Journalist muss Tonbänder der Interviews mit Bundeskanzler a. D. Dr. Helmut Kohl herausgeben
OLG Köln 1.8.2014, 6 U 20/14Kläger war der ehemalige Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl. Der Beklagte sollte als "Ghostwriter" die Biographie des Klägers verfassen. Zu diesem Zweck führte er umfangreiche Gespräche mit dem Kläger, die auf Tonband aufgezeichnet wurden. Aus dem zwischen den Parteien und dem Verlag geschlossenen Vertragswerk folgte, dass die Entscheidungsbefugnis über den Inhalt der Aufzeichnungen und ihre Verwendung letztlich allein beim Kläger liegen sollte. Zudem gab es vertragliche Vereinbarungen zu den Urheberrechten, wonach diese so weit wie möglich dem Kläger zugeordnet werden sollten. Letztlich durfte der Kläger den Vertrag auch ohne Angabe von Gründen jederzeit kündigen.
Nachdem der Kläger die Zusammenarbeit mit dem Beklagten beendet hatte, verlangte er die Herausgabe der besprochenen Tonbänder. Der Beklagte war damit allerdings nicht einverstanden. Er berief sich auf eine angebliche Zusage des Klägers, er dürfe die Tonbänder nach dessen Tod veröffentlichen.
Das LG gab der Klage statt. Es war der Ansicht, dass nach Beendigung des Auftragsverhältnisses über die Aufzeichnung der Lebenserinnerungen des Klägers der Beklagte verpflichtet sei, alles, was er zur Ausführung des Auftrages erhalten und erlangt habe, an den Kläger herauszugeben. Dazu gehörten auch die Tonbänder. Infolgedessen gab der Beklagte zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung 200 Tonbänder an den Gerichtsvollzieher heraus.
Die Berufung des Beklagten blieb vor dem OLG erfolglos. Allerdings wurde die Revision zum BGH zugelassen.
Die Gründe:
Der Kläger hat einen Anspruch auf Herausgabe der Tonbänder, weil er durch die Aufzeichnung seiner Stimme Eigentum an den Tonbändern erlangt hatte. Insofern konnte offenbleiben, ob die Begründung des LG zutraf. Zwar sprach viel dafür, dass aus dem Vertragswerk ein Herausgabeanspruch folgte; es wäre allerdings zu prüfen gewesen, ob ein solcher Anspruch unmittelbar dem Kläger oder nicht zunächst dem Verlag als dem direkten Vertragspartner des Beklagten zustünde.
Nach § 950 BGB erwirbt auf jeden Fall derjenige, der durch Verarbeitung eine neue bewegliche Sache herstellt, das Eigentum daran, sofern nicht der Wert der Verarbeitung erheblich geringer ist als der Wert des verarbeiteten Stoffes. Als Verarbeitung gilt dabei u.a. auch das Schreiben oder Malen. Damit waren auch die Tonbandaufnahmen im vorliegenden Fall vergleichbar. Nach der maßgeblichen Verkehrsauffassung wird jedenfalls dann eine "neue Sache" hergestellt, wenn die Aufzeichnungen für eine längerfristige Nutzung bestimmt sind.
Maßgeblich für die Bestimmung der Person des Herstellers ist, in wessen Namen und wirtschaftlichem Interesse die Herstellung erfolgte. Dies war hier der Kläger, da die Tonbandaufzeichnungen nach den in der Berufungsinstanz nicht beanstandeten Feststellungen des LG allein als Materialsammlung für die Vorbereitung des Manuskripts seiner Memoiren gedient hatten. Aus dem zwischen den Parteien und dem Verlag geschlossenen Vertragswerk folgte, dass die Entscheidungsbefugnis über den Inhalt der Aufzeichnungen und ihre Verwendung letztlich allein beim Kläger liegen sollte. Somit war die Situation nicht mit einem Interview vergleichbar, das ein Journalist zum Zwecke der Berichterstattung zu einem tagesaktuellen Geschehen führt. Auch die vertraglichen Vereinbarungen zu den Urheberrechten, nach denen diese so weit wie möglich dem Kläger zugeordnet werden sollten, sowie das jederzeitige Kündigungsrecht des Klägers sprachen dafür, diesen als Hersteller der Tonbänder anzusehen.
Ein Recht zum Besitz stand dem Beklagten nicht zu. Insbesondere konnte er sich nicht auf eine - angebliche - Zusage des Klägers, er dürfe die Tonbänder nach dessen Tod veröffentlichen, berufen. Sollte es eine solche Zusage gegeben haben, wäre ihr mit der vorzeitigen Beendigung der Zusammenarbeit der Parteien die Grundlage entzogen worden. Denn der Kläger war berechtigt, jederzeit und ohne Angaben von Gründen die Zusammenarbeit mit dem Beklagten zu beenden. Dies zeigte, dass Grundlage der Zusammenarbeit allein das Vertrauensverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten gewesen war. Dadurch, dass das Vertrauen des Klägers in den Beklagten entfallen war, war auch die Grundlage für eine etwaige Zusage entfallen. Diese konnte dem Beklagten daher keine über die seinerzeit geschlossenen Verträge hinausgehenden Rechte verschaffen.