Fremdsprachige Dokumente: § 14 Abs. 1 PatV aF ist nicht verfassungswidrig
BGH v. 14.7.2020 - X ZB 4/19
Der Sachverhalt:
Die Anmelderin hatte am 5.10.2016 beim Deutschen Patent- und Markenamt (Patentamt) unter Inanspruchnahme einer US-amerikanischen Priorität vom 8.10.2015 eine ein Druckstück für eine Freilaufkupplung betreffende Erfindung in englischer Sprache zum Patent angemeldet. Am 23.12.2016 reichte die Anmelderin eine deutsche Übersetzung der Anmeldung nach. Die Übersetzung lässt allerdings nicht erkennen, wer sie gefertigt hat, und ist nicht von einem Rechtsanwalt oder Patentanwalt beglaubigt.
Mit Bescheid vom 21.2.2017 wies das Patentamt die Anmelderin unter Bezugnahme auf § 14 Abs. 1 PatV in der bis 31.3.2019 gültigen Fassung darauf hin, dass die eingereichte Übersetzung der Beglaubigung durch einen Rechtsanwalt oder Patentanwalt bedürfe. Für den Fall, dass die Übersetzung durch einen öffentlich bestellten Übersetzer angefertigt worden sein sollte, sei dessen Unterschrift von einem Notar beglaubigen zu lassen. Das Patentamt forderte die Anmelderin auf, die entsprechende Beglaubigung innerhalb eines Monats nach Zugang des Mängelbescheids nachholen zu lassen. Diese kam der Aufforderung jedoch nicht nach.
Mit Bescheid vom 2.5.2017 setzte das Patentamt der Anmelderin eine weitere Frist von einem Monat und wies sie auf die Möglichkeit der Zurückweisung der Anmeldung hin, wenn der Mangel nicht rechtzeitig behoben werde. Nachdem die Anmelderin auch diese Frist hatte verstreichen lassen, wies das Patentamt die Anmeldung zurück. Hiergegen hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt.
Das Patentgericht hat den Beschluss des Patentamts aufgehoben und die Sache zur weiteren Behandlung der Anmeldung zurückverwiesen. Auf die Rechtsbeschwerde der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts hat der BGH den Beschluss des Bundespatentgerichts aufgehoben und die die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Gründe:
Zu Unrecht hat das Patentgericht angenommen, dass § 14 Abs. 1 PatV aF gegen den aus dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG resultierenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße und damit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nicht standhalte. § 14 Abs. 1 PatV aF ist nicht verfassungswidrig.
Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, den der Gesetzgeber auch bei der Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums zu beachten hat, ist nicht verletzt. Er besagt, dass eine Maßnahme zur Erreichung des angestrebten Zweckes geeignet und erforderlich sein muss; sie ist geeignet, wenn der gewünschte Erfolg mit ihrer Hilfe gefördert werden kann, und erforderlich, wenn der Gesetzgeber kein gleich wirksames, aber das betreffende Grundrecht nicht oder doch weniger fühlbar einschränkendes Mittel hätte wählen können. Ferner muss der mit der Maßnahme verbundene Eingriff im engeren Sinne verhältnismäßig sein, d.h. in angemessenem Verhältnis zu dem Gewicht und der Bedeutung des Grundrechts stehen und den Betroffenen nicht übermäßig oder unzumutbar belasten.
Mit der Regelung in § 14 Abs. 1 PatV aF wird ein legitimes Ziel verfolgt. Die Übersetzung ist maßgebliche Grundlage für die Bearbeitung der Anmeldungsunterlagen, da nach § 126 Satz 1, Halbsatz 1 PatG die Verfahrenssprache vor dem Patentamt Deutsch ist, sofern nichts anderes bestimmt ist (§ 126 Satz 1, Halbsatz 2 PatG). § 35a Abs. 1 PatG enthält eine andere gesetzliche Regelung nur für die Einreichung von Anmeldungsunterlagen, nicht dagegen für die weitere Durchführung des mit der Anmeldung eingeleiteten Prüfungsverfahrens. Die nach § 35a Abs. 1 PatG erforderliche Übersetzung dient zunächst dazu festzustellen, ob die Voraussetzungen vorliegen, die für die Anmeldung erforderlich sind. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, muss das Patentamt für die weitere Behandlung der Anmeldung prüfen können
Die Übersetzung hat den weiteren Zweck, die interessierte Öffentlichkeit zu informieren. Dementsprechend setzen die nach § 32 PatG vorgeschriebene Veröffentlichung der Anmeldung und der Patentschrift auch bei nicht in deutscher Sprache eingereichten Anmeldungen unverändert voraus, dass die Bekanntmachung in deutscher Sprache erfolgt. Auch insoweit ist eine zuverlässige Grundlage erforderlich. Vor diesem Hintergrund ist es legitim, wenn der Verordnungsgeber in § 14 Abs. 1 PatV aF ein erhöhtes Maß an Zuverlässigkeit anstrebt.
