Irreführende Autowerbung mit Abgaswerten
LG München I v. 7.2.2023 - 1 HK O 4969/22
Der Sachverhalt:
Der beklagte Autokonzern beschrieb und bewarb im April 2022 auf seiner Internetseite eines seiner Modelle unter der Rubrik "Verbrauch und Emissionen" mit Werten in räumlicher Nähe zu dem Zusatz "WLTP" (Methode der Verbrauchs- und Abgasberechnung). Die von ihm angegebenen Werte waren jedoch nicht mit dem WLTP berechnet, sondern mit dem NEFZ. Bei letzterer handelt es sich um eine ältere Berechnungsmethode. Die beim WLTP berechneten Werte liegen regelmäßig über denen des NEFZ.
Nach Abmahnung durch den klägerischen Umweltverein änderte die Beklagte ihre Darstellung, lehnte jedoch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ab. Hiergegen wendet sich der Kläger in seiner auf Unterlassung gerichteten Klage.
Das LG gab der Klage statt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Die Gründe:
Im Ergebnis ist eine Irreführung der Verbraucher zu bejahen.
Der Gefahr der Fehlvorstellung, dass es sich bei den ausgewiesenen Werten um WLTP-Werte handelt, sind insbesondere Verbraucher ausgesetzt, denen die Bedeutung des Zeichens "WLTP" bereits bekannt ist und die demnach wissen, dass es sich dabei um eine Abkürzung für eine Prüfmethode bei der Verbrauchs- und Schadstoffberechnung handelt und dass der WLTP den NEFZ abgelöst hat.
Anders als die Beklagte geltend macht, ist das Zeichen "WLTP" nicht ausreichend abgesetzt von den ausgewiesenen Werten, um eine gedankliche Verbindung auszuschließen. Es ist zwar in Fettdruck geschrieben, aber das ist die Überschrift "Verbrauch & Emissionen" auch. Das Zeichen "WLTP" ist jedenfalls nicht merklich größer als die Überschrift. Dass es in Großbuchstaben geschrieben ist, stellt bei Kenntnis von der Abkürzungsfunktion ebenfalls keinen Umstand dar, der eine selbständige, unabhängige Stellung des Zeichens "WLTP" nahelegt. Zudem ist der Abstand zwischen der Überschrift zu den konkret angegeben Werten der gleiche wie der zwischen den Werten und dem Zeichen.
Dass das Zeichen "WLTP" auf der Internetseite einen Link zu einer anderen Seite mit den richtigen WLTP-Werten beinhaltet, beseitigt die Gefahr einer Fehlvorstellung nicht. Die Verlinkung ist von außen nicht erkennbar. Der Verbraucher stößt allenfalls zufällig darauf, wenn er mit der Maus über das Zeichen fährt. Insoweit kann nicht davon ausgegangen werden, dass dies häufig geschieht. Hinzu kommt, dass zur Vermeidung einer Fehlvorstellung der Verbraucher dann den Link auch noch betätigen und anhand der verlinkten Angaben erkennen muss, dass die zuerst angegebenen Werte NEFZ-Werte sind. Auch daran bestehen erhebliche Zweifel, da die verlinkte Seite über die Werte hinausgehend keinerlei Erklärung enthält. Insoweit bleibt die Situation für den Verbraucher auch nach Kenntnis der Unterseite verwirrend, weil ihm nirgends klar mitgeteilt wird, dass die zuerst angegebenen Werte solche nach dem NEFZ sind.
Es ist auch davon auszugehen, dass ein erheblicher Teil der Verbraucher zur Zeit des Verstoßes im April 2022 entsprechend informiert war, d.h. Kenntnis von der Existenz und Bedeutung des WLTP hatte. Durch den sog. Dieselskandal, bei dem festgestellt wurde, dass Abgaswerte von Personenkraftwagen im Prüfverfahren nach dem NEFZ manipuliert wurden, ist das Thema der Prüfmethode der Abgas- und Verbrauchswerte bei Kraftfahrzeugen seit Mitte der 2010er-Jahre stark in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt und wird entsprechend viel diskutiert. Bereits im Jahr 2018 wurde dann der WLTP eingeführt. Auch dies wurde nicht nur in der Fachpresse im Automobilbereich, sondern auch in der allgemeinen Presse thematisiert.
Die Gefahr einer wesentlichen Beeinflussung der Verbraucher ist hier zweifellos zu bejahen. Für die Verbraucher sind Verbrauchswerte, aber auch Abgaswerte ein zunehmend wichtiges Kriterium bei der Beurteilung von Personenkraftwagen. Geht der Verbraucher von falschen (insbesondere besseren) Werten aus, hat dies offensichtlich Einfluss darauf, ob er sich weiter - im Internet oder real - mit dem Fahrzeug beschäftigt.
