04.09.2014

Italienische Regelung zur Mindestgrenze für Preise im Güterkraftverkehr verstößt gegen Unionsrecht

Die italienische Regelung, nach der die Preise im Güterkraftverkehr nicht unter den Mindestbetriebskosten liegen dürfen, verstößt gegen das Unionsrecht. Die Geltung eines solchen Mindestpreises ist geeignet, den Wettbewerb im Binnenmarkt zu beschränken.

EuGH 4.9.2014, C-184/13 u.a.
Der Sachverhalt:
Die italienische Regelung für den Straßengüterverkehr sieht vor, dass das vom Auftraggeber geschuldete Entgelt nicht unter den Mindestbetriebskosten des Kraftverkehrsunternehmens liegen darf. Diese umfassen die durchschnittlichen Kraftstoffkosten pro zurückgelegten Kilometer und die Betriebskosten des Kraftverkehrsunternehmens. Die Mindestkosten werden im Rahmen von Vereinbarungen der Branche festgelegt, die von Verbänden der Kraftverkehrsunternehmen und von Verbänden der Nutzer von Beförderungsleistungen getroffen werden.

Im streitgegenständlichen Zeitraum war, falls keine Vereinbarung erzielt wurde, die Beobachtungsstelle für den Straßenverkehr, die sich aus Vertretern des Staates, Verbänden von Kraftverkehrsunternehmen und Verbänden von Nutzern von Beförderungsleistungen zusammensetzt, dafür zuständig, diese Mindestkosten festzulegen. Sie erließ im Jahr 2011 zur Festlegung der Mindestbetriebskosten eine Reihe von Tabellen. Eine italienische Erdölgesellschaft, erhob bei dem zuständigen italienischen Gericht Klage auf Nichtigerklärung der von der Beobachtungsstelle erlassenen Maßnahmen betreffend Mindestbetriebskosten.

Das Gericht möchte vom EuGH im Wege des Vorabentscheidungsersuchens wissen, ob die fragliche italienische Regelung mit den Grundsätzen der Wettbewerbsfreiheit, der Freizügigkeit der Unternehmen, der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs vereinbar ist.

Die Gründe:
Die in Rede stehende italienische Regelung verstößt gegen das Unionsrecht.

Für die Mitgliedstaaten sind die Vorschriften des AEU-Vertrags über verbotene Vereinbarungen zwischen Unternehmen zwar nicht verbindlich. Es besteht für sie allerdings eine Pflicht zur Zusammenarbeit mit der EU, so dass sie keine Maßnahmen ergreifen dürfen, die die praktische Wirksamkeit dieser Vorschriften aufheben könnten. Letztere sind verletzt, wenn ein Mitgliedstaat verbotene Kartellabsprachen vorschreibt oder erleichtert oder die Auswirkungen solcher Absprachen verstärkt oder wenn er seiner eigenen Regelung dadurch ihren staatlichen Charakter nimmt, dass er die Verantwortung für in die Wirtschaft eingreifende Entscheidungen privaten Wirtschaftsteilnehmern überträgt.

Die Beobachtungsstelle für den Straßenverkehr, die sich mehrheitlich aus Vertretern der Berufsverbände zusammensetzt und im ausschließlichen Interesse der Verbände handeln darf, ist als Unternehmensvereinigung anzusehen, die unmittelbar den Wettbewerbsregeln unterliegt. Die Festlegung von Mindestbetriebskosten verwehrt es den Unternehmen, Tarife festzulegen, die unter diesen Kosten liegen. Die italienische Regelung ist deshalb dadurch, dass sie die Freiheit der Wirtschaftsteilnehmer einschränkt, die Preise für Dienstleistungen im Straßengüterverkehr festzulegen, geeignet, den Wettbewerb im Binnenmarkt zu beeinträchtigen.

Die Festlegung von Mindestbetriebskosten ist nicht geeignet, die Verwirklichung des im vorliegenden Fall von Italien zur Rechtfertigung der Wettbewerbsbeschränkung geltend gemachten legitimen Ziels (die Sicherheit im Straßenverkehr) zu gewährleisten - und zwar weder direkt noch indirekt. Die nationale Regelung bezieht sich ganz allgemein auf die Straßenverkehrssicherheit, ohne zwischen dieser und den Mindestbetriebskosten irgendeinen Zusammenhang herzustellen. Außerdem geht die fragliche Maßnahme über das hinaus, was erforderlich ist, um die Straßenverkehrssicherheit zu verbessern.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 118 vom 4.9.2014
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