11.10.2017

Isolierte Pfändung der Rechte aus § 887 ZPO i.V.m. dem Anspruch des Handelsvertreters aus § 87c Abs. 2 HGB nichtig

Die isolierte Pfändung der Rechte aus § 887 ZPO i.V.m. dem Anspruch des Handelsvertreters aus § 87c Abs. 2 HGB ist nichtig. Diese Rechte sind als unselbständige Nebenrechte untrennbar mit dem Provisionsanspruch verbunden und können nicht unabhängig von diesen geltend gemacht werden.

BGH 19.9.2017, VII ZB 64/14
Der Sachverhalt:
Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid und einem Kostenfestsetzungsbeschluss. Der Schuldner war seit April 2003 als Handelsvertreter für die R-GmbH & Co. KG tätig. Das Handelsvertreter-Vertragsverhältnis endete durch fristlose Kündigung der R-GmbH & Co. KG vom 28.10.2005. Die Drittschuldnerin war persönlich haftende Gesellschafterin der R-GmbH & Co. KG.

Mit Urteil des LG A vom 12.2.2010 in der Fassung des Berufungsurteils des OLG M vom 28.7.2011 wurde die Drittschuldnerin verurteilt, dem Schuldner einen Buchauszug gem. § 87c Abs. 2 HGB zu erteilen. Mit Beschluss vom 10.5.2013 ermächtigte das LG A den Schuldner, die der Drittschuldnerin auferlegte Pflicht zur Erteilung eines Buchauszugs durch einen von ihm zu beauftragenden Steuerberater vornehmen zu lassen. Zugleich verpflichtete das LG A die Drittschuldnerin, 12.960 € als Vorauszahlung für die Kosten der Beauftragung eines Steuerberaters an den Schuldner zu zahlen.

Auf Antrag der Gläubigerin pfändete das AG - Vollstreckungsgericht - mit Beschluss vom 31.7.2013 "sämtliche Ansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldnerin aus dem Beschluss des LG A vom 10.5.2013, insbesondere der Anspruch des Schuldners auf Zahlung von 12.960 € als Vorauszahlung der für die Erstellung des Buchauszuges voraussichtlich anfallenden Kosten" gepfändet. Das AG wies die gegen diesen Beschluss gerichtete Erinnerung des Schuldners zurück. Auf die vom Schuldner gegen den Zurückweisungsbeschluss eingelegte sofortige Beschwerde hob das LG den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des AG auf, soweit dieser den Anspruch auf Zahlung von 12.960 € als Vorauszahlung für die Erstellung des Buchauszuges betrifft. Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Im Ergebnis zutreffend hat das LG die Pfändbarkeit des Vorauszahlungsanspruches verneint. Der Anspruch auf Erteilung des Buchauszugs nach § 87c Abs. 2 HGB und der darauf beruhende Anspruch auf Vorauszahlung aus § 887 Abs. 2 ZPO stellen Nebenrechte zum Provisionsanspruch des Schuldners dar, die nicht selbständig pfändbar sind. Die Beschlagnahme dieser Nebenrechte erfolgt vielmehr mit der Pfändung des Provisionsanspruchs.

Die mit einer Pfändung verbundene Beschlagnahme erstreckt sich ohne weiteres auf alle Nebenrechte, die im Fall einer Abtretung nach §§ 401, 412 BGB mit auf den neuen Gläubiger übergehen; einer gesonderten Neben- und Hilfspfändung bedarf es dazu nicht. Der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs stellt zum Provisionsanspruch des Handelsvertreters aus § 87 HGB einen solchen unselbständigen Nebenanspruch dar. Die vorstehenden Erwägungen gelten entsprechend für den nach § 887 Abs. 2 ZPO ausgeurteilten Vorauszahlungsanspruch zur Deckung der Kosten des zu beauftragenden Steuerberaters.

Aus dem Umstand, dass sich der Schuldner nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts ausschließlich gegen die Pfändung und Überweisung des Vorauszahlungsanspruchs, aber nicht gegen eine Pfändung der Ermächtigung zur Selbstvornahme der Erstellung des Buchauszugs gewandt hat, folgt nichts anderes. Damit geht kein Auseinanderfallen der Verfügungsbefugnis einerseits zur Selbstvornahme und andererseits zum Vorauszahlungsanspruch einher. Denn eine isolierte Pfändung des Rechts auf Selbstvornahme der Erstellung des Buchauszugs ist nicht nur rechtswidrig, sondern nichtig, und kann deshalb unabhängig von einer gerichtlichen Aufhebung keine Wirkungen entfalten.

Die Nichtigkeit eines Pfändungsbeschlusses setzt voraus, dass ein schwerer und bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundiger Fehler gegeben ist. Offenkundig ist ein Fehler, wenn für einen mit den Umständen vertrauten, verständigen Beobachter die schwere Fehlerhaftigkeit ohne weiteres ersichtlich ist. Auf dieser Grundlage ist die isolierte Pfändung des Rechtes aus § 887 Abs. 1 ZPO i.V.m. dem Anspruch des Handelsvertreters aus § 87c Abs. 2 HGB nichtig. Diese Rechte sind als unselbständige Nebenrechte untrennbar mit dem Provisionsanspruch verbunden und können nicht unabhängig von diesem geltend gemacht werden. Werden diese Rechte gleichwohl isoliert gepfändet, liegt darin ein schwerer Fehler, der für einen mit den Umständen vertrauten, verständigen Beobachter ohne weiteres ersichtlich ist.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BGH online
Zurück