10.04.2019

Hinreichende Bestimmtheit der Rückforderbarkeit von Ausschüttungen

Der Umstand, dass der Erläuterungsteil eines Verkaufsprospektes - systemwidrig im Kapitel über die Haftung der Anleger - nicht alle Fallgestaltungen erwähnt, in denen nach dem ebenfalls im Verkaufsprospekt abgedruckten Gesellschaftsvertrag eine Verpflichtung der Anleger zur Rückzahlung von vorab getätigten Auszahlungen (Entnahmen) an die Fondsgesellschaft besteht, stellt keinen Prospektfehler dar. Die Formulierung "falls durch unvorhergesehene Umstände ein Liquiditätsbedarf der Gesellschaft entstehen sollte" umschreibt eine solche Fallgestaltung hinreichend bestimmt.

KG Berlin v. 18.3.2019 - 23 U 49/17
Der Sachverhalt:
Der Kläger war im Mai 2012 mit einem Betrag von 10.000 € als Direktkommanditist der P-KG bei beigetreten. Deren Komplementärin und Gründungsgesellschafterin ist die ehemals u.a. von G. vertretene Beklagte. Die Fondsgesellschaft sollte sich als Limited Partner, vergleichbar einem Kommanditisten, an einer kanadischen Limited Partnership, vergleichbar einer deutschen Kommanditgesellschaft, beteiligen. General Partner dieser Objektgesellschaft, vergleichbar einem Komplementär, sollte eine 100%ige Tochter der C. sein.

G. wurde im Verlauf des Jahres 2012 in das Register der C. mit Beteiligungen von insgesamt 17,6% eingetragen. Jedenfalls zum 10.1.2012 waren Anteile entsprechend einer Beteiligung von mindestens (gerundet) 13,7% eingetragen. Hinsichtlich der Rückforderbarkeit von Ausschüttungen ("Vorabauszahlungen") fanden sich im Prospekt der P-KG u.a. folgende Angaben:

"Sofern die vorab getätigten Auszahlungen (Entnahmen) nicht durch die Gesellschafterversammlung nach vorstehender Ziffer 5 genehmigt werden oder falls durch unvorhergesehene Umstände ein Liquiditätsbedarf der Gesellschaft entstehen sollte, sind die Anleger unverzüglich nach Aufforderung durch die Geschäftsführung zur Rückzahlung verpflichtet."

Der Kläger war der Ansicht, die vorstehenden Angaben zur Rückforderbarkeit von Ausschüttungen seien widersprüchlich und unzureichend, die Haftungsrisiken der Anleger mithin nicht erkennbar. Außerdem lägen weitere Prospektfehler - unzureichende Darstellung der unternehmerischen Beteiligung, insbesondere des Blind-Pool-Risikos, fehlerhafte Darstellung der Gesamthöhe der Provisionen und des Investitionsvolumens, nicht plausibles Geschäftskonzept: Prognosefehler und Transportengpässe mangels ausreichendem Ausbau der kanadischen Pipelines, Fremdfinanzierung - vor. Die Beklagte erhob die Einrede der Verjährung.

Das LG gab der Klage statt. Die Aufklärung über die Rückforderbarkeit von Ausschüttungen sei unzureichend gewesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das KG das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Allerdings wurde die Revision zum BGH zugelassen.

Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des LG begründet die Darstellung der Rückforderbarkeit von Vorabausschüttungen keinen Prospektfehler. Auch im Übrigen liegen keine Prospektfehler vor.

Nicht jede mögliche Unsicherheit über die Auslegung einer vertraglichen Regelung führt zu einem Prospektfehler. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Anleger die mit einer Regelung verbundenen Risiken erkennen kann. Der Umstand, dass der Erläuterungsteil eines Verkaufsprospektes - systemwidrig im Kapitel über die Haftung der Anleger - nicht alle Fallgestaltungen erwähnt, in denen nach dem ebenfalls im Verkaufsprospekt abgedruckten Gesellschaftsvertrag eine Verpflichtung der Anleger zur Rückzahlung von vorab getätigten Auszahlungen (Entnahmen) an die Fondsgesellschaft besteht, stellt keinen Prospektfehler dar. Die Formulierung "falls durch unvorhergesehene Umstände ein Liquiditätsbedarf der Gesellschaft entstehen sollte" umschreibt eine solche Fallgestaltung dabei hinreichend bestimmt.

Der Senat ist insoweit nicht an die abweichende Auslegung der Beklagten gebunden, da der Gesellschaftsvertrag objektiv auszulegen ist. Darüber hinaus drohten dem Anleger aus einer Praxis entsprechend dem Verständnis der Beklagten keine Nachteile, da die Rückzahlungsvoraussetzungen enger gefasst wären. Anders als etwa in dem der BGH-Entscheidung vom 23.10.2012 (II ZR 294/11) zugrunde liegenden Sachverhalt kann der Anleger aufgrund des Wortlautes das Risiko erkennen, die Vorabausschüttungen möglicherweise auch im Falle ihrer Genehmigung zurückzahlen zu müssen.

Ebenso kann der Anleger erkennen, dass ohne Genehmigung die Geschäftsführung die Vorabausschüttung möglicherweise ohne weiteres zurückverlangen kann. Der Wortlaut legt ein solches Verständnis nahe. Wenn demgegenüber mit den Beklagten engere Rückzahlungsvoraussetzungen vertreten werden, so bedarf es keines gesonderten Hinweises auf diese Möglichkeit, da hierin kein Risiko, sondern eine Begünstigung des Anlegers läge.

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