Gesundheitsschutz von Verbrauchern bei Corona-Antigen-Schnelltests
OLG Brandenburg v.17.1.2023 - 6 U 26/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger betreibt u.a. einen Webshop und verkauft dort neben anderen Produkten Corona-Antigen-Schnelltests. Die Beklagte vertreibt über ihre Webseite sowie über die Verkaufsplattform eBay ebenfalls Corona-Antigen-Schnelltests. Sie hatte im Frühjahr 2021 auch den für die Abgabe an Verbraucher nicht zugelassenen Antigentest "JOYSBIO SARS-CoV-2 Antigen Rapid Test Kit (Colloidal Gold)" (JOYSBIO) auf der Verkaufsplattform eBay zum Kauf angeboten. In dem Angebot hieß es: "Dieses Angebot des Coronatests richtet sich ausschließlich an gewerbliche Kunden (Ärzte, Personen aus dem Gesundheitswesen) mit entsprechendem Fachpersonal. Mit dem Kauf bestätigen Sie, dass Sie die Bestellung für gewerbliche/medizinische Zwecke tätigen und Sie die Produkte an entsprechendes Fachpersonal übergeben." Unter der Bezeichnung "Rücknahme" hieß es weiter: "Verbraucher können den Artikel zu den unten angegebenen Bedingungen zurückgeben".
Der Kläger erlangte im Mai 2021 davon Kenntnis und forderte die Beklagte zur Abgabe einer Unterlassungserklärung des Inhalts auf, es bei Meidung einer Vertragsstrafe zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd Medizinprodukte, die unter die Abgabebeschränkung der Medizinprodukte-Abgabeverordnung (MPAV) fallen, ohne entsprechende Genehmigung an andere als die im Medizinproduktegesetz (MPG) oder die in § 3 Abs. 4 oder Abs. 4a MPAV benannten Einrichtungen oder Personen abzugeben. Er war der Ansicht, der Test könne trotz des Hinweises der Beklagten von jedermann, also auch von Verbrauchern, gekauft werden. Bei eBay handele es sich nicht um eine reine B2B Plattform, es sei daher und infolge der gesonderten Belehrung über die Verbrauchern eröffnete Rückgabemöglichkeit davon auszugehen, dass die Beklagte den Test "JOYSBIO" auch an Verbraucher verkauft habe. Die Beklagte wies die Ansprüche als unberechtigt zurück.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers blieb vor dem OLG erfolglos.
Die Gründe:
Dem Kläger kommt weder ein Anspruch zu auf Unterlassung des inkriminierten Verhaltens noch ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Aufwendungen und Kosten. Im Ergebnis zutreffend hat das LG festgestellt, dass dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1, 3 Nr. 1, § 3a UWG i.V.m. § 3 Abs. 4, 4a MPAV gegenüber dem Beklagten nicht zusteht. Es fehlt sowohl an der einen Unterlassungsanspruch begründenden Wiederholungs-, wie auch an einer Erstbegehungsgefahr.
Selbst wenn eine unlautere geschäftliche Handlung festzustellen wäre, begründete dies keinen Unterlassungsanspruch, weil dem Kläger selbst unlauteres Verhalten vorzuhalten ist. Zwar behauptete der Kläger einen Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung i.S.d. §§ 3, 3a UWG, der grundsätzlich einen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 UWG begründen könnte. Er machte insoweit geltend, dass die Beklagte beim Verkauf von Corona-Schnelltests im Internet die Vorgaben des § 3 Abs. 4, 4a MPAV nicht beachtet habe, indem sie Produkte an Verbraucher abgegeben habe, die nur für einen näher bezeichneten beschränkten Kreis professioneller Nutzer bestimmt waren. Den geltend gemachten Verstoß unterstellt, könnte ein die Unlauterkeit des Geschäfts begründender Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung i.S.d. § 3a UWG vorliegen. § 3 Abs. 4, 4a MPAV enthält Vorgaben dazu, an welche Personengruppen In-vitro-Diagnostika speziell auch für den Nachweis des Coronavirus Sars-Cov-2 ausgegeben werden dürfen. Die Vorschriften stellen damit eine produktbezogene Absatzbeschränkung mit dem Ziel des Gesundheitsschutzes von Verbrauchern dar. Bestimmungen, die produktbezogene Absatzverbote oder Absatzbeschränkungen regeln, sind regelmäßig Marktverhaltensregelungen i.S.d. § 3a UWG.
