Fremdwährungsdarlehen: Verbraucher müssen Folgen der Anwendung unterschiedlicher Devisenkurse bei Darlehensauszahlung und -tilgung einschätzen können
EuGH 30.4.2014, C-26/13Die Richtlinie über missbräuchliche Vertragsklauseln1 sieht vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher die Verbraucher nicht binden. Die Richtlinie gestattet allerdings den Mitgliedstaaten, in ihren nationalen Umsetzungsvorschriften vorzusehen, dass Klauseln zur Festlegung des Hauptgegenstands des Vertrags oder der Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt und den Dienstleistungen bzw. den Gütern, die die Gegenleistung darstellen, von einer Missbräuchlichkeitskontrolle ausgenommen sind, sofern diese Klauseln klar und verständlich abgefasst sind. In den ungarischen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie ist eine solche Ausnahme vorgesehen.
Der Sachverhalt:
Die klagenden Eheleute schlossen mit der Beklagten, einer ungarischen Bank, einen Vertrag über ein Fremdwährungs-Hypothekendarlehen. Die Beklagte gewährte ihnen ein Darlehen i.H.v. 14,4 Mio. ungarischen Forint (HUF) (rd. 47.000 €). Der Vertrag sah vor, dass der Darlehensbetrag in Schweizer Franken (CHF) zu dem am Auszahlungstag von der Beklagten angewandten Ankaufskurs dieser Währung festgelegt wird. Nach dieser Klausel wurde der Darlehensbetrag auf rd. 94.000 CHF festgesetzt. Der Forintbetrag der monatlichen Tilgungsrate sollte dagegen nach den Vertragsbedingungen anhand des am Tag vor dem Fälligkeitsdatum von der Beklagten angewandten Verkaufskurses des Schweizer Franken ermittelt werden.
Die Kläger fochten vor den ungarischen Gerichten die Klausel an, die es der Beklagten erlaubt, die fälligen Tilgungsraten auf der Grundlage des von ihr angewandten Verkaufskurses des Schweizer Franken zu berechnen. Sie machen geltend, diese Klausel sei missbräuchlich, weil sie vorsehe, dass bei der Tilgung des Darlehens ein anderer Kurs zur Anwendung komme als bei seiner Gewährung.
Der im Revisionsverfahren mit dem Rechtsstreit befasste Oberste Gerichtshof Ungarns möchte vom EuGH wissen, ob die Klausel über die Wechselkurse, die auf einen Vertrag über ein Fremdwährungsdarlehen Anwendung finden, den Hauptgegenstand des Vertrags oder das Preis-/Leistungsverhältnis berührt. Sie stellt ferner die Frage, ob die angefochtene Klausel als klar und verständlich abgefasst angesehen werden kann, so dass sie von einer Missbräuchlichkeitskontrolle im Sinne der Richtlinie ausgenommen werden darf. Schließlich möchte sie wissen, ob das nationale Gericht - falls der Vertrag nach Wegfall einer missbräuchlichen Klausel nicht durchführbar ist - befugt ist, den Vertrag zu ändern oder zu ergänzen.
Die Gründe:
Das Verbot einer Missbräuchlichkeitskontrolle von Klauseln, die den Hauptgegenstand eines Vertrags betreffen, muss eng ausgelegt werden und darf nur auf Klauseln angewandt werden, mit denen die Hauptleistungen des Vertrags festgelegt werden. Es ist vorliegend Sache des Obersten Gerichtshofs, zu beurteilen, ob die angefochtene Klausel einen Hauptbestandteil des von den Klägern geschlossenen Vertrags darstellt.
Auf eine Missbräuchlichkeitskontrolle der in Rede stehenden Klausel darf nicht mit der Begründung verzichtet werden, dass sie sich auf die Angemessenheit zwischen dem Preis oder dem Entgelt und den die Gegenleistung darstellenden Dienstleistungen bzw. Gütern bezieht. Denn die Klausel beschränkt sich darauf, im Hinblick auf die Berechnung der Tilgungszahlungen den Umrechnungskurs zwischen dem ungarischen Forint und dem Schweizer Franken festzulegen, ohne jedoch eine Umtauschleistung des Darlehensgebers vorzusehen. Mangels einer solchen Umtauschleistung kann in der vom Darlehensnehmer zu tragenden finanziellen Belastung, die sich aus dem Unterschied zwischen dem Verkaufs- und dem Ankaufskurs ergibt, kein als Gegenleistung für eine Dienstleistung geschuldetes Entgelt gesehen werden.
Eine Klausel, die den Hauptgegenstand des Vertrags festlegt, ist von einer Missbräuchlichkeitskontrolle nur dann ausgenommen, wenn sie klar und verständlich abgefasst ist. Dies erfordert allerdings nicht nur Klarheit und Verständlichkeit in formeller und grammatikalischer Hinsicht. Vielmehr muss der Darlehensvertrag den Anlass und die Besonderheiten des Verfahrens zur Umrechnung der ausländischen Währung transparent darstellen. Der Oberste Gerichtshof wird also zu klären haben, ob ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Verbraucher aufgrund der Werbung und der Informationen, die der Darlehensgeber im Rahmen der Aushandlung des Darlehensvertrags bereitgestellt hat, nicht nur wissen konnte, dass beim Umtausch einer ausländischen Währung ein Unterschied zwischen dem Verkaufs- und dem Ankaufskurs besteht, sondern auch die Folgen für seine Tilgungszahlungen und die Gesamtkosten seines Darlehens einschätzen konnte.
Die Richtlinie hindert das nationale Gericht für den Fall, dass der Wegfall einer missbräuchlichen Klausel den Vertrag, wie vorliegend, undurchführbar macht, nicht daran, die beanstandete Klausel durch eine dispositive Vorschrift des nationalen Rechts zu ersetzen. Denn auf diese Weise lässt sich das Ziel der Richtlinie erreichen, das u.a. darin besteht, die Ausgewogenheit zwischen den Parteien wiederherzustellen und zugleich zu bewirken, dass der gesamte Vertrag so weit wie möglich Bestand hat. Wäre eine solche Ersetzung nicht zulässig, so dass das Gericht gezwungen wäre, den Vertrag insgesamt für nichtig zu erklären, würden die Abschreckungswirkung der Nichtigkeitssanktion und der angestrebte Verbraucherschutz möglicherweise beeinträchtigt.
Vorliegend hätte eine solche Nichtigerklärung zur Folge, dass der gesamte Restbetrag fällig würde. Dies könnte aber die finanzielle Leistungsfähigkeit des Verbrauchers übersteigen und würde daher eher ihn als den Darlehensgeber treffen, der infolgedessen nicht davon abgehalten würde, solche Klauseln in seine Verträge aufzunehmen.
Linkhinweis:
Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.