02.03.2020

Holzlieferverträge verstoßen gegen europäisches Beihilferecht

Die nach dem Orkan Kyrill im Jahr 2007 geschlossene Holzlieferverträge zwischen dem Land NRW und einem der größten Sägeindustrieunternehmen Europas verstoßen gegen europäisches Beihilferecht. Die Verträge sind deshalb nichtig. Das Unternehmen hat keine Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz, Lieferung von Holz, Aufstellung von Lieferplänen und Erteilung von Auskünften.

OLG Hamm v. 27.2.2020 - 2 U 131/18
Der Sachverhalt:
Die Klägerin betrieb ein Sägewerk in Niedersachsen. Sie gehört zur L-Gruppe, einem der größten Sägeindustrieunternehmen Europas. Das beklagte Land veräußert als Waldeigentümer regelmäßig Holz aus dem Staatswald an Sägewerke, wobei es einen bedeutenden Marktanteil in NRW hat. Darüber hinaus vermittelt es Holzverkäufe zwischen den Eigentümern des Privat- und Kommunalwaldes und potentiellen Käufern.

Im Januar 2007 hatte der Orkan "Kyrill" zu großen Waldschäden in NRW geführt. Dadurch kam es schlagartig zu einem großen Zusatzangebot an Holz auf dem Markt. Die Landesregierung beschloss, das Sturmholz möglichst schnell zu vermarkten. In den Jahren 2007 und 2008 belieferte das beklagte Land die Klägerin mit Holz. Die vorgesehenen Abnahmemengen wurden dabei aber nicht erreicht. Spätestens Anfang des Jahres 2009 geriet die Klägerin in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Das beklagte Land lehnte es ab, weiteres Holz zu liefern oder Lieferpläne zu erstellen.

Zwischen den Parteien kam es zu einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Verträge. Das LG hat rechtskräftig festgestellt, dass die Vereinbarung sowie der Rahmenkaufvertrag aus 2007 fortbestünden. Rücktritt und Kündigung durch das beklagte Land seien unwirksam. Der Vertrag sei auch nicht aus sonstigen Gründen unwirksam, nichtig oder vorzeitig beendet (LG Münster, Urteil vom 17.2.2012, 11 O 37/11). Ein Verstoß gegen europäisches Beihilferecht war nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits.

Am 19.7.2013 verfasste die Bundesregierung eine Mitteilung an die EU-Kommission. Die hier streitgegenständlichen Verträge wurden dort als mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfe i.S.v. Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV bezeichnet. Die Bundesregierung bat in der Mitteilung um eine Stellungnahme der Kommission und wies darauf hin, dass die Kommission mit einer Entscheidung Rechtssicherheit schaffen könnte.

Die Klägerin behauptete, ihr und den mit ihr verbundenen Unternehmen seien erhebliche finanzielle Schäden dadurch entstanden, dass das beklagte Land während der Laufzeit des Vertrages weitere Lieferungen verweigerte. Das LG wies die Klage auf von 54 Mio. € Schadensersatz, die Nachlieferung von jetzt 2,5 Mio. Festmetern Fichtenstammholz sowie Auskunft zu finanziellen Konditionen aus Vertragsverhältnissen zu Dritten ab. Die Holzlieferverträge seien insgesamt unwirksam, weil sie gegen das europäische Beihilferecht verstießen. Ein privater Investor wäre die getroffenen vertraglichen Bindungen nicht eingegangen. Die Holzlieferverträge würden zahlreiche Verpflichtungen für das beklagte Land begründen, ohne dass es insbesondere die Abnahme einer bestimmten Menge Holz fordern könne. Damit werde ein Vorteil gewährt, durch den eine Verfälschung des Wettbewerbs zumindest drohe.

Das OLG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Ansprüche ergeben sich weder aus den Verträgen der Jahre 2007 noch aus § 280 BGB bzw. aus §§ 280, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Die Verträge sind aufgrund von § 134 BGB i.V.m. Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV nichtig. Die Rechtskraft des Urteils vom 17.2.2012 steht nicht entgegen.

Ebenso wie bereits das LG hat der Senat die streitgegenständlichen Holzlieferverträge als insgesamt unwirksam angesehen, weil sie gegen das europäische Beihilferecht verstoßen. Einzelheiten der Begründung der Senatsentscheidung ergeben sich aus dem noch abzusetzenden Urteil, das nach der Zustellung an die Parteien auch zur Veröffentlichung vorgesehen ist. Die zur Entscheidung anstehenden Sach- und Rechtsfragen hat der Senat in der heutigen mündlichen Verhandlung mit den anwesenden Parteivertretern ausführlich erörtert.
OLG Hamm PM vom 27.2.2020
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