12.04.2023

Herkunftstäuschung durch nachgeahmte Produktverpackung

Verpackte Produkte - wie Butter und Mischstreichfette - können Gegenstand des lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes sein. Einem verpackten Produkt kann wettbewerbliche Eigenart zukommen, wenn die äußere Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale der Verpackung des Produkts geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf die betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten der darin verpackten Ware hinzuweisen. Eine Herkunftstäuschung durch eine nachgeahmte Produktverpackung ist bei unterschiedlichen Produkt- oder Herstellerbezeichnungen nicht stets ausgeschlossen, wenn nicht alle wesentlichen Gestaltungsmerkmale des Originals identisch übernommen werden.

BGH v. 26.1.2023 - I ZR 15/22
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist nach ihrer Behauptung die deutsche Vertriebsgesellschaft der in Irland ansässigen O. C. Ltd., die Butter, Mischstreichfette und andere Milcherzeugnisse weltweit unter der Marke "Kerrygold" in den Verkehr bringt. Die Klägerin vertreibt unter der Marke Kerrygold seit 1973 in Deutschland Marken-Butter. Das angebotene Sortiment ist über die Jahre erweitert worden, u.a. auf das Segment der Mischstreichfette, die aus Butter und Rapsöl bestehen. Die von der Klägerin auf dem deutschen Markt vertriebene Butter wird in Verpackungen mit goldenem Grundton für ungesalzene Butter und mit silbernem Grundton für gesalzene Butter vertrieben. In der Mitte der Verpackung ist in weißer Farbe die Marke "Kerrygold" auf einem grünen Feld aufgebracht. Über der Marke ist eine grasende Kuh dargestellt, über der in einem Bogen der Schriftzug "Aus irischer Weidemilch" aufgedruckt ist. Unterhalb der Marke befindet sich links und in der Mitte der Text "original irische Butter" und rechts ein goldenes Siegel. Die Verpackungen der von der Klägerin angebotenen Mischstreichfette sind in Anlehnung an die Butterverpackung ähnlich gestaltet.

Die Beklagte ist ein in Irland ansässiges Unternehmen. Sie führte im Jahr 2019 Butter- und Mischstreichfettprodukte in den deutschen Markt ein, deren Verpackungen in der ungesalzenen Variante in goldenem Grundton, in der gesalzenen Variante in silbernem Grundton gehalten sind. Im Zentrum der Verpackungen ist die Marke "Dairygold" aufgebracht, darunter heißt es: "From County Kerry". Wiederum darunter sind grasende Kühe abgebildet. Im unteren Teil der Verpackungen befindet sich der Text "original irische Butter" bzw. "aus original irischer Butter & Rapsöl". Jeweils rechts ist ein goldenes rundes Siegel zu sehen.

Die Klägerin ist der Ansicht, es handele sich bei den Produkten der Beklagten um unlautere Nachahmungen. Sie erwirkte nach Abmahnung eine Unterlassungsverfügung gegen die Beklagte. Das LG bestätigte die einstweilige Verfügung. Das OLg wies die Berufung der Beklagten zurück. Die Klägerin nimmt im vorliegenden Hauptsacheverfahren - soweit noch von Bedeutung - die Beklagte auf Unterlassung, Feststellung der Schadensersatzpflicht und auf Auskunftserteilung in Anspruch. Die Beklagte erhob Widerklage und begehrt die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Klägerin wegen der ihrer Ansicht nach unberechtigten Abmahnung und der Vollziehung der einstweiligen Verfügung.

LG und OLG gaben der Klage statt und wiesen die Widerklage ab. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Mit der vom OLG gegebenen Begründung kann der Klage nicht stattgegeben und die Widerklage nicht abgewiesen werden. Das angefochtene Urteil kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil das OLG verfahrensfehlerhaft das Bestreiten der Anspruchsberechtigung der Klägerin durch die Beklagte unberücksichtigt gelassen hat. Danach war der angegriffene Beschluss aufzuheben und die Sache an das OLG zurückzuverweisen. Sollte die Klägerin ihre Anspruchsberechtigung hinreichend darlegen und erforderlichenfalls beweisen, wird das OLG die Begründetheit der Klage- und Widerklageanträge erneut zu prüfen haben. Nach den bislang vom OLG getroffenen Feststellungen kann die Klage nicht als begründet und die Widerklage nicht als unbegründet angesehen werden.

Das OLG ist zutreffend davon ausgegangen, dass verpackte Produkte - wie Butter und Mischstreichfette - Gegenstand des lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes sein können. Einem verpackten Produkt kann wettbewerbliche Eigenart zukommen, wenn die konkrete Gestaltung oder bestimmte Merkmale der Verpackung des Produkts geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf die betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten der darin verpackten Ware hinzuweisen. Insoweit verhält es sich ähnlich wie bei einem Werbespruch, dem dank seiner Eignung, auf einen bestimmten Anbieter des beworbenen Produkts hinzuweisen, wettbewerbliche Eigenart zukommen kann. Das OLG hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die von der Klägerin vertriebenen verpackten Produkte wettbewerbliche Eigenart haben.