Die Regelung in § 14 Abs. 1 PatV aF ist zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet. Die in § 14 Abs. 1 PatV aF festgelegten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Übersetzung sind geeignet, zur Qualitätssicherung von Übersetzungen beizutragen. Dass die Übersetzung einer fremdsprachigen Patentanmeldung anspruchsvoll sein kann, ändert entgegen der Auffassung des Patentgerichts nichts an der grundsätzlichen Eignung der in § 14 Abs. 1 PatV aF geregelten Anforderungen an eine Übersetzung zur Erreichung des für die Prüfung der Anmeldevoraussetzungen erforderlichen Qualitätsstandards. Dass eine Falschbeurkundung nicht unmittelbar mit einer Sanktion belegt ist, lässt die Eignung einer Beglaubigung zur Qualitätssicherung ebenfalls nicht grundsätzlich entfallen.
§ 14 Abs. 1 PatV aF ist letztlich zur Erreichung des vom Verordnungsgeber verfolgten Ziels auch erforderlich. Entgegen der Auffassung des Patentgerichts war der Verordnungsgeber nicht gehalten, für die deutsche Übersetzung fremdsprachiger Anmeldungen nach § 35a PatG die Regelungen aus Regel 5 AusfOEPÜ i.V.m. Teil A VII 7 der Prüfungsrichtlinien des Europäischen Patentamts oder Regel 51bis.1(d)(ii) AusfOPCT zu übernehmen, wonach eine Beglaubigung nur bei berechtigten Zweifeln an der Richtigkeit der Übersetzung verlangt werden darf.
BGH online
Die Anmelderin hatte am 5.10.2016 beim Deutschen Patent- und Markenamt (Patentamt) unter Inanspruchnahme einer US-amerikanischen Priorität vom 8.10.2015 eine ein Druckstück für eine Freilaufkupplung betreffende Erfindung in englischer Sprache zum Patent angemeldet. Am 23.12.2016 reichte die Anmelderin eine deutsche Übersetzung der Anmeldung nach. Die Übersetzung lässt allerdings nicht erkennen, wer sie gefertigt hat, und ist nicht von einem Rechtsanwalt oder Patentanwalt beglaubigt.
Mit Bescheid vom 21.2.2017 wies das Patentamt die Anmelderin unter Bezugnahme auf § 14 Abs. 1 PatV in der bis 31.3.2019 gültigen Fassung darauf hin, dass die eingereichte Übersetzung der Beglaubigung durch einen Rechtsanwalt oder Patentanwalt bedürfe. Für den Fall, dass die Übersetzung durch einen öffentlich bestellten Übersetzer angefertigt worden sein sollte, sei dessen Unterschrift von einem Notar beglaubigen zu lassen. Das Patentamt forderte die Anmelderin auf, die entsprechende Beglaubigung innerhalb eines Monats nach Zugang des Mängelbescheids nachholen zu lassen. Diese kam der Aufforderung jedoch nicht nach.
Mit Bescheid vom 2.5.2017 setzte das Patentamt der Anmelderin eine weitere Frist von einem Monat und wies sie auf die Möglichkeit der Zurückweisung der Anmeldung hin, wenn der Mangel nicht rechtzeitig behoben werde. Nachdem die Anmelderin auch diese Frist hatte verstreichen lassen, wies das Patentamt die Anmeldung zurück. Hiergegen hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt.