Der Anwendung des § 3a UWG steht im Streitfall auch nicht entgegen, dass die RL 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, die nach ihrem Art. 4 in ihrem Anwendungsbereich die vollständige Harmonisierung der Vorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken bezweckt, welche die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher beeinträchtigen, keinen dieser Vorschrift vergleichbaren Unlauterkeitstatbestand kennt. Denn der Richtlinie steht von vorneherein eine nationale Regelung nicht entgegen, die in ihren Ausnahmebereich fällt, dazu zählen nach § 3 Abs. 3 der RL 2005/29/EG Rechtsvorschriften in Bezug auf Gesundheitsaspekte.
Es ließ sich aber kein Verstoß gegen die Vorgaben des § 3 Abs. 4, 4a MPAV in Bezug auf den Bestellvorgang im Mai 2021 feststellen. Wie das LG zutreffend ausgeführt hatte, fehlte es im Zusammenhang mit dem Bestellvorgang betreffend den Test "JOYSBIO" mangels Abgabe des Tests an einem Verstoß gegen § 3 Abs. 4, 4a MPAV. § 3 Abs. 4 und 4a MPAV reglementieren die Abgabe von In-vitro-Diagnostika, die für den direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV- 2 bestimmt sind, dahingehend, dass diese nur an Ärzte, bestimmte näher bezeichnete Einrichtungen und Arbeitgeber erfolgen darf, sofern die Diagnostika nicht für die Eigenanwendung zugelassen oder Gegenstand einer befristeten Sonderausnahme sind. Unstreitig verfügte der von dem Kläger im Mai 2021 bestellte Test "JOYSBIO" nicht über eine solche (Sonder-)Zulassung. Es fehlte aber gleichwohl an einem relevanten Verstoß, weil der Test nicht an den Kläger abgegeben worden war. Der durch die Abgabebeschränkung bewirkte Schutz der Patienten vor Diagnostika, die für Laien nicht geeignet sind, wird erst relevant, wenn das betreffende Produkt tatsächlich in deren Hände gelangt.
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Landesrecht Brandenburg
Der Kläger betreibt u.a. einen Webshop und verkauft dort neben anderen Produkten Corona-Antigen-Schnelltests. Die Beklagte vertreibt über ihre Webseite sowie über die Verkaufsplattform eBay ebenfalls Corona-Antigen-Schnelltests. Sie hatte im Frühjahr 2021 auch den für die Abgabe an Verbraucher nicht zugelassenen Antigentest "JOYSBIO SARS-CoV-2 Antigen Rapid Test Kit (Colloidal Gold)" (JOYSBIO) auf der Verkaufsplattform eBay zum Kauf angeboten. In dem Angebot hieß es: "Dieses Angebot des Coronatests richtet sich ausschließlich an gewerbliche Kunden (Ärzte, Personen aus dem Gesundheitswesen) mit entsprechendem Fachpersonal. Mit dem Kauf bestätigen Sie, dass Sie die Bestellung für gewerbliche/medizinische Zwecke tätigen und Sie die Produkte an entsprechendes Fachpersonal übergeben." Unter der Bezeichnung "Rücknahme" hieß es weiter: "Verbraucher können den Artikel zu den unten angegebenen Bedingungen zurückgeben".
Der Kläger erlangte im Mai 2021 davon Kenntnis und forderte die Beklagte zur Abgabe einer Unterlassungserklärung des Inhalts auf, es bei Meidung einer Vertragsstrafe zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd Medizinprodukte, die unter die Abgabebeschränkung der Medizinprodukte-Abgabeverordnung (MPAV) fallen, ohne entsprechende Genehmigung an andere als die im Medizinproduktegesetz (MPG) oder die in § 3 Abs. 4 oder Abs. 4a MPAV benannten Einrichtungen oder Personen abzugeben. Er war der Ansicht, der Test könne trotz des Hinweises der Beklagten von jedermann, also auch von Verbrauchern, gekauft werden. Bei eBay handele es sich nicht um eine reine B2B Plattform, es sei daher und infolge der gesonderten Belehrung über die Verbrauchern eröffnete Rückgabemöglichkeit davon auszugehen, dass die Beklagte den Test "JOYSBIO" auch an Verbraucher verkauft habe. Die Beklagte wies die Ansprüche als unberechtigt zurück.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers blieb vor dem OLG erfolglos.