Das OLG ist bei seiner Beurteilung von zutreffenden rechtlichen Anforderungen an die Annahme einer Herkunftstäuschung im weiteren Sinne ausgegangen. Ob die deutliche Hervorhebung des Herstellernamens ausreicht, um die Gefahr einer Herkunftsverwechslung in ausreichendem Maße einzudämmen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine vermeidbare Herkunftstäuschung könnte dann zu bejahen sein, wenn der Verkehr sich nicht auch an der Herstellerangabe, sondern allein an der äußeren Gestaltung orientieren und diese allein deswegen einem bestimmten Hersteller zuordnen würde. Davon kann bei Produkten des täglichen Bedarfs, die sich in ihrer äußeren Erscheinungsform und insbesondere in der Gestaltung ihrer Verpackung meist nicht wesentlich unterscheiden, sondern regelmäßig sehr stark ähneln, trotzdem aber von unterschiedlichen Herstellern stammen, nicht ausgegangen werden. Es erscheint - vor allem in einem Fall, in dem nicht einmal eine identische Übernahme vorliegt - eher fernliegend, dass der Verkehr bei solchen Produkten sowohl die Produktbezeichnung als auch die Herstellerangabe völlig vernachlässigt und sich ausschließlich an einem Gestaltungsmerkmal orientiert (BGH Urt. v. 19.10.2000 - I ZR 225/98 - Viennetta).

Aus diesen Erwägungen der Senatsentscheidung "Viennetta" kann entgegen der Ansicht der Revision nicht abgeleitet werden, dass eine Herkunftstäuschung durch eine nachgeahmte Produktverpackung bei unterschiedlichen Produkt- oder Herstellerbezeichnungen stets ausgeschlossen ist, solange keine identische Übernahme aller wesentlichen Gestaltungsmerkmale vorliegt. Soweit der Leitsatz der Senatsentscheidung "Viennetta" in diese Richtung zu verstehen sein sollte, hält der Senat hieran nicht fest. Bei der Prüfung der Frage, ob eine Herkunftstäuschung vorliegt, müssen vielmehr alle Umstände des Einzelfalls in den Blick genommen werden, insbesondere ist zu berücksichtigen, welche Produkt- und Herkunftsbezeichnungen auf der Nachahmung verwendet werden und in welcher Weise dies geschieht. Das OLG ist in rechtsfehlerfreier tatgerichtlicher Würdigung davon ausgegangen, dass der Streitfall nicht mit dem Sachverhalt vergleichbar ist, der der Senatsentscheidung "Viennetta" zugrunde lag. Der dort in Rede stehende Sachverhalt war dadurch geprägt, dass auf dem als Nachahmung beanstandeten Produkt sowohl eine deutlich unterschiedliche Produktbezeichnung als auch ein ebenso deutlich abweichender Herstellername angebracht war, so dass eine Herkunftstäuschung nicht in Betracht kam.

Davon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden. Vorliegend hat die Beklagte die Produktbezeichnung "Dairygold" und die Herkunftsbezeichnung ("From County Kerry") prominent an derjenigen Stelle auf der Produktverpackung verwendet, an der die Klägerin die von ihr vertriebenen Produkte mit der Bezeichnung "Kerrygold" kennzeichnet. Sie hat dabei die beiden Wortbestandteile "Kerry" und "Gold" der Produktbezeichnung "Kerrygold" der Klägerin verwendet und zusätzlich die Produktverpackungen der Klägerin nachgeahmt. Bei einer solchen Sachlage ist die Beurteilung des OLG nicht zu beanstanden, die abweichende Herstellerangabe stehe der Annahme einer Herkunftstäuschung nicht von vornherein entgegen. Die vom OLG getroffenen Feststellungen tragen auch die Annahme, dass die Bezeichnungen "Kerrygold" und "DAIRYGOLD" vom angesprochenen Verkehr (auch) als Herstellerangaben und nicht allein als Produktbezeichnungen angesehen werden. Die vom OLG festgestellten Umstände reichen jedoch nicht aus, um von einer mittelbaren Herkunftstäuschung auszugehen.

Mehr zum Thema:

Aufsatz:
Das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht
Martin Boden / Jan-Tilman Uhe / Alicja Wilczek, IPRB 2022, 102

Rechtsprechung:
Kein ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz wegen Übernahme wettbewerblicher Eigenschaften von Produkten des täglichen Bedarfs bei unterschiedlicher Produktbezeichnung ("Vienetta")
BGH vom 19.10.2000 - I ZR 225/98
Gustav-Adolf Ulrich, EWiR 2001, 333

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