19.07.2016

Gewerberaummiete: Zu den Voraussetzungen der Gesundheitsgefährdung i.S.d. § 569 Abs.1 BGB und der Nutzungsentschädigung nach § 546a BGB

Das Kündigungsrecht aus § 569 Abs.1 BGB greift bereits bei Bestehen einer konkret gesundheitsgefährdenden Lage im Mietobjekt;  eine solche liegt auch vor, wenn eine nach gegenwärtigem Kenntnisstand bei außergewöhnlichen Belastungen mögliche Gefahr als real einzustufen ist. Außerdem  kann ein Mieter dem Vermieter die Mietsache nicht i.S.d. § 546a BGB vorenthalten, wenn der Vermieter das Mietverhältnis nicht als beendet ansieht und somit keinen Rücknahmewillen hat.

OLG Düsseldorf, 16.2.2016, I-10 U 202/15
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte an die Beklagte befristet bis zum 30.9.2010 mehrere Gewerbehallen vermietet. Die Parteien stritten rückständige Miete i.H.v. rund 61.634 €. 

Das LG Düsseldorf hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Mietvertrag sei vom Beklagten  am 29.9 .2009 wirksam außerordentlich gekündigt worden, sodass die Mietzahlungspflicht des Beklagten ab diesem Zeitpunkt endete. Der Beklagte sei gem.  § 569 Abs. 1 BGB wegen Beeinträchtigung der Standfestigkeit einer der vermieteten Lagerhallen zur fristlosen Kündigung berechtigt gewesen. Ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung gem . § 546a Abs. 1 BGB stehe der Klägerin nicht zu, weil es an ihrem Rücknahmewillen gefehlt habe. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie meint, das LG habe zu Unrecht angenommen, dass die Mietsache eine Gesundheitsgefahr darstelle. Unabhängig davon, ob die Kündigung berechtigt gewesen sei, hafte der Beklagte - wenn nicht aus § 546a BGB - aus § 812 Abs. 1 S.  1 2. Alt. BGB auf die übliche Miete. Das OLG beabsichtigte, die Berufung zurückzuweisen.

Die Gründe:
Die Berufung hat in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Das LG hat die Klage mit zutreffender Begründung insgesamt abgewiesen.

Ansprüche aus § 535 Abs. 2 BGB scheitern daran, dass das Mietverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten aus September 2009 gem.  § 569 Abs. 1 BGB beendet wurde, sodass der Beklagte ab Oktober 2009 nicht mehr zur Mietzahlung verpflichtet war. Nach § 569 Abs. 1 BGB liegt ein wichtiger Kündigungsgrund für den Mieter vor, wenn die Benutzung des gemieteten Wohnraums mit einer erheblichen Gesundheitsgefährdung verbunden ist. Gem.  § 578 Abs. 2 S. 2  BGB ist die Vorschrift auf ein Mietverhältnis über Räume, die keine Wohnräume sind, entsprechend anzuwenden, wenn die Räume (auch) zum Aufenthalt von Menschen bestimmt sind. Das Kündigungsrecht setzt nicht voraus, dass bereits eine Gesundheitsgefährdung eingetreten ist. Es reicht vielmehr das konkrete Bestehen einer die Gesundheit nachhaltig berührenden Gefährdungslage. Maßgebend ist der gegenwärtige Stand der Erkenntnis, also ob von den Räumen in ihrem jetzigen Zustand eine Gefahr ausgeht. Auf den Kenntnisstand bei Vertragsschluss kommt es nicht an.

Die Erfüllung dieser Voraussetzungen ist nach den getroffenen Feststellungen bewiesen.  Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass die Standfestigkeit der streitgegenständlichen  Halle bei Ausspruch der Kündigung nicht mehr gewährleistet und der Mietgebrauch des Beklagten insgesamt beeinträchtigt war. Laut Sachverständigengutachten steht fest, dass bei ungünstigen Wind- und/oder Schneelasten die Gefahr des Einsturzes des Hallendachs besteht. Der Annahme einer hieraus abzuleitenden Gesundheitsgefährdung steht nicht entgegen, dass die Einsturzgefahr nur bei außergewöhnlichen Belastungen auftreten kann. Eine auf fehlender Standsicherheit beruhende Einsturzgefahr einer für den Aufenthalt von Menschen bestimmten Lagerhalle gilt auch dann i.S. d. § 569 Abs. 1 BGB als gesundheitsgefährdend, wenn sie lediglich als real einzustufen ist. Darauf, ob die Halle dem technischen Standard im Zeitpunkt ihrer Errichtung entsprochen hat, kommt es nicht an. Die fristlose Kündigung ist nicht gem.  § 242 BGB ausgeschlossen. Die Klägerin beruft sich in widersprüchlicher Form und insoweit erfolglos darauf, der Beklagte habe die Halle, die sich durchgehend im streitgegenständlichen Zustand befunden habe, bereits seit Anfang 2003 genutzt. Es steht einer Kündigung nach § 569 Abs. 1 S. 2 BGB  nicht entgegen, wenn der Mieter die gefahrbringende Eigenschaft bei Vertragsschluss gekannt oder auf die Geltendmachung diesbezüglicher Rechte verzichtet hat.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch darüber hinaus weder als Nutzungsentschädigung gem.  § 546a Abs. 1 BGB noch als Bereicherungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 S. 1  2 Alt. BGB zu. Ein Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung i.H.d . vereinbarten Miete mangels Rückgabe der Mietsache steht der Klägerin nicht bis zu dem von ihr behaupteten Tag der Rückgabe (14.9.2010) zu. Eine etwaige Nichtrückgabe der Mietsache führt nur dann zu einem Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach § 546 a BGB, wenn der Mieter dem Vermieter die Mietsache vorenthält. Vorenthaltung bedeutet Zurückbehaltung gegen den Willen des Vermieters. Solange der Vermieter den Mietvertrag nicht als beendet ansieht, will er keine Räumung verlangen. Das LG  hat zutreffend erkannt, dass der Klägerin der Rücknahmewille fehlte, da sie der vorzeitigen Beendigung des Mietverhältnisses durch die fristlose Kündigung des Beklagten bis zuletzt widersprochen hatte. Hinsichtlich eines Bereicherungsanspruchs gem.  § 812 Abs. 1 S.  1 2. Alt. fehlt es an einer schlüssigen Darlegung der Klägerin.


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