11.04.2013

Internetdienste können gegenüber Fernsehsendern Zwangslizenzeinwand geltend machen (Internet-Videorecorder II)

Das Angebot der Internet-Videorecorder "Shift.TV" und "Save.TV" greift zwar in das Recht der Fernsehsender RTL und Sat.1 auf Weitersendung ihrer Funksendungen ein. Es bleibt aber zu prüfen, ob die Anbieter der Internet-Videorecorder sich gegenüber den Fernsehsendern darauf berufen können, dass diese ihnen eine Lizenz für diese Nutzung einräumen müssen (sog. Zwangslizenzeinwand).

BGH 11.4.2013, I ZR 152/11
Der Sachverhalt:
Die Klägerinnen sind die Fernsehsender "RTL" und "Sat.1". Die Beklagten bieten unter den Bezeichnungen "Shift.TV" und "Save.TV" Internet-Videorecorder an. Kunden der Beklagten können auf diesen Recordern über Antennen frei empfangbare Fernsehprogramme - auch diejenigen der Klägerinnen - aufzeichnen und anschließend ansehen oder herunterladen. Die Beklagten leiten die Funksendungen von den Antennen an die Videorecorder der Kunden weiter.

Die Klägerinnen waren der Ansicht, das Angebot der Beklagten verletze u.a. ihr Recht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 UrhG, ihre Funksendungen weiterzusenden. Sie nahmen die Beklagten in drei Verfahren auf Unterlassung und - zur Vorbereitung von Schadensersatzansprüchen - auf Auskunft in Anspruch. LG und OLG sahen zunächst keine Verletzung des Weitersenderechts. Auf die Revisionen der Klägerinnen hatte der BGH im Jahr 2009 die Berufungsurteile aufgehoben und die Sachen an das OLG zurückverwiesen. Dieses verurteilte sodann die Beklagten wegen Verletzung des Rechts der Klägerinnen zur Weitersendung ihrer Funksendungen antragsgemäß.

Auf die Revisionen der Beklagten hat der BGH nunmehr auch diese Entscheidungen aufgehoben und die Sachen erneut an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Gründe:
Das Berufungsgericht hat es bislang versäumt zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Erhebung dieses Zwangslizenzeinwands vorliegen.

Zwar hat das OLG mit Recht angenommen, dass die Beklagten in das Recht der Klägerinnen zur Weitersendung ihrer Funksendungen eingegriffen hatten. Die Beklagten haben sich aber im wiedereröffneten Berufungsverfahren darauf gestützt, dass die Klägerinnen ihnen nach § 87 Abs. 5 UrhG das Recht zur Kabelweitersendung einräumen müssen. Danach sind Sendeunternehmen unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, mit Kabelunternehmen einen Vertrag über die Kabelweitersendung abzuschließen. Eine solche Verpflichtung können die Beklagten den Klägerinnen nur dann im Wege des sog. Zwangslizenzeinwandes entgegenhalten, wenn sie u.a. die sich aus einem solchen Vertrag ergebenden Lizenzgebühren gezahlt oder hinterlegt haben.

Sollten diese Voraussetzungen erfüllt sein, müsste das OLG den Rechtsstreit aussetzen, um den Beklagten die Anrufung der beim Deutschen Patent- und Markenamt gebildeten Schiedsstelle zu ermöglichen. Diese müsste dann prüfen, ob die Beklagten einen Anspruch auf Abschluss eines Vertrages über die Kabelweitersendung haben. Bei Streitfällen über die Verpflichtung zum Abschluss eines Vertrages über die Kabelweitersendung können gem. § 14 Abs. 1 Nr. 2, § 16 Abs. 1 UrhWG Ansprüche im Wege der Klage erst geltend gemacht werden, nachdem ein Verfahren vor der Schiedsstelle vorausgegangen ist. Ein solches Vorverfahren ist nicht nur dann erforderlich, wenn ein Kabelunternehmen auf Abschluss eines solchen Vertrages klagt, sondern auch dann, wenn es sich - wie hier - gegen eine Unterlassungsklage des Sendeunternehmens mit dem Einwand zur Wehr setzt, dieses sei zum Abschluss eines solchen Vertrages verpflichtet.

Linkhinweise:

  • Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 64 vom 11.4.2013
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