Die Gründe:
Dem Kläger kommt weder ein Anspruch zu auf Unterlassung des inkriminierten Verhaltens noch ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Aufwendungen und Kosten. Im Ergebnis zutreffend hat das LG festgestellt, dass dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1, 3 Nr. 1, § 3a UWG i.V.m. § 3 Abs. 4, 4a MPAV gegenüber dem Beklagten nicht zusteht. Es fehlt sowohl an der einen Unterlassungsanspruch begründenden Wiederholungs-, wie auch an einer Erstbegehungsgefahr.
Selbst wenn eine unlautere geschäftliche Handlung festzustellen wäre, begründete dies keinen Unterlassungsanspruch, weil dem Kläger selbst unlauteres Verhalten vorzuhalten ist. Zwar behauptete der Kläger einen Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung i.S.d. §§ 3, 3a UWG, der grundsätzlich einen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 UWG begründen könnte. Er machte insoweit geltend, dass die Beklagte beim Verkauf von Corona-Schnelltests im Internet die Vorgaben des § 3 Abs. 4, 4a MPAV nicht beachtet habe, indem sie Produkte an Verbraucher abgegeben habe, die nur für einen näher bezeichneten beschränkten Kreis professioneller Nutzer bestimmt waren. Den geltend gemachten Verstoß unterstellt, könnte ein die Unlauterkeit des Geschäfts begründender Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung i.S.d. § 3a UWG vorliegen. § 3 Abs. 4, 4a MPAV enthält Vorgaben dazu, an welche Personengruppen In-vitro-Diagnostika speziell auch für den Nachweis des Coronavirus Sars-Cov-2 ausgegeben werden dürfen. Die Vorschriften stellen damit eine produktbezogene Absatzbeschränkung mit dem Ziel des Gesundheitsschutzes von Verbrauchern dar. Bestimmungen, die produktbezogene Absatzverbote oder Absatzbeschränkungen regeln, sind regelmäßig Marktverhaltensregelungen i.S.d. § 3a UWG.
Der Anwendung des § 3a UWG steht im Streitfall auch nicht entgegen, dass die RL 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, die nach ihrem Art. 4 in ihrem Anwendungsbereich die vollständige Harmonisierung der Vorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken bezweckt, welche die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher beeinträchtigen, keinen dieser Vorschrift vergleichbaren Unlauterkeitstatbestand kennt. Denn der Richtlinie steht von vorneherein eine nationale Regelung nicht entgegen, die in ihren Ausnahmebereich fällt, dazu zählen nach § 3 Abs. 3 der RL 2005/29/EG Rechtsvorschriften in Bezug auf Gesundheitsaspekte.
Es ließ sich aber kein Verstoß gegen die Vorgaben des § 3 Abs. 4, 4a MPAV in Bezug auf den Bestellvorgang im Mai 2021 feststellen. Wie das LG zutreffend ausgeführt hatte, fehlte es im Zusammenhang mit dem Bestellvorgang betreffend den Test "JOYSBIO" mangels Abgabe des Tests an einem Verstoß gegen § 3 Abs. 4, 4a MPAV. § 3 Abs. 4 und 4a MPAV reglementieren die Abgabe von In-vitro-Diagnostika, die für den direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV- 2 bestimmt sind, dahingehend, dass diese nur an Ärzte, bestimmte näher bezeichnete Einrichtungen und Arbeitgeber erfolgen darf, sofern die Diagnostika nicht für die Eigenanwendung zugelassen oder Gegenstand einer befristeten Sonderausnahme sind. Unstreitig verfügte der von dem Kläger im Mai 2021 bestellte Test "JOYSBIO" nicht über eine solche (Sonder-)Zulassung. Es fehlte aber gleichwohl an einem relevanten Verstoß, weil der Test nicht an den Kläger abgegeben worden war. Der durch die Abgabebeschränkung bewirkte Schutz der Patienten vor Diagnostika, die für Laien nicht geeignet sind, wird erst relevant, wenn das betreffende Produkt tatsächlich in deren Hände gelangt.
Aufsatz
Das "klimaneutrale" Produkt - eine Verbrauchertäuschung?
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