25.01.2018

Grundsatz der Staatenimmunität: Rechtmäßigkeitskontrolle eines ausländischen Gesetzes zum Austausch von Staatsanleihen unzulässig

Der Grundsatz der Staatenimmunität steht einer Klage entgegen, soweit der Streitgegenstand der Klage eine hoheitliche Maßnahme eines ausländischen Staats ist. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn die Klage auf Rückzahlungsansprüche aus Staatsanleihen gestützt ist, die aufgrund der nachträglich durch Gesetz eingeführten Allgemeinverbindlichkeitserklärung (hoheitliche Maßnahme) einer Gläubigerentscheidung gegen andere Staatsanleihen ausgetauscht worden sind.

BGH 19.12.2017, XI ZR 796/16
Der Sachverhalt:
Im September 2010 und im März 2011 erwarben die Kläger von der beklagten Hellenischen Republik in den Jahren 1998 und 2003 emittierte ISIN-GR-Anleihen und zahlten dafür insgesamt rd. 42.000 €. Die Anleihebedingungen enthielten keine Umschuldungsklauseln. Es handelte sich bei den Anleihen um dematerialisierte Wertpapiere, die im Girosystem der griechischen Zentralbank registriert waren und die zunächst nur an in diesem System registrierte  Träger ausgegeben wurden.

Im Zuge der Restrukturierung des griechischen Staatshaushalts wurde das griechische Gesetz 4050/2012 vom 23.2.2012 geregelt. Es sieht vor, dass durch Mehrheitsentscheidung der Anleihegläubiger Anleihebedingungen geändert werden können und ein Umtausch von Anleihen gegen neue Anleihen erfolgen kann. Dies kann sodann durch Beschluss des Ministerrats der Beklagten für allgemeinverbindlich erklärt werden. In der Folge betraf die Umsetzung des neuen Gesetzes auch die Anleihen der Kläger. In den Depotbeständen der Kläger, die dem Umtausch der Anleihen nicht zugestimmt hatten, wurden aufgrund der Allgemeinverbindlichkeitserklärung die alten Anleihen ausgebucht und gleichzeitig die neuen Anleihen mit geringerem Nennwert sowie anderer Stückelung und Laufzeit eingebucht.

Mit ihrer Klage begehren die Kläger Zahlung des für den Erwerb der Anleihen investierten Kapitals abzüglich vereinnahmter Zahlungen, Zug um Zug gegen Abtretung der im März 2012 eingebuchten Anliehen, und Ersatz entgangenen Gewinns aus einer alternativen Festzinsanlage. Die Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Klage ist unzulässig, da der Grundsatz der Staatenimmunität der Klage insgesamt entgegensteht.

Staatenimmunität besteht nach dem als Bundesrecht i.S.v. Art. 25 GG geltenden allgemeinen Völkergewohnheitsrecht auch heute noch weitgehend uneingeschränkt für Akte, die hoheitliches Handeln darstellen, soweit der ausländische Staat auf sie nicht verzichtet. Anderes ist mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit von Staaten und dem daraus folgenden Rechtsprinzip, dass Staaten nicht übereinander stehen, nicht vereinbar. Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen hoheitlicher und nicht-hoheitlicher Staatstätigkeit ist die Natur der staatlichen Handlung oder des entstandenen Rechtsverhältnisses. Es kommt darauf an, ob der ausländische Staat in Ausübung der ihm zustehenden Hochzeitsgewalt und damit öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich tätig geworden ist.

Nach diesen Grundsätzen steht der Klage der Grundsatz der Staatenimmunität entgegen, soweit sie auf Schadensersatzansprüche wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung bzw. wegen rechtswidriger Enteignung oder enteignungsgleichen Eingriffs gestützt ist. Das maßgebliche mögliche haftungsbegründende Verhalten der Beklagten besteht im Erlass des Gesetzes 4050/2012 sowie dem Beschluss des Ministerrats, aufgrund derer die Mehrheitsentscheidung der Gläubiger über das Umtauschangebot allgemeinverbindlich wurde. Es handelt sich dabei um hoheitliche Maßnahmen. Der Grundsatz der Staatenimmunität will die Rechtmäßigkeitskontrolle dieser verhindern.

Soweit sich die Klage auf vertragliche Rückzahlungsansprüche aus den ursprünglich erworbenen Staatsanleihen bzw. auf vertragliche Ersatzansprüche wegen deren Nichterfüllung stützt, steht die Staatenimmunität ihr ebenfalls entgegen. Zwar stellt die Kapitalaufnahme durch Emission von Staatsanliehen ein nicht-hoheitliches Handeln dar. Für die Frage der Immunität kommt es nach den Grundsätzen aber nicht auf die Rechtsnatur des Grundverhältnisses an, sondern auf die Natur der staatlichen Handlung, also die Rechtsnatur der Maßnahme, über deren Berechtigung die Parteien streiten. Dies ist im vorliegenden Fall der Erlass des Gesetzes. Gerade dadurch ist der Grundsatz der Staatenimmunität unmittelbar berührt.

Linkhinweis:
Für den auf den Webseiten des BGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

BGH online
Zurück