01.09.2015

Inwieweit kann ein nichtrechtsfähiger Eigenbetrieb an zivilrechtlichen Rechtstreitigkeiten in Vergabesachen beteiligt werden?

§ 46 Abs. 4 EnWG soll lediglich sicherstellen, dass die Gemeinden sich nicht den sich aus dieser Vorschrift ergebenden Verpflichtungen durch die Errichtung eines Eigenbetriebes entziehen können. Die Norm dient aber nicht dazu, einen solchen Eigenbetrieb (hier: "Berlin Energie") aufzuwerten.

KG Berlin 31.8.2015, 2 U 5/15 kart
Sachverhalt:
Mit Bekanntmachung vom 20.12.2011 hatte die Senatsverwaltung für Finanzen des beklagten Landes Berlin das Verfahren zur Neuvergabe der das Gasnetz im Land betreffenden Konzession in Gang gesetzt. Im März 2012 schuf die Verwaltung nach Maßgabe des § 26 der Landeshaushaltsordnung (LHO) die "Berlin Energie" um sich mit dieser an den Konzessionierungsverfahren für das Gas- und Stromnetz zu beteiligen. "Berlin Energie" verfügte zunächst über kein eigenes Personal. Die Geschäftsleitung wird seit Mai 2013 vom derzeitigen Geschäftsleiter wahrgenommen. Zuvor oblag sie der Referatsleitung der Senatsverwaltung.

Bereits am 18.4.2013 hatte sich das Land Berlin im streitgegenständlichen Vergabeverfahren mit einem "Zweiten Verfahrensbrief" an die von ihm für geeignet erachteten Bieter gewandt. Unter ihnen befand sich neben den Klägerinnen (u.a. die GASAG Berliner Gaswerke AG) auch "Berlin Energie". Am 3.6.2014 teilte der Senator für Finanzen in einer Pressekonferenz mit, dass nach seinem Vorschlag die Konzession an "Berlin Energie" vergeben werden solle.

Das LG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Das Gericht untersagte dem Land Berlin, das Nutzungsrecht für den Betrieb des Gasnetzes an den landeseigenen Gasag-Konkurrenten. Es hatte Zweifel an der Bieterfähigkeit von "Berlin Energie", da es sich nicht um einen Eigenbetrieb des Landes, sondern lediglich um einen unselbstständigen Teil der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt handele.

"Berlin Energie" hatte in der Berufungsinstanz seinen Beitritt als sog. Nebenintervenient bzw. Streithelfer auf Seiten des beklagten Landes Berlin erklärt. Die Klägerinnen hatten beantragt, die Nebenintervention zurückzuweisen. Das KG hat die Nebenintervention von "Berlin Energie" als unzulässig zurückgewiesen. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Gründe:
Der Nebenintervenient "Berlin Energie" war nicht parteifähig und konnte im Hinblick auf den vorliegenden Rechtsstreit auch nicht als parteifähig angesehen werden.

Soweit "Berlin Energie" als Eigenbetrieb gem. § 26 LHO Berlin einem Eigenbetrieb i.S.v. § 46 Abs. 4 EnWG gleichzustellen war, folgte daraus nicht die Notwendigkeit, solche Eigenbetriebe (konzessionsvertraglich und damit auch prozessual) wie parteifähige juristische Personen zu behandeln. § 46 Abs. 4 EnWG soll lediglich sicherstellen, dass die Gemeinden sich nicht den sich aus dieser Vorschrift ergebenden Verpflichtungen durch die Errichtung eines Eigenbetriebes entziehen können. Die Norm dient aber nicht dazu, einen solchen Eigenbetrieb aufzuwerten.

Auch eine partielle Parteifähigkeit von "Berlin Energie" war mangels Notwendigkeit, die Wahrnehmung von dessen Aufgaben zu ermöglichen, zu verneinen. Das beklagte Land hatte sich ohne gesetzgeberischen Zwang entschlossen, ein nicht rechtsfähiges Werkzeug mit begrenzter Aufgabenstellung und kaum eigenständiger wirtschaftlicher Tätigkeit und mit bloßer "Platzhalterfunktion" zu schaffen, um das Berliner Gasnetz zu rekommunalisieren.

Letztlich boten auch etwaige Interessen des Landes an einer sachgerechten Verteidigung keine Veranlassung, zumindest eine partielle Rechtsfähigkeit von "Berlin Energie" zu bejahen. Die Nebenintervention dient nämlich nicht dazu, der unterstützten Partei eine erfolgreiche Prozessführung zu ermöglichen, sondern soll allein dem bislang nicht beteiligten Dritten die Möglichkeit eröffnen, Einfluss auf den Prozess zu nehmen. Dies kam hier aber mangels Parteifähigkeit von "Berlin Energie" nicht in Betracht.

Es gibt keine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage, inwieweit ein nichtrechtsfähiger Eigenbetrieb an zivilrechtlichen Rechtstreitigkeiten, die die Vergabe von Wegenutzungsverträgen nach § 46 EnWG betreffen, beteiligt werden können. Zudem hat das Bundeskartellamt, das sich im kartellrechtlichen Missbrauchsverfahren auf den für die zivilprozessuale Nebenintervention nicht maßgeblichen Gesichtspunkt der Erweiterung der eigenen tatsächlichen Erkenntnismöglichkeiten gestützt hatte, die Beiladung des Nebenintervenienten im Missbrauchsverfahren vorgenommen (vgl. Beschl. v. 8.9.2014 - B 8-93/14 -). Insofern war die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

KG Berlin PM v. 31.8.2015
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