17.08.2015

Heizöl-Bestellung per Fernabsatz kann von Verbrauchern widerrufen werden

Bei Fernabsatzverträgen über die Lieferung von Heizöl ist das Widerrufsrecht des Verbrauchers nicht nach § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB a.F. ausgeschlossen, da für diese Ausnahmevorschrift maßgeblich ist, dass der spekulative Charakter den Kern des Geschäfts ausmacht. Einen solchen spekulativen Kern weist der Ankauf von Heizöl durch den Verbraucher jedoch nicht auf.

BGH 17.6.2015, VIII ZR 249/14
Der Sachverhalt:
Die Klägerin betreibt einen Brennstoffhandel. Sie bietet u.a. Heizöl über eine Internetplattform an. Im Februar 2013 hatte die Beklagte, die Verbraucherin ist, darüber 1.200 Liter Heizöl für rund 1.063 € bei der Klägerin bestellt. Diese bestätigte die Bestellung umgehend. Die von der Klägerin zu dieser Zeit verwendeten AGB, die Vertragsbestandteil geworden waren, sahen u.a. vor:

"§ 2 Vertragsschluss/Widerruf
[...] Unter Bezugnahme auf § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB [...] besteht bei Heizöl-/Dieselbestellungen kein allgemeines 14-tägiges Widerrufsrecht für private Verbraucher. Der vereinbarte Literpreis gilt bis zur Lieferung des Heizöls/Diesels. Egal, wie sich der Ölpreis in der Zwischenzeit entwickelt. [...]

§ 6 Nachträgliche Stornierung rechtsgültiger Lieferverträge beim Partnerhändler
Sofern der Käufer bei seitens eines Partnerhändlers bereits bestätigten Aufträgen den Vertrag storniert, hat der jeweilige Partnerhändler Anspruch auf angemessene Entschädigung. Diese beläuft sich pro storniertem Auftrag auf 15 % vom Warenwert, mindestens jedoch 95,00 € [...] zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer."

Da die Beklagte die Belieferung ablehnte, verlangte die Klägerin im März 2013 Schadensersatz i.H.v. 113,05 € (95 € nebst Umsatzsteuer). Mit Anwaltsschreiben vom 4.4.2013 erklärte die Beklagte den Widerruf ihrer auf Abschluss des Kaufvertrages gerichteten Erklärung.

AG und LG gaben der Klage statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH die Vorentscheidungen auf und wies die Klage ab.

Gründe:
Der Klägerin stand der geltende gemachte (pauschalierte) Schadensersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1 BGB, § 6 der AGB nicht zu, weil die Beklagte ihre auf den Abschluss eines Fernabsatzvertrages über die Lieferung von Heizöl gerichtete Vertragserklärung aus Februar 2013 mit Anwaltsschreiben vom 4.4.2013 wirksam widerrufen hatte. Der Widerruf erfolgte auch nicht verfristet, denn mangels Widerrufsbelehrung war der Lauf der Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt worden.

Das Widerrufsrecht folgte gem. Art. 229 § 32 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 EGBGB aus § 312d Abs. 1 S. 1, § 355 Abs. 1 S. 1 BGB in der Fassung vor Inkrafttreten des seit dem 13.6.2014 geltenden Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung vom 20.9.2013, BGBl (nachfolgend: a.F.). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes war aus § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB a.F. nicht herzuleiten, dass dem Verbraucher bei Fernabsatzverträgen über die Lieferung von Heizöl kein Widerrufsrecht zusteht. Die vorgenannte Bestimmung wurde durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen vom 2.12.2004 mit Wirkung vom 8.12.2004 eingeführt.

Nach § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB a.F. besteht das Widerrufsrecht, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, nicht bei Fernabsatzverträgen, die die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Finanzdienstleistungen zum Gegenstand haben, deren Preis auf dem Finanzmarkt Schwankungen unterliegt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können, insbesondere Dienstleistungen im Zusammenhang mit Aktien, Anteils-scheinen, die von einer Kapitalanlagegesellschaft oder einer ausländischen Investmentgesellschaft ausgegeben werden, und anderen handelbaren Wertpapieren, Devisen, Derivaten oder Geldmarktinstrumenten. In Rechtsprechung und Schrifttum wird nicht einheitlich beurteilt, ob sich der Ausschluss des Widerrufsrechts gem. § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB a.F. auch auf Fernabsatzverträge über die Lieferung von Heizöl erstreckt. Der Senat entscheidet die Streitfrage dahin, dass sich der Ausschluss des Widerrufsrechts nicht auf Fernabsatzverträge über die Lieferung von Heizöl erstreckt.

Dies folgt allerdings nicht schon aus dem Gesetzeswortlaut. Denn soweit der Wortlaut der Vorschrift auf Waren Bezug nimmt, deren Preis von Schwankungen auf dem Finanzmarkt abhängt, soll nach den Gesetzesmaterialien insbesondere der Handel mit Edelmetallen erfasst sein. Der Begriff des "Finanzmarktes" umfasst daher Edelmetallbörsen, aber auch Waren- und Rohstoffbörsen, so dass als ein an Börsen gehandelter Rohstoff u.a. Erdöl in Betracht zu ziehen ist. Das Berufungsgericht war dabei im Einklang mit der BGH-Rechtsprechung davon ausgegangen, dass der Begriff des "Preises" in § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB a.F. weit zu verstehen ist. Denn gemeint ist nicht nur ein unmittelbar auf dem Finanzmarkt gebildeter Börsenpreis, sondern auch ein den Marktpreis mittelbar beeinflussender Basiswert.

Ein solcher, allein auf den Wortlaut des § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB a.F. gestützter Ausschluss des Widerrufsrechts beim Fernabsatz von Heizöl ließe jedoch außer Acht, dass es sich mit Rücksicht auf die Gesetzesmaterialien und namentlich auf den daraus hervorgehenden Sinn und Zweck der Bestimmung um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift handelt. Danach kann dem Verbraucher das Widerrufsrecht beim Fernabsatz von Heizöl nicht generell verwehrt werden. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob auf den Rohölpreis als Basiswert abzustellen ist oder ob Heizöl unmittelbar an einer Waren- oder Rohstoffbörse gehandelt wird. Es ist auch nicht entscheidend, ob der Unternehmer das Heizöl unmittelbar an einer Börse erworben hat oder von einem Vorlieferanten. Maßgebend ist, dass Geschäfte über den Ankauf von Heizöl durch den Verbraucher keinen spekulativen Kern aufweisen.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BGH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BGH online
Zurück