25.07.2019

Heimliche Aufnahmen in psychiatrischer Klinik? Zu den Grenzen journalistischer Recherche

Fertigt eine als Praktikantin getarnte Journalistin in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik Ton- und Filmmaterial an, kann ein Unterlassungsanspruch auch dann begründet sein, wenn das Material nicht gesendet wird. Bereits die Weitergabe an Dritte kann das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzen und Straftatbestände erfüllen.

OLG Köln v. 18.7.2019 - 15 W 21/19
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Patient einer geschlossenen psychiatrischen Klinik. Die Beklagte ist Journalistin und bei der zudem beklagten Produktionsfirma angestellt. Im Rahmen des TV-Formats "Team Wallraff" ließ sich die beklagte Journalistin als Praktikantin in der Klinik anstellen. Während ihres Praktikums fertigte sie in umstrittenem Umfang heimliche Ton- und Filmaufnahmen u.a. auch vom Kläger an. In der Ausstrahlung der Reportage über die Zustände in psychiatrischen Kliniken in Deutschland wurden jedoch die Film- und Tonaufnahmen des Klägers nicht ausgestrahlt.

Ursprünglich stritten die Parteien über den Antrag des Klägers, dass die ihn betreffenden Aufnahmen nicht verarbeitet oder verbreitet werden dürfen. Während des Verfahrens legten die Beklagten eidesstattliche Versicherungen vor, wonach das Material gelöscht worden war. Daraufhin erklärten beide Parteien den Rechtsstreit für erledigt, so dass lediglich noch über die Kosten zu entscheiden war.

Das OLG entschied, dass die Beklagten die Kosten zu tragen haben.

Die Gründe:
Ohne Löschung des Materials hätten die Beklagten den Rechtsstreit voraussichtlich verloren, auch wenn gar keine Veröffentlichung des Materials beabsichtigt gewesen wäre. Bereits durch die Anfertigung der Aufnahmen bzw. insbesondere durch die Weitergabe des Materials an die Produktionsfirma hat die Journalistin die Straftatbestände der §§ 201 Abs. 1 Nr. 2, 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB sowie 203 Abs. 4 Satz 1 StGB verwirklicht.

Durch die Aufnahmen wurde der höchstpersönliche Lebensbereich des Klägers verletzt. Auch eine zum Schein in die Klinik eingeschleuste Praktikantin ist eine sog. mitwirkende Person i.S.d. §201 Abs. 4 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 StGB. Die Produktionsfirma kann zwar selbst keine Straftatbestände verwirklichen, sie haftet zivilrechtlich jedoch über § 31 BGB.

Investigative Recherchen von Journalisten können zwar grundsätzlich gerechtfertigt sein. Dazu ist jedoch erforderlich, dass bei gebotener Abwägung der widerstreitenden Interessen unter Beachtung der Schutzwürdigkeit der Dritten "erhebliche Missstände" sonst nicht aufzudecken wären und die berechtigten Interessen Dritter daher jedenfalls im Stadium der Recherche zurücktreten müssen. Im vorliegenden Fall wurde dazu von den Beklagten jedenfalls nicht genügend vorgetragen.

Es ergibt sich auch kein Unterlassungsanspruch aus der DSGVO. Art. 9 DSGVO findet bei einer Verarbeitung zu journalistischen Zwecken durch von privaten Rundfunkveranstaltern und deren Hilfs- und Beteiligungsunternehmen damit befassten Personen gem. § 9c Abs. 1 Satz 4 bis 6 RStV keine Anwendung (Medienprivileg).
OLG Köln PM vom 24.7.2019
Zurück