Das Patentgericht hat den Beschluss des Patentamts aufgehoben und die Sache zur weiteren Behandlung der Anmeldung zurückverwiesen. Auf die Rechtsbeschwerde der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts hat der BGH den Beschluss des Bundespatentgerichts aufgehoben und die die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Gründe:
Zu Unrecht hat das Patentgericht angenommen, dass § 14 Abs. 1 PatV aF gegen den aus dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG resultierenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße und damit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nicht standhalte. § 14 Abs. 1 PatV aF ist nicht verfassungswidrig.
Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, den der Gesetzgeber auch bei der Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums zu beachten hat, ist nicht verletzt. Er besagt, dass eine Maßnahme zur Erreichung des angestrebten Zweckes geeignet und erforderlich sein muss; sie ist geeignet, wenn der gewünschte Erfolg mit ihrer Hilfe gefördert werden kann, und erforderlich, wenn der Gesetzgeber kein gleich wirksames, aber das betreffende Grundrecht nicht oder doch weniger fühlbar einschränkendes Mittel hätte wählen können. Ferner muss der mit der Maßnahme verbundene Eingriff im engeren Sinne verhältnismäßig sein, d.h. in angemessenem Verhältnis zu dem Gewicht und der Bedeutung des Grundrechts stehen und den Betroffenen nicht übermäßig oder unzumutbar belasten.
Mit der Regelung in § 14 Abs. 1 PatV aF wird ein legitimes Ziel verfolgt. Die Übersetzung ist maßgebliche Grundlage für die Bearbeitung der Anmeldungsunterlagen, da nach § 126 Satz 1, Halbsatz 1 PatG die Verfahrenssprache vor dem Patentamt Deutsch ist, sofern nichts anderes bestimmt ist (§ 126 Satz 1, Halbsatz 2 PatG). § 35a Abs. 1 PatG enthält eine andere gesetzliche Regelung nur für die Einreichung von Anmeldungsunterlagen, nicht dagegen für die weitere Durchführung des mit der Anmeldung eingeleiteten Prüfungsverfahrens. Die nach § 35a Abs. 1 PatG erforderliche Übersetzung dient zunächst dazu festzustellen, ob die Voraussetzungen vorliegen, die für die Anmeldung erforderlich sind. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, muss das Patentamt für die weitere Behandlung der Anmeldung prüfen können
Die Übersetzung hat den weiteren Zweck, die interessierte Öffentlichkeit zu informieren. Dementsprechend setzen die nach § 32 PatG vorgeschriebene Veröffentlichung der Anmeldung und der Patentschrift auch bei nicht in deutscher Sprache eingereichten Anmeldungen unverändert voraus, dass die Bekanntmachung in deutscher Sprache erfolgt. Auch insoweit ist eine zuverlässige Grundlage erforderlich. Vor diesem Hintergrund ist es legitim, wenn der Verordnungsgeber in § 14 Abs. 1 PatV aF ein erhöhtes Maß an Zuverlässigkeit anstrebt.
Die Regelung in § 14 Abs. 1 PatV aF ist zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet. Die in § 14 Abs. 1 PatV aF festgelegten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Übersetzung sind geeignet, zur Qualitätssicherung von Übersetzungen beizutragen. Dass die Übersetzung einer fremdsprachigen Patentanmeldung anspruchsvoll sein kann, ändert entgegen der Auffassung des Patentgerichts nichts an der grundsätzlichen Eignung der in § 14 Abs. 1 PatV aF geregelten Anforderungen an eine Übersetzung zur Erreichung des für die Prüfung der Anmeldevoraussetzungen erforderlichen Qualitätsstandards. Dass eine Falschbeurkundung nicht unmittelbar mit einer Sanktion belegt ist, lässt die Eignung einer Beglaubigung zur Qualitätssicherung ebenfalls nicht grundsätzlich entfallen.
§ 14 Abs. 1 PatV aF ist letztlich zur Erreichung des vom Verordnungsgeber verfolgten Ziels auch erforderlich. Entgegen der Auffassung des Patentgerichts war der Verordnungsgeber nicht gehalten, für die deutsche Übersetzung fremdsprachiger Anmeldungen nach § 35a PatG die Regelungen aus Regel 5 AusfOEPÜ i.V.m. Teil A VII 7 der Prüfungsrichtlinien des Europäischen Patentamts oder Regel 51bis.1(d)(ii) AusfOPCT zu übernehmen, wonach eine Beglaubigung nur bei berechtigten Zweifeln an der Richtigkeit der Übersetzung verlangt werden darf.