Internationale Zuständigkeit für eine Klage gegen einen in Liechtenstein ansässigen Vermögensverwalter
BGH 18.10.2016, VI ZR 618/15Der Beklagte lebt in der Schweiz. Er war seit Anfang 2004 Alleinaktionär und Vorstand der mittlerweile liquidierten G-AG mit Sitz in Vaduz, Liechtenstein. Die G-AG unterhielt eine Zweigniederlassung in der Schweiz. Bis September 2007 hatte die G-AG in Deutschland kein Büro und keine festen Angestellten. Eine von der BaFin erteilte Erlaubnis als grenzüberschreitender Dienstleister nach § 53b KWG war der G-AG bis zum September 2009 nicht erteilt worden.
Der Kläger lebt in Deutschland. Er kannte den S. aus der Nachbarschaft. Er wusste, dass dieser als Versicherungsmakler arbeitete. Der S. hatte dem Kläger in mehreren Gesprächen in dessen Wohnung vorgeschlagen, einen Vermögensverwaltungsvertrag mit der G-AG abzuschließen. Dabei bediente er sich eines "Fact Sheets" der G-AG, das die Kontaktdaten des Unternehmens in Liechtenstein sowie Portfoliomöglichkeiten enthielt. Der S. handelte auf der Grundlage eines Provisionsvertrages mit der G-AG.
Im Mai 2007 begaben sich der Kläger und seine Ehefrau in Begleitung des S. in die Schweiz und schlossen dort einen Vertrag mit der G-AG über eine "aktive Vermögensverwaltung" mit einer Anlagesumme von 230.000 € ab. Im Juni und September 2007 überwiesen der Kläger und seine Ehefrau gut 250.000 € von ihrem Konto bei der W-Bank in der Schweiz auf ein Konto bei der R-Bank St. Gallen, das der Beklagte auf den Namen des Klägers und seiner Ehefrau angelegt hatte. In der Folge kam es im Rahmen der Vermögensverwaltung der G-AG zu Verlusten bei dem eingebrachten Kapital.
Der Kläger nahm daraufhin den Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 KWG auf Schadensersatz i.H.d. eingesetzten Kapitals Zug um Zug gegen Rückübereignung der im Rahmen der Vermögensverwaltung erworbenen Aktien und Zertifikate in Anspruch. Das LG wies die Klage mangels internationaler Zuständigkeit als unzulässig ab; das OLG bejahte hingegen die internationale Zuständigkeit. Auf die Revision des Beklagten hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Gründe:
Eine Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 LugÜ II, der als Ausnahme vom grundsätzlichen Beklagtenwohnsitzprinzip in Art. 2 LugÜ II einen Gerichtsstand am Ort der unerlaubten Handlung zulässt, war entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht gegeben.
Mit Recht hatte das OLG zwar einen inländischen Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs (Erfolgsort) einer behaupteten unerlaubten Handlung des Beklagten verneint. Allerdings war es zu Unrecht von einem Handlungsort im Inland ausgegangen. Handlungsort i.S.d. Art. 5 Nr. 3 LugÜ II bzw. Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ist der Ort, an dem die schadensbegründende Handlung vorgenommen wurde bzw. der "Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens". Der Beklagte war nicht selbst als Verursacher im Inland tätig, sondern ausschließlich in der Schweiz. Dort wurden die abschließenden Beratungsgespräche geführt, der Vermögensverwaltungsvertrag geschlossen und ausgeführt. Soweit das Berufungsgericht das Handeln des S. dem Beklagten als dessen "verlängerter Arm" zurechnen wollte, stand dies in Widerspruch zur EuGH-Rechtsprechung (Urt. v. 16.5.2013 - C 228/11).
Es ergibt sich bereits eindeutig aus dem Wortlaut der vorgenannten Entscheidung, dass für die Begründung des Gerichtsstands des Handlungsorts einer unerlaubten Handlung i.S.d. Art. 5 Nr. 3 LugÜ II bzw. Art. 5 Nr. 3 EuGVVO erforderlich ist, dass der Verursacher "selbst" und nicht durch einen Dritten als sein "verlängerter Arm" dort tätig geworden sein muss. Denn der EuGH führte aus, dass das Gericht, in dessen Bezirk der mutmaßliche Verursacher "selbst nicht tätig geworden ist", seine Zuständigkeit nicht aus dem Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens herleiten kann.
Der erkennende Senat ist auch nicht gehalten, den EuGH gem. Art. 267 Abs. 1 und 3 AEUV um eine Vorabentscheidung zur Auslegung des Art. 5 Nr. 3 LugÜ II zu ersuchen. Für das Übereinkommen besteht zwar eine Auslegungszuständigkeit des Gerichtshofs (zweiter Erwägungsgrund der Präambel zum Protokoll 2 nach Art. 75 LugÜ II über die einheitliche Auslegung des Übereinkommens und den Ständigen Ausschuss). Die Vorlagepflicht letztinstanzlicher Gerichte der Mitgliedstaaten entfällt aber, wenn die betreffende gemeinschaftsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder wenn die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum mehr bleibt.
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