22.09.2014

Geldstrafe: Zur Vorsatzanfechtung bei Kenntnis der Strafvollstreckungsbehörde von der ungünstigen Vermögenslage des Schuldners

Begleicht der Schuldner im Wissen um seine Zahlungsunfähigkeit eine Geldstrafe, kann die Vorsatzanfechtung durchgreifen, wenn die Strafvollstreckungsbehörde über die ungünstige Vermögenslage des Schuldners unterrichtet ist. Eigene Erklärungen des Schuldners, fällige Verbindlichkeiten nicht begleichen zu können, deuten auf eine Zahlungseinstellung hin, auch wenn sie mit einer Stundungsbitte versehen sind.

BGH 10.7.2014, IX ZR 280/13
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Eigenantrag über das Vermögen des O (Schuldner) im Mai 2009 eröffneten Insolvenzverfahren.

Der Schuldner wurde durch rechtskräftiges Urteil des AG Ingolstadt im Oktober 2006 wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 10 € verurteilt. Vor dem AG gab der Schuldner an, mit Verbindlichkeiten i.H.v. rd. 15.000 € belastet zu sein und Sozialhilfe zu beziehen. Aufgrund der Verurteilung hat der Schuldner einschließlich der Verfahrenskosten rd. 1.700 € an den beklagten Freistaat zu zahlen. Vereinbarungsgemäß überweis der Schuldner im Zeitraum von August 2007 bis April 2009 in mtl. Raten von jeweils 50 € einen Betrag von insgesamt 1.050 € an den Beklagten. Während dieses Zeitraums bezog der seiner Ehefrau und einem gemeinsamen Kind unterhaltspflichtige Schuldner als Arbeitnehmer einen mtl. Nettolohn zwischen rd. 1.200 € und 1.900 €.

Gegen den Schuldner, der bis zum Jahr 2004 selbständig einen Imbissbetrieb führte, erging im März 2005 ein Vollstreckungsbescheid über rd. 2.300 € und im Dezember 2008 ein Vollstreckungsbescheid über rd. 4.900 €. Ferner wurde gegen ihn im März 2005 ein Vollstreckungsbescheid über rd. 8.400 € erwirkt, aus dem nach Verfahrenseröffnung ein Restbetrag von rd. 2.100 € zur Tabelle angemeldet wurde. Die Betriebskrankenkasse meldete für den Zeitraum von November 2003 bis Januar 2004 rückständige Sozialversicherungsbeiträge einschließlich Säumniszuschlägen und Kosten über rd. 2.600 € zur Tabelle an. Der Kläger verlangt unter dem Gesichtspunkt der Vorsatzanfechtung Erstattung der von dem Schuldner an den Beklagten erbrachten Zahlungen über 1.050 €.

AG und LG gaben der Klage statt. Die Revision des Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Ausführungen des LG halten rechtlicher Prüfung stand. Die Bezahlung einer Geldstrafe unterliegt der Insolvenzanfechtung, sofern - wie hier - deren tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Der Strafcharakter rechtfertigt insofern keine Sonderbehandlung.

Das LG hat zutreffend angenommen, dass infolge der Zahlungen des Schuldners von insgesamt 1.050 € eine Gläubigerbenachteiligung (§ 129 Abs. 1 InsO) eingetreten ist, weil der Schuldner die angefochtenen Zahlungen aus seinem pfändbaren Arbeitseinkommen erbracht hat. Der Schuldner hat die Zahlungen mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen (§ 133 Abs. 1 S. 1 InsO). Ein Benachteiligungsvorsatz scheidet auch nicht - wie die Revision meint - deshalb aus, weil der Schuldner mit den Zahlungen die Verbüßung der ansonsten unausweichlichen Freiheitsstrafe abzuwenden suchte.

Nicht zu beanstanden ist schließlich die Würdigung des LG, dass der Beklagte den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners erkannt hat. Die Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes wird gem. § 133 Abs. 1 S. 2 InsO vermutet, denn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Kennt der Anfechtungsgegner die (drohende) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, so weiß er auch, dass Leistungen aus dessen Vermögen die Befriedigungsmöglichkeit anderer Gläubiger vereiteln oder zumindest erschweren und verzögern. Mithin ist der Anfechtungsgegner regelmäßig über den Benachteiligungsvorsatz im Bilde. Der Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen.

Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt. Nach diesen Maßstäben hat der Beklagte die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin erkannt. Dem zuständigen Vollstreckungsrechtspfleger war infolge der Lektüre des Strafurteils geläufig, dass gegen den als Inhaber eines Imbissbetriebs selbständig tätig gewesenen Schuldner Verbindlichkeiten i.H.v. rd. 15.000 € bestanden. Außerdem hatte der Schuldner, weil er zur Zahlung der Geldstrafe i.H.v. 1.000 € außerstande war, um die Gewährung von Ratenzahlung gebeten. Eigene Erklärungen des Schuldners, fällige Verbindlichkeiten nicht begleichen zu können, deuten auf eine Zahlungseinstellung hin, auch wenn sie mit einer Stundungsbitte versehen sind.

Allein die Zahlung der mtl. Raten von 50 € gegenüber dem Beklagten gestattete schon angesichts der erheblichen Höhe der weiteren Verbindlichkeiten nicht die Annahme, dass der Schuldner seine Zahlungen im Allgemeinen wieder aufgenommen hatte. Vielmehr war damit zu rechnen, dass die zugunsten der Beklagten bewirkten Zahlungen den weiteren, aus der selbständigen Tätigkeit verbliebenen Gläubigern entgehen würden. Bei dieser Sachlage war der Beklagte über die weiterhin ungünstige Vermögenslage des Schuldners unterrichtet, was die Schlussfolgerung einer auf einer Zahlungseinstellung beruhenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners begründete.

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