Jahrhunderthochwasser 2021: Hausratversicherer muss Mietkosten für Wohnmobil übernehmen
OLG Köln v. 5.12.2023 - 9 U 46/23
Der Sachverhalt:
Die Kläger unterhalten bei der Beklagten eine Hausratversicherung für das auf ihrem Grundstück stehende Wohn- und Geschäftshaus. Der Hausratsicherung, die mit der Produktvariante "Premium" vereinbart worden war, lagen die "Vertragsbestimmungen zur UT. FD. Versicherung (HUS SFB 18 2018-4)" zugrunde, deren Bestandteil die "Allgemeinen Hausratversicherungsbedingungen Grunddeckung Basis (VHB 2014)" sind. Die Beklagte ist zugleich Gebäudeversicherer bezüglich der auf dem Grundstück stehenden Gebäude.
Am 15.7.2021 überflutete das Wohngebäude infolge des Jahrhunderthochwassers. Nach dem Vorfall lebten die Kläger mit Kleinkind und Hund zunächst einige Zeit in einem Ferienhaus in Spanien. Danach wohnten sie kurzzeitig wieder im Wohnhaus, bis sie wegen gefährlichen Schimmelbefalls wieder ausziehen mussten. Mit E-Mail vom 20.9.2021 teilte die Beklagte den Klägern mit, sie würde versicherte Hotelkosten - oder die Kosten einer vergleichbaren Unterkunft - auf Nachweis erstatten oder bei Vorlage entsprechender Angebote auch ohne Nachweis mit einem Abschlag, wobei sich der Zahlbetrag nicht nach der Versicherungssumme, sondern den Kosten einer adäquaten Unterbringung bemessen würde.
Am 9.12.2021 übersandten die Kläger der Beklagten ein Angebot über die Anmietung eines Wohnmobils für ein Jahr zum Tagesmietpreis von 260 € nebst Umsatzsteuer. Am 14.12.2021 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten ab. Sie war der Ansicht, die Kosten für die Anmietung eines Wohnmobils seien keine versicherten Kosten i.S.v. § 8 Nr. 1 c VHB 2014. Anders als bei einem Hotel stehe bei der Anmietung eines Wohnmobils die Verschaffung einer Reisemöglichkeit im Vordergrund. Die Kläger schlossen gleichwohl einen Jahresmietvertrag bezüglich des Wohnmobils ab. Einen Wohnwagen als Unterkunft hätten sie nicht anmieten können, weil der Markt "leergefegt" gewesen sei.
Das LG wies die auf Erstattung der Kosten für das Wohnmobil gerichtete Klage ab. Auf die Berufung der Kläger hat das OLG die Entscheidung abgeändert und der Klage weitestgehend stattgegeben.
Die Gründe:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 86.400 € sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 2.995 € zu zahlen. Die Auslegung des Begriffs "Hotelkosten" i.S.v. Abschnitt A. § 8 Nr. 1 c) VHB 2014 durch das LG war zu eng und damit unzutreffend.
Der Senat verkennt dabei nicht, dass ein Wohnmobil gerade durch die Motorisierung deutlich teurer ist als ein Wohnwagen. Darauf kommt es im Rahmen der Erstattung der Unterbringungskosten aber nicht an. Denn der Versicherungsnehmer muss keine dem Wohnungsstandard entsprechende Unterkunft finden. Er ist in der Wahl der Unterkunft grundsätzlich frei und darf sich dabei von persönlichen Bedürfnissen und privaten Befindlichkeiten leiten lassen. Bis zur Höhe der vertraglich vereinbarten Grenzen besteht der zugesagte Versicherungsschutz, Danach sind Kosten für die Anmietung eines Wohnmobils als Kosten einer ähnlichen Unterbringung wie Hotelkosten grundsätzlich nach Abschnitt A. § 8 Nr. 1 c VHB 2014 erstattungsfähig.
Als weitere Voraussetzung für einen Anspruch auf Übernahme der Unterbringungskosten sieht Abschnitt A. § 8 Nr. 1 c) VHB 2014 vor, dass die dauerhaft bewohnte Wohnung unbewohnbar und dem Versicherungsnehmer die Beschränkung auf einen bewohnbaren Teil nicht zumutbar ist. Die Unzumutbarkeit ist anhand von subjektiven Kriterien, nämlich den Besonderheiten des Versicherungsnehmers zu beurteilen. Doch selbst wenn die Kläger nach ihrer Rückkehr aus Spanien zunächst im Wohnhaus gewohnt hatten, war ihnen spätestens im Herbst und nach Vorlage des mikrobiologischen Gutachtens nicht mehr zumutbar, im nicht beheizbaren, feuchten Haus mit ihrem Kleinkind zu wohnen. Überdies hatten die Kläger die Sorge, dass die Statik des Hauses nicht gewährleistet ist, was ein Statiker bestätigt hat.
Der weitere Vorwurf der Beklagten, die Kläger hätten mit dem Wohnmobil eine zu teure Unterkunft angemietet, vermochte eine Obliegenheitsverletzung zur Schadensminderung schon objektiv nicht zu begründen. Der Vorwurf, die Kläger hätten ihrer Schadensminderungsobliegenheit nicht genügt, weil sie das Wohnmobil nicht gleich gekauft hätten, griff ebenfalls nicht. Denn einen solchen Erwerb hätten die Kläger selbst finanzieren müssen, ohne die Chance auf Erstattung des Verlustes bei einem Wiederverkauf zu haben.
