24.10.2016

Insolvenzverwalter: Zur Ablehnung der Aufnahme eines Bewerbers auf die Vorauswahlliste durch den Insolvenzrichter

Ein Insolvenzrichter kann die Aufnahme eines Bewerbers auf seine Vorauswahlliste ablehnen, wenn begründeter Anlass für die Vermutung besteht, dieser werde sein Amt als Insolvenzverwalter nicht höchstpersönlich ausüben. Ein Bewerber muss von sich aus offenlegen, dass er nicht unerhebliche Beteiligungen an einer Bank hält, dort in die Führungsebene eingebunden ist oder sie in bedeutendem Umfang regelmäßig berät, wenn diese Bank in vielen Insolvenzverfahren an diesem Insolvenzgericht als Insolvenzgläubigerin auftritt.

BGH 13.10.2016, IX AR (VZ) 7/15
Der Sachverhalt:
Der Antragsteller ist Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater und vereidigter Buchprüfer. Seit 1980 ist er in Hamburg selbständig als Insolvenzverwalter tätig und hat Insolvenzverfahren jeder Größe bearbeitet. Seine Kanzlei ist in Deutschland an verschiedenen Standorten vertreten, beschäftigt über 450 Mitarbeiter und ist tätig auf dem Gebiet der Insolvenzabwicklung und der Sanierung von Unternehmen. Er begehrt die Aufnahme in die Vorauswahllisten des Antragsgegners, der Insolvenzrichter am AG Hamburg ist.

Durch Bescheid vom 12.12.2011 lehnte der Antragsgegner die Aufnahme des Antragstellers in seine Vorauswahlliste ab. Der Antragsteller stellte daraufhin beim OLG innerhalb Monatsfrist Antrag nach §§ 23 ff EGGVG. Im Einverständnis beider Verfahrensbeteiligten ordnete das OLG das Ruhen des Verfahrens an, nachdem der Antragsgegner sich bereit erklärt hatte, mit dem Antragsteller am 31.1.2012 ein persönliches Gespräch zu führen. An das Gespräch schloss sich ein Schriftverkehr zwischen den Verfahrensbeteiligten an. Am 1.7.2013 beschied der Antragsgegner wiederum den Antrag des Antragstellers abschlägig.

Auch gegen diesen Bescheid stellte der Antragsteller beim OLG innerhalb Monatsfrist Antrag nach §§ 23 ff EGGVG. Dieses hob durch Beschluss vom 30.9.2015 die Bescheide des Antragsgegners vom 12.12.2011 und vom 1.7.2013 auf und verpflichtete diesen, den Antragsteller in seine Vorauswahllisten aufzunehmen. Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners hob der BGH den Beschluss des OLG auf und verwies die Sache zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Die mögliche mangelnde Beteiligtenfähigkeit des Antragsgegners führt nicht zur Unzulässigkeit seiner Rechtsbeschwerde. Für den Streit über die Beteiligtenfähigkeit ist die davon betroffene Partei als beteiligtenfähig anzusehen. Das OLG hat den Antragsgegner als beteiligtenfähig und als materiellrechtlich zutreffenden Antragsgegner angesehen. Das trifft nicht zu. Antragsgegner in dem gerichtlichen Verfahren vor dem OLG, mit dem ein Bewerber die Aufnahme in die von einem Insolvenzrichter geführte Vorauswahlliste begehrt oder sich gegen die Streichung aus dieser Liste wendet, ist das AG, dem der Insolvenzrichter angehört. Da das OLG bislang das AG Hamburg als den richtigen Antragsgegner nicht beteiligt hat (§ 7 Abs. 2 Nr. 2, § 9 Abs. 3 FamFG), war die Sache zurückzuverweisen. Für das weitere Verfahren hat der Senat u.a. auf folgendes hingewiesen:

Für das Vorauswahlverfahren steht die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der persönlichen und fachlichen Eignung im Vordergrund. Für diese generelle Eignung ist ein bestimmtes Anforderungsprofil zu erstellen, nach dem sich die Qualifikation des jeweiligen Bewerbers richtet. Der Insolvenzrichter hat die Auswahlkriterien transparent zu machen, etwa durch Veröffentlichung im Internet oder durch Fragebögen. Dabei ist es ihm verwehrt, das Verfahren oder die Kriterien der Vergabe willkürlich zu bestimmen. Erfüllt ein Bewerber die persönlichen und fachlichen Anforderungen für das Amt des Insolvenzverwalters im Allgemeinen, kann ihm die Aufnahme in die Liste nicht versagt werden.

