie zweifelsfrei auf einen Einbruch schließen lassen. Insbesondere müssen nicht sämtliche, typischerweise auftretenden Spuren vorhanden sein, da der Sinn der Beweiserleichterung gerade darin liegt, dem Versicherungsnehmer, der in aller Regel keine Zeugen oder sonstigen Beweismittel für den Diebstahl beibringen kann, die Versicherungsleistung auch dann zuzuerkennen, wenn sich nach den festgestellten Umständen nur das äußere Bild eines Diebstahls darbietet, auch wenn von einem typischen Geschehensablauf nicht gesprochen werden kann.

Soweit das OLG Köln in mehreren Entscheidungen für das Vorliegen des äußeren Bildes eines Einbruchs ein "stimmiges Spurenbild" gefordert und dessen Verneinung jeweils damit begründet hatte, dass neben vorgefundenen Spuren weitere beim Eindringen eines Diebes zu erwartende Spuren nicht vorhanden gewesen seien, widerspricht dies der BGH-Rechtsprechung. Der Umstand, dass das Fehlen weiterer Spuren an der Tür bei einem erfolgten Einbruch unwahrscheinlich sein mag, könnte allerdings für die Frage der Vortäuschung des Versicherungsfalles bedeutsam werden. Dies hat das OLG nicht beachtet und deshalb nicht geprüft, ob das Fehlen weiterer Spuren für sich allein oder im Zusammenhang mit anderen Indizien, für die insoweit die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig wäre, ausreichend ist, um eine erhebliche Wahrscheinlichkeit in diesem Sinn zu begründen.

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