Mehr zum Thema:
Aufsatz:
Der Dieselskandal zwischen Unionsrecht und deutschem Haftungsrecht
Thomas Riehm, ZIP 2022, 2309
Nachzulesen auch im Aktionsmodul Gesellschaftsrecht:
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LG München PM Nr. 4 vom 7.2.2023
Der beklagte Autokonzern beschrieb und bewarb im April 2022 auf seiner Internetseite eines seiner Modelle unter der Rubrik "Verbrauch und Emissionen" mit Werten in räumlicher Nähe zu dem Zusatz "WLTP" (Methode der Verbrauchs- und Abgasberechnung). Die von ihm angegebenen Werte waren jedoch nicht mit dem WLTP berechnet, sondern mit dem NEFZ. Bei letzterer handelt es sich um eine ältere Berechnungsmethode. Die beim WLTP berechneten Werte liegen regelmäßig über denen des NEFZ.
Nach Abmahnung durch den klägerischen Umweltverein änderte die Beklagte ihre Darstellung, lehnte jedoch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ab. Hiergegen wendet sich der Kläger in seiner auf Unterlassung gerichteten Klage.
Das LG gab der Klage statt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Die Gründe:
Im Ergebnis ist eine Irreführung der Verbraucher zu bejahen.
Der Gefahr der Fehlvorstellung, dass es sich bei den ausgewiesenen Werten um WLTP-Werte handelt, sind insbesondere Verbraucher ausgesetzt, denen die Bedeutung des Zeichens "WLTP" bereits bekannt ist und die demnach wissen, dass es sich dabei um eine Abkürzung für eine Prüfmethode bei der Verbrauchs- und Schadstoffberechnung handelt und dass der WLTP den NEFZ abgelöst hat.
Anders als die Beklagte geltend macht, ist das Zeichen "WLTP" nicht ausreichend abgesetzt von den ausgewiesenen Werten, um eine gedankliche Verbindung auszuschließen. Es ist zwar in Fettdruck geschrieben, aber das ist die Überschrift "Verbrauch & Emissionen" auch. Das Zeichen "WLTP" ist jedenfalls nicht merklich größer als die Überschrift. Dass es in Großbuchstaben geschrieben ist, stellt bei Kenntnis von der Abkürzungsfunktion ebenfalls keinen Umstand dar, der eine selbständige, unabhängige Stellung des Zeichens "WLTP" nahelegt. Zudem ist der Abstand zwischen der Überschrift zu den konkret angegeben Werten der gleiche wie der zwischen den Werten und dem Zeichen.
Dass das Zeichen "WLTP" auf der Internetseite einen Link zu einer anderen Seite mit den richtigen WLTP-Werten beinhaltet, beseitigt die Gefahr einer Fehlvorstellung nicht. Die Verlinkung ist von außen nicht erkennbar. Der Verbraucher stößt allenfalls zufällig darauf, wenn er mit der Maus über das Zeichen fährt. Insoweit kann nicht davon ausgegangen werden, dass dies häufig geschieht. Hinzu kommt, dass zur Vermeidung einer Fehlvorstellung der Verbraucher dann den Link auch noch betätigen und anhand der verlinkten Angaben erkennen muss, dass die zuerst angegebenen Werte NEFZ-Werte sind. Auch daran bestehen erhebliche Zweifel, da die verlinkte Seite über die Werte hinausgehend keinerlei Erklärung enthält. Insoweit bleibt die Situation für den Verbraucher auch nach Kenntnis der Unterseite verwirrend, weil ihm nirgends klar mitgeteilt wird, dass die zuerst angegebenen Werte solche nach dem NEFZ sind.
Es ist auch davon auszugehen, dass ein erheblicher Teil der Verbraucher zur Zeit des Verstoßes im April 2022 entsprechend informiert war, d.h. Kenntnis von der Existenz und Bedeutung des WLTP hatte. Durch den sog. Dieselskandal, bei dem festgestellt wurde, dass Abgaswerte von Personenkraftwagen im Prüfverfahren nach dem NEFZ manipuliert wurden, ist das Thema der Prüfmethode der Abgas- und Verbrauchswerte bei Kraftfahrzeugen seit Mitte der 2010er-Jahre stark in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt und wird entsprechend viel diskutiert. Bereits im Jahr 2018 wurde dann der WLTP eingeführt. Auch dies wurde nicht nur in der Fachpresse im Automobilbereich, sondern auch in der allgemeinen Presse thematisiert.
Die Gefahr einer wesentlichen Beeinflussung der Verbraucher ist hier zweifellos zu bejahen. Für die Verbraucher sind Verbrauchswerte, aber auch Abgaswerte ein zunehmend wichtiges Kriterium bei der Beurteilung von Personenkraftwagen. Geht der Verbraucher von falschen (insbesondere besseren) Werten aus, hat dies offensichtlich Einfluss darauf, ob er sich weiter - im Internet oder real - mit dem Fahrzeug beschäftigt.
Aufsatz:
Der Dieselskandal zwischen Unionsrecht und deutschem Haftungsrecht
Thomas Riehm, ZIP 2022, 2309
Nachzulesen auch im Aktionsmodul Gesellschaftsrecht:
Mit dem Aktionsmodul stehen dem umfassend tätigen Gesellschaftsrechtler fünf Module zur Verfügung. Jetzt neu mit dem Beratermodul ZIP. Jetzt zahlreiche, bewährte Formulare mit LAWLIFT bearbeiten!
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