12.09.2018

Fluggesellschaften müssen bei Kenntnis auch Provisionen von Vermittlungsunternehmen zurückerstatten

Im Fall der Annullierung eines Fluges muss die Fluggesellschaft auch Provisionen erstatten, die Vermittlungsunternehmen beim Kauf der Flugtickets erhalten haben, sofern die Gesellschaft davon Kenntnis hatte. Diese Auslegung der Verordnung entspricht den mit ihr verfolgten Zielen, ein hohes Schutzniveau für die Fluggäste zu gewährleisten und dabei einen Ausgleich zwischen ihren Interessen und denen der Luftfahrtunternehmen vorzunehmen.

EuGH 12.9.2018, C-601/17
Der Sachverhalt:

Der Kläger hatte für sich selbst und seine Familie über die Website opodo.de Flugscheine für einen von der Fluggesellschaft Vueling Airlines durchgeführten Flug von Hamburg über Barcelona nach Faro gebucht. Opodo berechnete hierfür einen Betrag von 1.108 € und stellte ihm die entsprechende Bestätigung aus, auf der dieser Betrag ohne nähere Erläuterungen angegeben war. Gleichzeitig erhielt Vueling Airlines von Opodo einen Betrag i.H.v. 1.031 €.

Nachdem der Flug annulliert worden war, verlangte der Kläger von Vueling Airlines die Erstattung des beim Kauf der Flugtickets an Opodo gezahlten Preises von 1.108 € und verwies auf Art. 8 Abs. 1a der Verordnung Nr. 261/2004. Vueling Airlines war zwar zur Erstattung des Betrages, den sie von Opodo erhalten hatte (1.031 €), bereit. Sie lehnte es aber ab, auch den Restbetrag von 77 € zu erstatten, den Opodo als Provision erhalten hatte.

Unter diesen Umständen hat das AG Hamburg beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, ob der Preis des Flugtickets, der zur Ermittlung des einem Fluggast vom Luftfahrtunternehmen im Fall der Annullierung eines Fluges geschuldeten Erstattungsbetrags heranzuziehen ist, die Differenz zwischen dem vom Fluggast gezahlten und dem vom Luftfahrtunternehmen erhaltenen Betrag i.H.d. Provision eines als Vermittler zwischen ihnen tätig gewordenen Unternehmens einschließt.

Der EuGH hat dies bejaht, es sei denn, die Provision wurde ohne Wissen des Luftfahrtunternehmens festgelegt; dies zu prüfen allerdings ist Sache des nationalen Gerichts.

Die Gründe:

Der Wortlaut von Art. 8 Abs. 1a der Verordnung Nr. 261/2004 stellt durch die Wendung "Preis, zu dem der Flugschein erworben wurde" einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Begriff "Flugschein" und dem Preis seines Erwerbs her, wobei ein solcher Flugschein von den betroffenen Fluggästen entweder unmittelbar beim Luftfahrtunternehmen oder über ein Vermittlungsunternehmen, etwa einen zugelassenen Vermittler i.S.v. Art. 2f der Verordnung Nr. 261/2004, erworben werden kann. Erhält ein solches Vermittlungsunternehmen hierfür, wie im Ausgangsverfahren, vom Fluggast eine Provision, stellt sich die Frage, ob und inwieweit diese Provision einen Bestandteil des vom betroffenen Luftfahrtunternehmen dem Fluggast bei Annullierung des entsprechenden Fluges zu erstattenden Preises des Flugscheins darstellt.

Insoweit ist allgemein darauf hinzuweisen, dass mit der Verordnung Nr. 261/2004 nicht nur ein hohes Schutzniveau für die Fluggäste gewährleistet werden soll, sondern auch ein Ausgleich zwischen ihren Interessen und denen der Luftfahrtunternehmen (Urt. v. 19.11.2009, Rs.: Sturgeon u.a., C‑402/07 u. C‑432/07). Infolgedessen ist davon auszugehen, dass eine Provision, die ein Vermittlungsunternehmen beim Kauf eines Flugscheins von einem Fluggast erhält, zwar grundsätzlich als Bestandteil des dem Fluggast bei Annullierung des entsprechenden Fluges zu erstattenden Preises anzusehen ist. Für ihre Einbeziehung muss es jedoch angesichts der davon betroffenen Interessen der Luftfahrtunternehmen gewisse Grenzen geben.

Zum letztgenannten Punkt ergibt sich aus Art. 2f der Verordnung Nr. 261/2004, dass ein "Flugschein" ein Dokument oder eine gleichwertige papierlose, auch elektronisch ausgestellte Berechtigung darstellt, das bzw. die von einem Luftfahrtunternehmen oder einem von ihm zugelassenen Vermittler ausgegeben oder genehmigt wurde. Dieser Definition ist zu entnehmen, dass die verschiedenen Bestandteile eines solchen Flugscheins - darunter sein Preis - auch dann, wenn er nicht von dem Luftfahrtunternehmen selbst ausgestellt wird, jedenfalls von ihm genehmigt werden müssen und somit nicht ohne sein Wissen festgelegt werden dürfen.

Diese Auslegung wird durch die EuGH-Rechtsprechung bestätigt, aus der hervorgeht, dass die in Art. 10 Abs. 2a bis c der Verordnung Nr. 261/2004 für den Fall, dass das Luftfahrtunternehmen einen Fluggast in eine niedrigere Klasse verlegt als die, für die der Flugschein erworben wurde, vorgesehene teilweise Erstattung des "Preises des Flugscheins" unter Einbeziehung allein der Bestandteile des Preises zu ermitteln ist, die i.d.S. "unvermeidbar" sind, dass ihre Zahlung als Gegenleistung für die Inanspruchnahme der vom Luftfahrtunternehmen angebotenen Leistungen erforderlich ist (Urt. v. 22.6.2016, Mennens, Rs.: C‑255/15).

Linkhinweis:

Für die auf den Webseiten des EuGH veröffentlichte Entscheidung im Volltext klicken Sie bitte hier.

EuGH Pressemitteilung vom 12.9.2018
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