Insolvenzverfahren: Gläubiger können Versagungsanträge auch bei Bestreiten der angemeldeten Forderung durch den Schuldner stellen
BGH 12.3.2015, IX ZB 85/13Am 23.5.2006 beantragte der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen verbunden mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung. Mit Beschluss vom 20.6.2006 wurde das Verfahren eröffnet. Am 10.2.2009 meldete die weitere Beteiligte zu 1) eine Forderung zur Insolvenztabelle nachträglich an und benannte als Rechtsgrund eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung. Der Schuldner widersprach der Forderung insgesamt; vom Insolvenzverwalter wurde sie in voller Höhe bestritten. Mit Strafbefehl vom 15.6.2010 verhängte das AG gegen den Schuldner eine Gesamtgeldstrafe i.H.v. 100 Tagessätzen wegen Bankrotts in zwei Fällen (§ 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b StGB) und Insolvenzverschleppung. Der Strafbefehl, der für die Straftaten nach § 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b StGB Einzelstrafen von 15 und 30 Tagessätzen festsetzte, wurde am 2.7.2010 rechtskräftig.
Nach Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung, aber noch vor Abschluss des Insolvenzverfahrens beabsichtigte das AG -Insolvenzgericht -, über den Restschuldbefreiungsantrag des Schuldners zu entscheiden, und gab dem Insolvenzverwalter und den Gläubigern Gelegenheit zur Stellungnahme. Die weitere Beteiligte zu 1) beantragte, die Restschuldbefreiung zu versagen, und berief sich auf die strafrechtliche Verurteilung wegen Bankrotts. Die gerichtliche Feststellung der von ihr angemeldeten Forderung betrieb sie zu diesem Zeitpunkt und auch in der Folge nicht.
Das AG versagte dem Schuldner die Restschuldbefreiung. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners verwarf das LG den Versagungsantrag der weiteren Beteiligten zu 1) als unzulässig. Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligte zu 1) hob der BGH den Beschluss des LG auf und wies die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des AG zurück.
Die Gründe:
Nach § 290 Abs. 1 InsO in der bis zum 1.7.2014 geltenden Fassung ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn dies im Schlusstermin von einem Insolvenzgläubiger beantragt worden ist und ein Versagungsgrund vorliegt. Wer "Insolvenzgläubiger" ist, regelt die Vorschrift nicht näher. Das Insolvenzgericht hat nicht darüber zu befinden, ob dem Gläubiger die angemeldete Forderung zusteht. Diese Aufgabe obliegt vielmehr dem Insolvenzverwalter und den übrigen Gläubigern (§§ 176, 178 f InsO) und dem für die Feststellung der Forderung zuständigen Prozessgericht. Die Prüfung der Antragsbefugnis durch das Insolvenzgericht erstreckt sich deshalb nur auf die formale Gläubigerstellung und nicht auf die materielle Berechtigung.
Dem entspricht § 290 Abs. 1 InsO n.F., der mit Blick auf das Antragsrecht die bisherige Senatsrechtsprechung nachzeichnen soll. Nach dieser Rechtsprechung können Versagungsanträge von Gläubigern gestellt werden, die ihre Forderung angemeldet haben. Ob die Forderung nach Prüfung im Schlusstermin an den Verteilungen teilnimmt, ist für die Antragsbefugnis unerheblich. Dies gilt auch für bestrittene Forderungen. Es gibt keinen Grund, die zur Stellung eines Versagungsantrags berechtigende formale Gläubigerstellung in diesem Fall von weiteren Voraussetzungen abhängig zu machen.
Entgegen der Ansicht des LG bedarf es nicht des Nachweises der Klageerhebung nach § 189 Abs. 1 InsO. Erst Recht nicht erforderlich ist der Erfolg der Feststellungsklage oder der Nachweis der Beseitigung des Widerspruchs des Schuldners. Nach § 1 S. 2 InsO soll der redliche Schuldner Gelegenheit erhalten, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien. Daraus folgt zweierlei: Einerseits darf nur der redliche Schuldner auf die Erlangung der Restschuldbefreiung vertrauen. Andererseits bedarf es zum Schutz der von einer Restschuldbefreiung betroffenen Gläubiger eines wirkungsvollen Verfahrens, in dem die Unredlichkeit des Schuldners geltend gemacht werden kann.
Anhand der Forderungsanmeldung lässt sich die Befugnis zur Stellung eines Versagungsantrags für das Insolvenzgericht einfach und sicher beurteilen. Eine schnelle und zugleich wirkungsvolle Überprüfung der Redlichkeit des Schuldners ist hingegen nicht möglich, wenn der Nachweis der Beseitigung des Widerspruchs für erforderlich gehalten wird. Der rechtskräftige Abschluss des Feststellungsprozesses müsste jeweils abgewartet werden.
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