Individualisierung des Güteantrags bei fremdfinanzierter Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds
BGH 20.8.2015, III ZR 373/14Der Kläger hatte im Mai 1994 eine Beteiligung an dem geschlossenen Immobilienfonds M. mit einem Nominalbetrag von 50.000 DM zzgl. 5 % Agio und im Januar 1996 eine weitere Beteiligung an dem geschlossenen Immobilienfonds K. mit einem Nominalbetrag von 30.000 DM zzgl. 5 % Agio gezeichnet. Die Kapitalanlagen finanzierte er jeweils mit einem Darlehen seiner Bank. In beiden Fällen erfolgte die Zeichnung nach Gesprächen mit W., der zur damaligen Zeit für die Beklagte tätig war. Insgesamt hat der Kläger Ausschüttungen für den M-Fonds i.H.v. 10.793,37 € und für den K-Fonds i.H.v. 6.667 € erhalten. Daneben erzielte er Steuervorteile in einer Größenordnung von mindestens 10.000 DM.
In der Folgezeit machte der Kläger geltend, es sei ein Anlageberatungsvertrag mit der Beklagten zustande gekommen, und er sei von W. nicht anleger- und objektgerecht beraten worden. Die Beklagte ist dem Vorwurf der Falschberatung entgegengetreten und berief sich auf die Einrede der Verjährung. Mit Anwaltsschriftsätzen aus Dezember 2010, die bei der staatlich anerkannten Gütestelle des Rechtsanwalts G. eingingen, beantragte der Kläger die Einleitung eines Güteverfahrens hinsichtlich der streitgegenständlichen Fonds. Der Antrag zum K-Fonds unterschied sich lediglich hinsichtlich der Angaben zum Gegenstandswert, zur Beteiligungssumme und zum Zeichnungsdatum. Der Gang der Beratungsgespräche, die behaupteten Pflichtverletzungen und die geltend gemachten Rechtsfolgen stimmen wörtlich mit dem Antrag zum M-Fonds überein.
Nachdem die Beklagte eine Teilnahme an dem Schlichtungsverfahren abgelehnt hatte, stellte die Gütestelle mit Schreiben vom 22.3.2011 das Scheitern des Verfahrens fest. Mit Eingang am 19.9.2012 reichte der Kläger beim LG Klage ein, mit der er Freistellung von sämtlichen Verpflichtungen aus den zur Finanzierung der Fondsbeteiligungen abgeschlossenen Darlehensverträgen sowie Schadensersatz i.H.v. 30.414 € verlangte. Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr teilweise statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung zurück.
Gründe:
Entgegen der Auffassung des OLG waren die Ansprüche des Klägers wegen Ablaufs der kenntnisunabhängigen Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB insgesamt verjährt (§ 214 Abs. 1 BGB), da die Güteanträge des Klägers mangels ausreichender Individualisierung des Streitgegenstands keine Hemmung der Verjährungsfrist nach § 204 Abs. 1 Nr. 4, § 209 BGB herbeigeführt hatten.
Gem. Art. 9 S. 2 des Bayerischen Schlichtungsgesetzes und § 2 S. 2 der Verfahrensordnung des Rechtsanwalts G. hatte der Güteantrag "eine kurze Darstellung der Streitsache und den Gegenstand des Begehrens" zu enthalten. Er muss darüber hinaus für den Schuldner erkennen lassen, welcher Anspruch gegen ihn geltend gemacht werden soll, damit er prüfen kann, ob eine Verteidigung erfolgversprechend ist und ob er in das Güteverfahren eintreten möchte. Dementsprechend muss der Güteantrag einen bestimmten Rechtsdurchsetzungswillen des Gläubigers unmissverständlich kundgeben und hierzu die Streitsache darstellen sowie das konkrete Begehren erkennen lassen. Der verfolgte Anspruch ist hinreichend genau zu bezeichnen. Auch wenn insoweit keine allzu strengen Anforderungen zu stellen sind, da das Güteverfahren in erster Linie auf eine außergerichtliche gütliche Beilegung des Rechtsstreits abzielt und keine strikte Antragsbindung wie im Mahn- oder Klageverfahren besteht, kommt hinzu, dass die Gütestelle durch den Antrag in die Lage versetzt werden muss, als neutraler Schlichter und Vermittler im Wege eines Schlichtungsversuchs einen Vergleichsvorschlag zu unterbreiten. Dies setzt voraus, dass sie ausreichend über den Gegenstand des Verfahrens informiert wird.
Infolgedessen hat der Güteantrag in Anlageberatungsfällen regelmäßig die konkrete Kapitalanlage zu bezeichnen, die Zeichnungssumme sowie den (ungefähren) Beratungszeitraum anzugeben und den Hergang der Beratung mindestens im Groben zu umreißen; ferner ist das angestrebte Verfahrensziel zumindest so weit zu umschreiben, dass dem Gegner (und der Gütestelle) ein Rückschluss auf Art und Umfang der verfolgten Forderung möglich ist. Eine genaue Bezifferung der Forderung muss der Güteantrag seiner Funktion gemäß demgegenüber grundsätzlich nicht enthalten (BGH-Urt. v. 18.6.2015, Az.: III ZR 198/14). Ohne die nötige Individualisierung des geltend gemachten prozessualen Anspruchs tritt eine Hemmung der Verjährung nicht ein; sie kann nach Ablauf der Verjährungsfrist auch nicht mehr verjährungshemmend nachgeholt werden.
Im vorliegenden Fall fehlten, obwohl den Beteiligungen jeweils mehrere Beratungsgespräche vorausgegangen waren, Angaben zum (ungefähren) Beratungszeitraum. Auch erschien es fraglich, ob die eher allgemein gehaltene Schilderung der Beratungssituation geeignet war, den konkreten Beratungshergang mindestens im Groben zu umreißen. Diese Fragen konnten aber letztlich dahinstehen. Jedenfalls fehlte es, worauf das LG zutreffend abgestellt hatte, an der ausreichenden Beschreibung des angestrebten Verfahrensziels.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BGH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.