26.07.2018

Haftet der Anschlussinhaber für Urheberrechtsverletzungen über ungesichertes WLAN?

Der Betreiber eines Internetzugangs über WLAN und eines Tor-Exit-Nodes haftet nach der seit dem 13.10.2017 geltenden Neufassung des § 8 Abs. 1 S. 2 TMG zwar nicht als Störer für von Dritten über seinen Internetanschluss im Wege des Filesharings begangene Urheberrechtsverletzungen auf Unterlassung. Es kommt jedoch ein Sperranspruch des Rechtsinhabers gem. § 7 Abs. 4 TMG n.F. in Betracht.

BGH 26.7.2018, I ZR 64/17
Der Sachverhalt:

Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Computerspiel "Dead Island". Der Beklagte unterhält einen Internetanschluss. Am 6.1.2013 wurde das Programm "Dead Island" über den Internetanschluss des Beklagten in einer Internet-Tauschbörse zum Herunterladen angeboten. Die Klägerin mahnte den Beklagten im März 2013 ab und forderte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Zuvor hatte die Klägerin den Beklagten zweimal wegen im Jahr 2011 über seinen Internetanschluss begangener, auf andere Werke bezogener Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing anwaltlich abgemahnt.

Der Beklagte machte geltend, selbst keine Rechtsverletzung begangen zu haben. Er betreibe unter seiner IP-Adresse fünf öffentlich zugängliche WLAN-Hotspots und drahtgebunden zwei eingehende Kanäle aus dem Tor-Netzwerk ("Tor-Exit-Nodes"). Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch.

Das LG gab der Klage statt. Das OLG wies die Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurück, dass dem Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln aufgegeben wird, Dritte daran zu hindern, das Computerspiel oder Teile davon der Öffentlichkeit mittels seines Internetanschlusses über eine Internettauschbörse zur Verfügung zu stellen. Auf die Revision des Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil hinsichtlich der Verurteilung zur Unterlassung auf und verwies die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück. Die gegen die Zuerkennung der Abmahnkostenforderung gerichtete Revision hatte keinen Erfolg.

Die Gründe:

Der Beklagte ist nach dem hierfür maßgeblichen, im Zeitpunkt der Abmahnung geltenden Recht zum Ersatz der Abmahnkosten verpflichtet, weil er als Störer für die Rechtsverletzung Dritter haftet.

Der Beklagte hat es pflichtwidrig unterlassen, sein WLAN durch den Einsatz eines aktuellen Verschlüsselungsstandards sowie eines individuellen Passworts gegen missbräuchliche Nutzung durch Dritte zu sichern. Für den Fall der privaten Bereitstellung durch den Beklagten bestand diese Pflicht ohne weiteres bereits ab Inbetriebnahme des Anschlusses. Sofern der Beklagte den Internetzugang über WLAN gewerblich bereitgestellt hat, war er zu diesen Sicherungsmaßnahmen verpflichtet, weil er zuvor bereits darauf hingewiesen worden war, dass über seinen Internetanschluss im Jahr 2011 Urheberrechtsverletzungen im Wege des Filesharings begangen worden waren. Der Annahme einer Störerhaftung steht es nicht entgegen, dass das benannte Werk nicht mit dem von der erneuten Rechtsverletzung betroffenen Werk identisch ist.

Die Haftungsvoraussetzungen liegen ebenfalls vor, wenn die Rechtsverletzung über den vom Beklagten betriebenen Tor-Exit-Node erfolgt ist. Der Beklagte hat es pflichtwidrig unterlassen, der ihm bekannten Gefahr von Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing mittels technischer Vorkehrungen entgegenzuwirken. Die Sperrung von Filesharing-Software ist technisch möglich und dem Beklagten zumutbar. Die Verurteilung zur Unterlassung war aufzuheben, weil nach der seit dem 13.10.2017 geltenden Neufassung des § 8 Abs. 1 S. 2 TMG der Vermittler eines Internetzugangs nicht wegen einer rechtswidrigen Handlung eines Nutzers auf Schadensersatz, Beseitigung oder Unterlassung einer Rechtsverletzung in Anspruch genommen werden kann. Ist eine Handlung im Zeitpunkt der Revisionsentscheidung nicht mehr rechtswidrig, kommt die Zuerkennung eines Unterlassungsanspruchs nicht in Betracht.

Gegen die Anwendung des § 8 Abs. 1 S. 2 TMG n.F. bestehen keine durchgreifenden unionsrechtlichen Bedenken. Zwar sind die Mitgliedstaaten gem. Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 11 S. 3 der Richtlinie 2004/48/EG verpflichtet, zugunsten der Rechtsinhaber die Möglichkeit gerichtlicher Anordnungen gegen Vermittler vorzusehen, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden. Der deutsche Gesetzgeber hat die Unterlassungshaftung des Zugangsvermittlers in § 8 Abs. 1 S. 2 TMG n.F. zwar ausgeschlossen, jedoch zugleich in § 7 Abs. 4 TMG n.F. einen auf Sperrung des Zugangs zu Informationen gerichteten Anspruch gegen den Betreiber eines Internetzugangs über WLAN vorgesehen.

Diese Vorschrift ist richtlinienkonform dahin fortzubilden, dass der Sperranspruch auch gegenüber den Anbietern drahtgebundener Internetzugänge geltend gemacht werden kann. Der Anspruch auf Sperrmaßnahmen ist nicht auf bestimmte Sperrmaßnahmen beschränkt und kann auch die Pflicht zur Registrierung von Nutzern, zur Verschlüsselung des Zugangs mit einem Passwort oder - im äußersten Fall - zur vollständigen Sperrung des Zugangs umfassen. Zur Prüfung der Frage, ob der Klägerin gegenüber dem Beklagten ein Anspruch auf Sperrung von Informationen gem. § 7 Abs. 4 TMG n.F. zusteht, war die Sache an das OLG zurückzuverweisen.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
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BGH PM Nr. 124 vom 26.7.2018
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