KapMuG: Prospektfehler beim sog. "dritten Börsengang" der Deutschen Telekom AG
BGH 21.10.2014, XI ZB 12/12Gegenstand des neu geschaffenen Kapitalanleger-Musterverfahrens im vorliegenden Fall war die Frage der (Un-)Richtigkeit des anlässlich des sog. "dritten Börsenganges" der Deutschen Telekom AG herausgegebenen Verkaufsprospektes. Im Jahr 2000 hatte die Deutsche Telekom AG auf Grundlage dieses Prospektes 230 Mio. bereits zum Börsenhandel zugelassene Stückaktien aus dem Bestand der KfW öffentlich zum Verkauf angeboten. Nachdem der Kurs der Aktien stark gefallen war, kam es ab 2001 zu zahlreichen Klagen gegen die Deutsche Telekom AG, die KfW, die Bundesrepublik Deutschland und einen Teil der Konsortialbanken.
Im Musterverfahren vor dem OLG Frankfurt a.M. hatten der Musterkläger und die auf seiner Seite Beigeladenen eine Vielzahl von Prospektfehlern geltend gemacht. Die Deutsche Telekom AG als Musterbeklagte hatte das Vorliegen eines Prospektfehlers in Abrede gestellt und sich u.a. auch auf Verjährung berufen. Das OLG stellte in seiner Entscheidung vom 16.5.2012 keinen Prospektfehler fest. Feststellungen traf es dabei lediglich zu Teilaspekten wie zur Prospektverantwortlichkeit der Musterbeklagten und zu Verjährungsfragen. Im Übrigen wies es die Feststellungsanträge beider Seiten zurück.
Auf die Rechtsbeschwerden des Musterklägers und der auf seiner Seite Beigeladenen hob der BGH den Musterentscheid in einem zentralen Punkt auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung über noch offene - verallgemeinerungsfähige - Folgefragen zur Kausalität und zum Verschulden an das OLG zurück.
Die Gründe:
Hinsichtlich der Vorgänge um die konzerninterne Übertragung der ursprünglich von der Musterbeklagten gehaltenen Aktien des US-amerikanischen Telekommunikationsunternehmens Sprint Corporation (Sprint) konnte durchaus von einem Prospektfehler ausgegangen werden.
Zwar war das OLG zutreffend davon ausgegangen, dass sich die geltend gemachten Prospekthaftungsansprüche nach der spezialgesetzlichen Prospekthaftung gem. § 13 VerkProspG a.F. i.V.m. § 45 BörsG a.F. analog richten. Rechtsfehlerhaft hatte es jedoch einen Prospektfehler verneint, soweit im Prospekt ausgeführt war, die Musterbeklagte habe im Jahr 1999 auf Grund des konzerninternen Verkaufs ihrer Anteile an Sprint einen Buchgewinn von 8,2 Mrd. € realisieren können. Denn insoweit war der Prospekt objektiv falsch.
Selbst für einen bilanzkundigen Anleger war bei der gebotenen sorgfältigen und eingehenden Lektüre des gesamten Prospekts nicht ersichtlich, dass die Musterbeklagte die Sprint-Aktien nicht - wie im Prospekt dargestellt - verkauft, sondern im Wege der Sacheinlage auf ihre 100%-ige Konzerntochter, die NAB Nordamerika Beteiligungs Holding GmbH (NAB), übertragen hatte (sog. Umhängung). Der Prospekt zeigte damit nicht wie geboten auf, dass die Musterbeklagte trotz Übertragung der Aktien innerhalb des Konzerns weiterhin das volle Risiko eines Kursverlustes der Sprint-Aktien mit allen dividendenrelevanten Abschreibungsrisiken trug. Im Prospekt hätte vielmehr dargelegt werden müssen, dass der Beteiligungsbuchwert der Musterbeklagten an der NAB in Folge der Umhängung um 9,8 Mrd. € gestiegen war. Nur so wäre erkennbar gewesen, dass der Beteiligungsbuchwert im Falle eines Kursverlustes der Sprint-Aktien in derselben Höhe sinken würde und deshalb eine Sonderabschreibung in Höhe des kompletten Kursverlusts - wie hier i.H.v. 6,653 Mrd. € - vorgenommen werden müsste, was wiederum unmittelbaren Einfluss auf den Bilanzgewinn der Musterbeklagten in künftigen Geschäftsjahren und damit die Dividendenerwartung der mit dem Prospekt angesprochenen Anleger haben würde.
Das alles gab der Prospekt aber nicht her. Nirgendwo wurden die NAB, ihre Rechtsform, ihre Geschäftstätigkeit als Holding, die Ende des Geschäftsjahres 1999 das gesamte Aktienpaket an Sprint hielt, und die wesentliche Beteiligung der Musterbeklagten an der NAB erwähnt. Ganz im Gegenteil wurde im Konzernanhang des Prospektes unter der Überschrift "Wesentliche Beteiligungen" der Kapitalanteil der Musterbeklagten an Sprint-FON mit 10,99 % und an Sprint-PCS mit 11,28 % - jeweils bezogen auf das Geschäftsjahr 1998 - angegeben. Daraus konnte selbst ein bilanzkundiger Anleger die tatsächlichen Beteiligungsverhältnisse im Jahr 1999 und die sich daraus ergebenden Risiken nicht ableiten.
Damit stand das Vorliegen eines Prospektfehlers für sämtliche Ausgangsverfahren bindend fest. Allerdings konnte noch nicht abschließend entschieden werden, ob die Deutsche Telekom AG auf Grund des festgestellten Prospektfehlers dem Grunde nach tatsächlich zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet ist. Zu den weiteren - verallgemeinerungsfähigen - haftungsbegründenden Voraussetzungen, wie zur Kausalität und zum Verschulden (§ 46 BörsG a.F.), hatte das OLG - von seinem rechtlichen Standpunkt aus folgerichtig - bislang keine Feststellungen getroffen. Dies muss es nun nachholen.
Die weitergehenden Angriffe der wechselseitigen Rechtsbeschwerden gegen den Musterentscheid hatten mit Ausnahme von Nebenpunkten zur Verjährung keinen Erfolg. Insbesondere hat das OLG aufgrund einer umfassenden tatrichterlicher Würdigung rechtsfehlerfrei entschieden, dass der Wert des Immobilienvermögens der Musterbeklagten mit mehr als 12.000 Grundstücken und ca. 32.000 baulichen Anlagen im Prospekt nicht wesentlich zu hoch angegeben worden war.
Linkhinweise:
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