24.02.2021

Folgen eines fehlerhaften Autokreditvertrages

Der Verlust der Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 3 EGBGB tritt ein, wenn die Bank als Darlehensgeberin in der Widerrufsinformation über einen tatsächlich nicht abgeschlossenen verbundenen Vertrag belehrt. Der Darlehensgeberin steht grundsätzlich ein Wertersatzanspruch zu, den sie im Wege des Feststellungsantrags geltend machen kann.

OLG Celle v. 13.1.2021 - 3 U 47/20
Der Sachverhalt:
Die Parteien hatten im März 2016 einen Verbraucherdarlehensvertrag über einen Nettodarlehensbetrag i.H.v. 31.600 € abgeschlossen. Das Darlehen diente der Finanzierung eines zu privaten Zwecken erworbenen gebrauchten Pkws. Die Rückzahlung war in 48 monatlichen, gleichbleibenden Raten zu erbringen. Die von der Beklagten ebenfalls angebotene Restschuldversicherung schloss der Kläger nicht ab.

Im Juni 2019 erklärte der Kläger schriftlich den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung. Er erwarte, dass die Beklagte ihm innerhalb von zwei Wochen ab Zugang des Schreibens den Widerruf und die Rückabwicklung des Vertrags und des finanzierten Kaufvertrags bestätige. Die Beklagte erklärte schließlich mit Schreiben aus August 2019, den Widerruf nicht zu akzeptieren.

Der Kläger war der Ansicht, dass ihm im Zeitpunkt des erklärten Widerrufs noch ein Widerrufsrecht zugestanden habe, weil die erteilte Widerrufsinformation fehlerhaft gewesen sei und ihm nicht sämtliche Pflichtangaben ordnungsgemäß erteilt worden seien. Auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Widerrufsmusters könne sich die Beklagte nicht berufen, da das Muster u.a. durch Hinweise bzgl. der nicht abgeschlossenen Restschuldversicherung nicht zutreffend angewandt worden sei. Im Übrigen sei der sog. Kaskadenverweis innerhalb der Widerrufsinformation unzulässig.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Der vom Kläger erklärte Widerruf sei verfristet gewesen. Die für die Auslösung der Widerrufsfrist erforderlichen Unterlagen und notwendigen Pflichtangaben habe er erhalten, so dass die Widerrufsfrist bei Erklärung des Widerrufs längst abgelaufen gewesen sei. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers war teilweise erfolgreich. Die Widerklage der Beklagten hatte vollständig Erfolg.

Die Gründe:
Dem Kläger steht ein - noch nicht fälliger - Anspruch auf Rückzahlung der bis zum Widerruf des Darlehensvertrags geleisteten Darlehensraten i.H.v. rund 13.059 € gem. §§ 495 Abs. 1, 355 Abs. 3 Satz 1 BGB zu. Der Senat ist nicht daran gehindert, die Beklagte erst nach Herausgabe des Fahrzeugs zur Zahlung zu verurteilen. § 308 ZPO steht dem nicht entgegen, weil dieser selbst vom Kläger so beantragte Umstand gegenüber einem unbedingten Antrag ein Weniger darstellt.

Der Widerruf erfolgte rechtzeitig und war nicht verfristet, weil die grundsätzlich mit Vertragsschluss zu laufen beginnende Frist gem. § 356b Abs. 2 Satz 1 BGB noch nicht zu laufen begonnen hatte. Dem Kläger war nämlich nicht gem. § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 1. Fall EGBGB klar und verständlich mitgeteilt, wann die Widerrufsfrist zu laufen beginnt. Die Angabe, dass die "Frist erst nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB (z.B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat", beginne, ist - zumindest im Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG in Bezug auf Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge - nicht klar und verständlich. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB ist im Anwendungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie richtlinienkonform auszulegen.

Die Beklagte kann sich nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB berufen, denn die von ihr benutzte Widerrufsinformation entsprach nicht dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1. Zwar kann der Beklagten nicht vorgeworfen werden, dass sie den Gestaltungshinweis 5g falsch übernommen hätte, indem sie darin auf den "verbundenen Vertrag" Bezug nimmt, ohne diesen genau zu bezeichnen, wie sie es in den von ihr übernommenen Gestaltungshinweisen 2a, 5a-c und 5f getan hat. Allerdings hat die Beklagte die Gestaltungshinweise falsch angewandt, indem sie dort jeweils "die Anmeldung zur Restschuldversicherung" aufgenommen hat, obwohl der Kläger die Anmeldung zur Restschuldversicherung nicht beantragt hatte. Die Aufnahme dieser Angabe in die Widerrufsinformation stellt einen Zusatz dar, der in Anlage 7, insbesondere den dortigen Gestaltungshinweisen, nicht vorgesehen ist. Diese zusätzliche Angabe führt dazu, dass die Gesetzlichkeitsfiktion entfällt.

Der Ausübung des Widerrufsrechts steht auch nicht der Einwand entgegen, dass der Kläger sich rechtsmissbräuchlich verhält, wenn er sich auf das Fehlen des Musterschutzes (Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB) beruft. Ob der Kläger sich rechtsmissbräuchlich verhalten hat, ist vor dem normativen Hintergrund zu beurteilen, dass allein der Umstand, dass der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausübt, obwohl sein Motiv für den Widerruf nichts mit dem Schutzzweck des Widerrufsrechts zu tun hat, den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten nicht zulässt. In einer Gesamtschau sieht der Senat in diesem Einzelfall keine genügenden Anhaltspunkte für die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Klägers.

Der Beklagten steht dem Grunde nach aber ein Anspruch auf Wertersatz aus §§ 358 Abs. 4 Satz 1, 357 Abs. 7 BGB zu. Die Voraussetzungen des § 357 Abs. 7 Nr. 2 BGB liegen vor. Dort wird zwar vorausgesetzt, dass "der Unternehmer den Verbraucher nach Art. 246a § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 des Einführungsgesetzes zum BGB über sein Widerrufsrecht unterrichtet hat." Die Vorschrift ist aber gem. § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB nur entsprechend anzuwenden. Das führt dazu, dass in dem hier vorliegenden Fall, dass der Verbraucher Wertersatz für den Wertverlust einer durch einen verbundenen Vertrag erworbenen Sache leisten muss, § 357 Abs. 7 Nr. 2 BGB dahingehend auszulegen ist, dass die Verpflichtung zur Leistung von Wertersatz lediglich voraussetzt, dass er bei Abschluss des verbundenen Vertrags über seine Verpflichtung zur Leistung von Wertersatz informiert wurde. Und diese Voraussetzung hat die Beklagte erfüllt.
Niedersächsisches Landesjustizportal
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