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Aufsatz:
Fortschritt oder Fehlentwicklung im europäischen Versicherungsrecht?
Peter Präve, VersR 2023, 1075
VERSR0057216
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Justiz NRW
Die Kläger unterhalten bei der Beklagten eine Hausratversicherung für das auf ihrem Grundstück stehende Wohn- und Geschäftshaus. Der Hausratsicherung, die mit der Produktvariante "Premium" vereinbart worden war, lagen die "Vertragsbestimmungen zur UT. FD. Versicherung (HUS SFB 18 2018-4)" zugrunde, deren Bestandteil die "Allgemeinen Hausratversicherungsbedingungen Grunddeckung Basis (VHB 2014)" sind. Die Beklagte ist zugleich Gebäudeversicherer bezüglich der auf dem Grundstück stehenden Gebäude.
Am 15.7.2021 überflutete das Wohngebäude infolge des Jahrhunderthochwassers. Nach dem Vorfall lebten die Kläger mit Kleinkind und Hund zunächst einige Zeit in einem Ferienhaus in Spanien. Danach wohnten sie kurzzeitig wieder im Wohnhaus, bis sie wegen gefährlichen Schimmelbefalls wieder ausziehen mussten. Mit E-Mail vom 20.9.2021 teilte die Beklagte den Klägern mit, sie würde versicherte Hotelkosten - oder die Kosten einer vergleichbaren Unterkunft - auf Nachweis erstatten oder bei Vorlage entsprechender Angebote auch ohne Nachweis mit einem Abschlag, wobei sich der Zahlbetrag nicht nach der Versicherungssumme, sondern den Kosten einer adäquaten Unterbringung bemessen würde.
Am 9.12.2021 übersandten die Kläger der Beklagten ein Angebot über die Anmietung eines Wohnmobils für ein Jahr zum Tagesmietpreis von 260 € nebst Umsatzsteuer. Am 14.12.2021 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten ab. Sie war der Ansicht, die Kosten für die Anmietung eines Wohnmobils seien keine versicherten Kosten i.S.v. § 8 Nr. 1 c VHB 2014. Anders als bei einem Hotel stehe bei der Anmietung eines Wohnmobils die Verschaffung einer Reisemöglichkeit im Vordergrund. Die Kläger schlossen gleichwohl einen Jahresmietvertrag bezüglich des Wohnmobils ab. Einen Wohnwagen als Unterkunft hätten sie nicht anmieten können, weil der Markt "leergefegt" gewesen sei.
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Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 86.400 € sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 2.995 € zu zahlen. Die Auslegung des Begriffs "Hotelkosten" i.S.v. Abschnitt A. § 8 Nr. 1 c) VHB 2014 durch das LG war zu eng und damit unzutreffend.
Der Senat verkennt dabei nicht, dass ein Wohnmobil gerade durch die Motorisierung deutlich teurer ist als ein Wohnwagen. Darauf kommt es im Rahmen der Erstattung der Unterbringungskosten aber nicht an. Denn der Versicherungsnehmer muss keine dem Wohnungsstandard entsprechende Unterkunft finden. Er ist in der Wahl der Unterkunft grundsätzlich frei und darf sich dabei von persönlichen Bedürfnissen und privaten Befindlichkeiten leiten lassen. Bis zur Höhe der vertraglich vereinbarten Grenzen besteht der zugesagte Versicherungsschutz, Danach sind Kosten für die Anmietung eines Wohnmobils als Kosten einer ähnlichen Unterbringung wie Hotelkosten grundsätzlich nach Abschnitt A. § 8 Nr. 1 c VHB 2014 erstattungsfähig.
Als weitere Voraussetzung für einen Anspruch auf Übernahme der Unterbringungskosten sieht Abschnitt A. § 8 Nr. 1 c) VHB 2014 vor, dass die dauerhaft bewohnte Wohnung unbewohnbar und dem Versicherungsnehmer die Beschränkung auf einen bewohnbaren Teil nicht zumutbar ist. Die Unzumutbarkeit ist anhand von subjektiven Kriterien, nämlich den Besonderheiten des Versicherungsnehmers zu beurteilen. Doch selbst wenn die Kläger nach ihrer Rückkehr aus Spanien zunächst im Wohnhaus gewohnt hatten, war ihnen spätestens im Herbst und nach Vorlage des mikrobiologischen Gutachtens nicht mehr zumutbar, im nicht beheizbaren, feuchten Haus mit ihrem Kleinkind zu wohnen. Überdies hatten die Kläger die Sorge, dass die Statik des Hauses nicht gewährleistet ist, was ein Statiker bestätigt hat.
Der weitere Vorwurf der Beklagten, die Kläger hätten mit dem Wohnmobil eine zu teure Unterkunft angemietet, vermochte eine Obliegenheitsverletzung zur Schadensminderung schon objektiv nicht zu begründen. Der Vorwurf, die Kläger hätten ihrer Schadensminderungsobliegenheit nicht genügt, weil sie das Wohnmobil nicht gleich gekauft hätten, griff ebenfalls nicht. Denn einen solchen Erwerb hätten die Kläger selbst finanzieren müssen, ohne die Chance auf Erstattung des Verlustes bei einem Wiederverkauf zu haben.
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