30.07.2012

Insolvenz eines Gesellschafters führt regelmäßig zur Fortsetzung der GbR unter den verbleibenden Gesellschaftern

Die Insolvenz eines Gesellschafters in einer GbR führt regelmäßig zum Ausscheiden des Gesellschafters und zur Fortsetzung der Gesellschaft unter den verbleibenden Gesellschaftern. Es bedarf der Feststellung besonderer Umstände, die es rechtfertigen, dass ein Gesellschafter gleichwohl in diesem Fall die Gesellschaft aus wichtigem Grund kündigen kann.

BGH 22.5.2012, II ZR 2/11
Der Sachverhalt:
Die Beklagte trat der Klägerin, einem geschlossenen Fonds in der Form einer GbR, im Dezember 2005 bei. Sie wählte eine Beteiligungsmöglichkeiten, mit der sie sich verpflichtete, eine Einmaleinlage i.H.v. 4.600 € zzgl. 5 Prozent Agio sowie mtl. über 30 Jahre Raten i.H.v. 63 € zzgl. 5 Prozent Agio zu leisten. Die Einmalzahlung sowie die erste Rate waren am 1.2.2006 fällig. Die Beklagte zahlte den Einmalbetrag am 3.2.2006 und leistete bis einschließlich Juni 2006 Ratenzahlungen. Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 30.9.2009 widerrief und focht sie die Beitrittserklärung an und erklärte die Kündigung des Beteiligungsvertrags.

Über das Vermögen der Gründungsgesellschafterin und ersten Geschäftsführerin der Beklagten, der Privatbank R. & Co GmbH und Co. KG (R-Bank), wurde am 1.11.2006 und über das Vermögen der zweiten Gründungsgesellschafterin und nachfolgenden Geschäftsführerin, der S-GmbH Wertpapierhandelsbank (S-Bank), am 11.1.2010 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage Zahlung rückständiger Monatsraten von Juli 2006 bis Oktober 2009 i.H.v. insgesamt 2.712 € zzgl. Zinsen.

Das AG gab der Klage überwiegend statt; das LG wies sie ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.

Die Gründe:
Die Revision rügt zu Recht die Ansicht des LG als fehlerhaft, der Beklagten habe aufgrund der Insolvenz der beiden geschäftsführenden Gesellschafterinnen ein außerordentliches Kündigungsrecht nach § 723 Abs. 1 S. 3 BGB zugestanden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats setzt das Recht zur außerordentlichen Kündigung voraus, dass dem Kündigenden eine Fortsetzung der Gesellschaft bis zum Vertragsende oder zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin nicht zugemutet werden kann, weil das Vertrauensverhältnis zwischen den Gesellschaftern grundlegend gestört oder ein gedeihliches Zusammenwirken aus sonstigen, namentlich auch wirtschaftlichen Gründen, nicht mehr möglich ist. Dabei muss das auf dem wichtigen Grund beruhende Individualinteresse des Kündigenden an der sofortigen Beendigung seiner Mitgliedschaft in der Gesellschaft höher zu bewerten sein als das Interesse seiner Mitgesellschafter an der unveränderten Fortsetzung der Gesellschaft.

Ob ein wichtiger Grund für die Kündigung vorgelegen hat, ist auch in der Revisionsinstanz in vollem Umfang darauf nachprüfbar, ob die Anwendung des Begriffs des wichtigen Grundes von einem zutreffenden Verständnis der darin zusammengefassten normativen Wertungen ausgeht. Somit kann geprüft werden, ob alle zur Beurteilung wichtigen Gesichtspunkte herangezogen worden sind und ob das Gewicht der Gründe für den Maßstab der Unzumutbarkeit des weiteren Festhaltens am Vertrag ausreicht. Gemessen hieran hat das LG das Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht rechtsfehlerfrei festgestellt.

Das LG hat in seine Abwägung schon nicht einbezogen, dass im Zeitpunkt der Kündigungserklärung vom 30.9.2009 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der ersten geschäftsführenden Gesellschafterin, der R-Bank, fast drei Jahre zurücklag, ohne dass sich die Beklagte veranlasst gesehen hätte, ihre Beitrittserklärung deshalb zu kündigen. Ebenso wenig hat es berücksichtigt, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen der nachfolgenden geschäftsführenden Gesellschafterin S-Bank erst im Januar 2010 eröffnet wurde, so dass sich daraus nicht ohne weiteres das Vorliegen eines Kündigungsgrundes bereits im Zeitpunkt der Kündigungserklärung herleiten lässt.

Das LG hat ebenfalls nicht berücksichtigt, dass die Insolvenz eines Gesellschafters in einer Publikumsgesellschaft regelmäßig (so auch hier laut Gesellschaftsvertrag) zum Ausscheiden des Gesellschafters und zur Fortsetzung der Gesellschaft unter den verbleibenden Gesellschaftern führt. Ist dieser Gesellschafter zugleich Geschäftsführer, führt dies in der Regel zu seiner Abberufung und zur Einsetzung eines neuen Geschäftsführers. Angesichts dieser während des Bestehens einer Gesellschaft jederzeit möglichen Ereignisse in der Person des geschäftsführenden Gesellschafters, die nach dem Willen der Gesellschafter auf den Fortbestand der Gesellschaft keinen Einfluss haben sollen, bedarf es der Feststellung besonderer Umstände, die es rechtfertigen, dass ein Gesellschafter gleichwohl in diesem Fall die Gesellschaft aus wichtigem Grund kündigen kann.

Solche Umstände liegen im Streitfall jedoch nicht vor. Die Sache war nicht zur Entscheidung reif und an das LG zurückzuverweisen, da dieses - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - zu den weiteren von der Beklagten vorgetragenen Umständen, die sie ihrer Ansicht nach zur außerordentlichen Kündigung berechtigt haben keine Feststellungen getroffen hat.

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