Grundsatz zum Reflexschaden gilt auch im Insolvenzfall
BGH 14.5.2013, II ZR 176/10Die frühere Klägerin zu 2) war eine GmbH und betrieb ein Malerunternehmen. Der Kläger zu 1) war einer ihrer Gesellschafter mit einem Geschäftsanteil von 53 %. Der Beklagte zu 1) hielt die übrigen 47 % und war zugleich Geschäftsführer. Ihm oblag u.a. die Kontaktpflege zu den Großkunden. Sein Sohn, der Beklagte zu 2), war ebenfalls in der Firma angestellt. Der Beklagte zu 2) kündigte und gründete im Dezember 2000 ein Konkurrenzunternehmen. Kurz darauf kündigte auch der Beklagte zu 1) sowie alle zwölf bei der Klägerin zu 2) beschäftigten Malergesellen. Sie nahmen ab Januar 2001 eine Beschäftigung bei der Beklagten zu 3) auf. Seine Beteiligung an der GmbH kündigte der Beklagte zu 1) zum 31.12.2001. Seit Dezember 2002 ist er nach längerer Arbeitsunfähigkeit bei der Beklagten zu 3) als technischer Betriebsleiter tätig.
Die Beklagte zu 3) wurde nach Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit mit Beginn des Jahres 2001 auch für Kunden tätig, die bis dahin Kunden der Klägerin zu 2) gewesen waren; insbesondere führte sie im Dezember 2000 begonnene Aufträge fort. Die Kläger begehrten daraufhin die Feststellung, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihnen den im Zusammenhang mit der Übernahme der laufenden Geschäftstätigkeit entstandenen Schaden zu ersetzen. Außerdem begehrten sie von der Beklagten zu 3) Auskunft, um ihren Schadensersatzanspruch beziffern zu können. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens einigte sich der Kläger zu 3) (Insolvenzverwalter) mit den Beklagten außergerichtlich zur Beilegung des Rechtsstreits auf eine Zahlung von 20.000 € an die Klägerin zu 2) und nahm deren Klage zurück.
LG und KG gaben der der Klage des Klägers zu 1) weitestgehend statt. Auf die Revision der Beklagten zu 1) und 3) hob der BGH die Entscheidungen auf und wies die Klage ab.
Gründe:
Dem Kläger zu 1) stand ein Anspruch auf Leistung von Schadensersatz an sich persönlich nicht zu.
Nach ständiger BGH-Rechtsprechung schließen der Grundsatz der Kapitalerhaltung, die Zweckwidmung des Gesellschaftsvermögens sowie das Gebot der Gleichbehandlung aller Gesellschafter einen Anspruch des Gesellschafters auf Leistung von Schadensersatz an sich persönlich wegen einer Minderung des Werts seiner Beteiligung, die aus einer Schädigung der Gesellschaft resultiert, im Regelfall aus. Vielmehr kann ein Ausgleich dieses mittelbaren Schadens nur dadurch erfolgen, dass der Gesellschafter die Leistung von Schadensersatz an die Gesellschaft verlangt. Der Grundsatz gilt auch dann, wenn die Gesellschaft durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst wird und nach Erfüllung der Verbindlichkeiten etwa noch vorhandenes Vermögen an die Gesellschafter zu verteilen ist.
Bei dem geltend gemachten Verlust der Gewinnausschüttungen ab 2001, die der Kläger nach seinem Vorbringen erhalten hätte, wenn der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin nicht zum Erliegen gekommen wäre, handelte es sich nicht um einen ausschließlich eigenen Schaden des Klägers. Es lag vielmehr lediglich ein sich typischerweise mittelbar beim Gesellschafter realisierender Reflexschaden vor. Eine Schädigung der Gesellschaft konnte nicht mit der Begründung verneint werden, bei der gebotenen hypothetischen Betrachtungsweise sei der Gesellschaft letztlich kein Schaden entstanden, weil eine Gewinnausschüttung nach den Vereinbarungen und dem Verhalten der Gesellschafter in der Vergangenheit mit Sicherheit zu erwarten gewesen sei und die Gesellschaft daher, wenn der Gewinn infolge der Einstellung des Geschäftsbetriebs gar nicht erst anfalle, nicht schlechter stehe, als wenn er anfiele und ausgeschüttet werden würde.
Wegen eines solchen nur mittelbaren Schadens kann der Gesellschafter den Schädiger, auch wenn es dabei wie hier um eine Schädigung durch Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht durch einen Mitgesellschafter geht, nur auf Leistung an die geschädigte Gesellschaft in Anspruch nehmen. Eine andere Beurteilung war im vorliegenden Fall auch nicht insoweit geboten, als wegen des zwischen dem Insolvenzverwalter und den Beklagten abgeschlossenen Vergleichs etwaige (weitergehende) Ansprüche der Gesellschaft nicht mehr bestanden und somit vom Kläger auch nicht mehr im Wege der actio pro socio geltend gemacht werden konnten. Soweit der Insolvenzverwalter beim Abschluss des Vergleichs pflichtwidrig gehandelt und sich deshalb schadensersatzpflichtig gemacht haben sollte, wäre der Kläger in seinem Vermögen gleichfalls nur mittelbar über die Schädigung der Gesellschaft betroffen.
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