Grundsatz für verlorengegangene Pakete ist nicht ohne Weiteres auf Container übertragbar
BGH 13.9.2012, I ZR 14/11Die Klägerin ist der Transportversicherer der Firma G. mit Sitz in Amsterdam und der in Nürnberg ansässigen G-GmbH. Die Versicherungsnehmerin hatte die Beklagte im Juni 2007 mit der Beförderung eines Containers von Istanbul/Türkei nach Nürnberg beauftragt. Der Container enthielt nach dem Vortrag der Klägerin Fernsehgeräte. Mit der Durchführung des Transports beauftragte die Beklagte wiederum zwei Subunternehmen. Von Istanbul bis Wien erfolgte der Transport auf der Schiene. Nach der Ankunft in Wien übernahm ein Fahrer der Streithelferinnen den Container zum Weitertransport nach Nürnberg zur Versicherungsnehmerin. Dort kam der Container nicht an, weil er auf einem Parkplatz in Wien von unbekannten Tätern entwendet wurde.
Die Klägerin hat behauptet, die in dem Container transportierten Fernsehgeräte hätten einen Wert von rund 145.778 € gehabt. Sie nahm die Beklagte aus übergegangenem und abgetretenem Recht wegen des Verlusts von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch. LG und OLG gaben der Klage statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch wegen des Verlusts von Transportgut einen gem. Art. 17 Abs. 1, Art. 29 Abs. 1 CMR i.V.m. § 435 HGB ist noch nicht begründet.
Zu Unrecht hatte das Berufungsgericht angenommen, dass die Klägerin sich im Streitfall auf die Grundsätze des Anscheinsbeweises stützen kann. Nach der neueren Rechtsprechung unterliegt die Würdigung der Umstände, die für Umfang und Wert einer verlorengegangenen Sendung sprechen, stets der freien richterlichen Beweiswürdigung gem. § 286 ZPO. Danach hat der Tatrichter sich die Überzeugung von der Richtigkeit des behaupteten Umfangs einer Sendung anhand der gesamten Umstände des Einzelfalls, insbesondere aufgrund von vorgelegten Lieferscheinen und dazu korrespondierenden Rechnungen, zu bilden.
Die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen (CMR-Frachtbrief, Handelsrechnung, Lieferschein und Fahrzeugcheckliste) rechtfertigten eine solche Annahme jedoch nicht ohne Weiteres. Das Berufungsgericht hatte lediglich geprüft, ob die vorgelegten Unterlagen im Streitfall die Anwendung eines Anscheinsbeweises zugunsten der Klägerin rechtfertigten. Es bejahte dies, weil an verschiedenen Stellen jeweils übereinstimmend die Containernummer, die Anzahl der im Container befindlichen Packstücke und der Verkaufspreis angegeben seien. Diesen Ausführungen konnte nicht mit der gebotenen Deutlichkeit entnommen werden, dass das Berufungsgericht im Rahmen von § 286 Abs. 1 ZPO geprüft hatte, ob die vorgelegten Dokumente geeignet sind, den Vortrag der Klägerin zum entstandenen Schaden zu belegen.
Außerdem hatte Berufungsgericht nicht beachtet, dass die zum Inhalt von verlorengegangenen Paketen aufgestellten Grundsätze auf die im Streitfall zu beurteilende Fallgestaltung nicht ohne Weiteres übertragbar sind. Bei einem Container handelt es sich nicht um ein vom kaufmännischen Absender zum Versand gebrachtes verschlossenes Behältnis (Karton), sondern um ein Transportmittel. Bei einem vom Versender selbst vorgeladenen und verplombten Transportcontainer, dessen Inhalt vom Frachtführer bei der Übernahme nicht überprüft werden kann, besteht dagegen die Möglichkeit, gerade diesen Container gezielt entwenden zu lassen. Der Anreiz für eine Fehlbeladung eines vom Versender selbst verschlossenen und verplombten Transportcontainers ist daher deutlich größer als bei einem Paket.
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