Ein Insolvenzverwalter kann sein Amt als solches nicht auf einen anderen übertragen; vielmehr ist er mit diesem höchstpersönlich betraut. Insolvenzverfahrensspezifische Handlungen darf der Verwalter, wenn auch der Einsatz von Mitarbeitern in größeren Verfahren praktisch unvermeidbar oder gar geboten sein kann, nur persönlich vornehmen. Dazu gehören etwa die Führung eines Anfechtungsprozesses oder die Aufnahme eines nach § 240 ZPO unterbrochenen Prozesses, die Entscheidung über die Kündigung und Entlassung von Arbeitnehmern sowie über die Art der Verwertung der Masse. Deswegen ist ein Bewerber nicht auf die Vorauswahlliste aufzunehmen, wenn zu befürchten steht, dass er die nur durch den Insolvenzverwalter persönlich vorzunehmenden Geschäfte anderen überträgt. Das ist etwa dann der Fall, wenn der Bewerber nur als sog. "Akquisitionsverwalter" auftritt und nach dem "Subunternehmerprinzip" arbeitet, also substanziell nicht an der Verwaltung mitwirkt.

Der Antragsteller hat versichert, Mitglied des Verbandes der Insolvenzverwalter Deutschlands e.V. (VID) zu sein und dessen Berufsgrundsätze strikt einzuhalten. Damit hat er auch erklärt, alle maßgeblichen Verfahrensentscheidungen grundsätzlich selbst zu treffen und in allen wichtigen Angelegenheiten dem Insolvenzgericht und den gesetzlichen Gläubigergremien persönlich für Auskünfte und Besprechungen zur Verfügung zu stehen (§ 5 Abs. 1 der Berufsgrundsätze des Verbandes), und mithin hinreichend versichert, die insolvenzverfahrensspezifischen Handlungen höchstpersönlich vorzunehmen. Demgegenüber hat der Antragsgegner in dem Bescheid vom 12.12.2011 nur allgemeine Ausführungen zu dem Auswahlkriterium der höchstpersönlichen Bearbeitung gemacht und angenommen, der Antragsteller habe hierzu keine Ausführungen gemacht, ohne dessen Vortrag zu seiner Mitgliedschaft im VID ausreichend zur Kenntnis zu nehmen.

Ebenso wenig steht die generelle persönliche Eignung des Antragstellers in Frage. Der Antragsgegner zog die persönliche Eignung des Antragstellers in Zweifel, weil dieser nicht von sich aus über sein Verhältnis zu der Bank aufgeklärt habe, die bei sehr vielen Insolvenzverfahren in Hamburg als Gläubigerin beteiligt ist. Nur wenn der Bewerber mit einem Großgläubiger wirtschaftlich verbunden ist, der auch aus seiner Sicht erfahrungsgemäß an vielen Insolvenzverfahren als Insolvenzgläubiger beteiligt ist, die an dem Insolvenzgericht geführt werden, bei dem er die Aufnahme auf die Vorauswahlliste begehrt, muss er dies von sich aus in seiner Bewerbungsschrift offenbaren. Das kann aber nur gelten, wenn der Bewerber nicht unerhebliche Beteiligungen an dem Großgläubiger hält, dort in die Führungsebene eingebunden ist oder diesen in bedeutendem Umfang regelmäßig berät. Es reicht nicht aus, dass ein Bewerber - wie hier - bei einer örtlichen Bank entweder persönlich oder über ein Unternehmen, an dem er beteiligt ist, oder als Insolvenzverwalter Konten führt oder Kredite aufgenommen hat, jedenfalls solange diese zu üblichen Bedingungen gewährt worden sind.

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