Handel mit Cannabisprodukten ist nur eingeschränkt zulässig
OLG Hamm 21.6.2016, 4 RVs 51/16Der heute 42-jährige Angeklagte hatte von 2011 bis 2012 in Steinheim einen sog. Head-Shop betrieben. In diesem bot er u.a. Industriehanf aus einem Anbau mit zertifiziertem Saatgut zum Verkauf an, zum Teil als Räucherhanf oder als Inhalt von sog. Duftkissen. An einen Kunden soll er 5 kg Hanf mit mindestens 10 g THC und damit einem Wirkstoffgehalt von über 0,2 % geliefert haben. Der Kunde veräußerte den Hanf dann weiter. Einem weiteren Kunden soll der Angeklagte nach einer Internetbestellung zwei Hanfduftkissen mit jeweils 30 g Hanf übersandt haben, die der Kunde zum Teil zu Rauschzwecken verwandte.
Das AG verurteilte den Angeklagten deswegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen, davon in einem Fall in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten auf Bewährung. Das LG sprach den Angeklagten im Berufungsverfahren aus tatsächlichen Gründen frei. Es sah die vom Angeklagten vertriebenen Cannabisprodukte als verkehrsfähig an und meinte, der Angeklagte habe in Bezug auf den Wirkstoffgehalt jedenfalls nicht schuldhaft gehandelt. Vor allem habe er den Wirkstoffgehalt der bezogenen Hanfprodukte nicht auf einen Wert von über 0,2 % THC überprüfen müssen.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hob das OLG das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des LG zurückverwiesen.
Die Gründe:
Die Feststellungen des LG rechtfertigten keinen Freispruch.
Bei den vom Angeklagten vertriebenen Cannabisprodukten handelte es sich grundsätzlich nicht um verkehrsfähige Betäubungsmittel. Das LG war zu Unrecht davon ausgegangen, dass das BtMG den infrage stehenden Vertrieb ausnahmsweise gestattet. Denn die einschlägige Ausnahmevorschrift in der Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG setzt nicht nur voraus, dass die Cannabisprodukte aus einem Anbau mit zertifiziertem Saatgut stammen und einen bestimmten THC-Gehalt nicht übersteigen. Voraussetzung ist nämlich außerdem, dass der Verkehr mit diesen Produkten ausschließlich gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken dient, die einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschließ.
Die Ausnahmeregelung dient gerade nicht dazu, die Bevölkerung mit THC-schwachen Cannabisprodukten zu persönlichen Konsumzwecken zu versorgen und soll nicht das generelle Cannabisverbot aufweichen. Ein zulässiger gewerblicher Zweck i.S.d. Ausnahmebestimmung liegt erst dann vor, wenn der Hanf zu einem unbedenklichen Produkt, wie z.B. Papier, Seide oder Textilien weiterverarbeitet werden soll. Deswegen muss auch bei der Weitergabe von Cannabisprodukten aus einem zertifizierten Anbau gewährleistet sein, dass die Abnehmer ausschließlich die Weiterverarbeitung zu unbedenklichen Produkten beabsichtigen. Einen derartigen Ausnahmefall hatte das LG allerdings nicht hinreichend geprüft.
Die vorgenannten Feststellungen waren im vorliegenden Fall auch nicht deswegen entbehrlich, weil sich der Angeklagte in einem seine strafrechtliche Verantwortlichkeit ausschließenden, unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden hatte. Schließlich oblagen ihm als Betreiber eines sog. Headshops gesteigerte Erkundigungs- und Prüfungspflichten. Dass er diesen nachgekommen war und dabei eine Auskunft erhalten hatte, nach der er auf die Rechtmäßigkeit seines Handelns vertrauen durfte, war nicht festgestellt worden.