13.05.2013

Kartell-Geldbuße gegen italienische (Mutter-)Gesellschaft Eni SpA bestätigt

Hält eine Muttergesellschaft (nahezu) das gesamte Kapital ihrer Tochtergesellschaft, die gegen die Wettbewerbsregeln der Union verstoßen hat, besteht eine widerlegbare Vermutung, dass die Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf ihre Tochtergesellschaft ausübt. Hinsichtlich des Kartells auf den Märkten für synthetische Kautschuke hat der EuGH in diesem Zusammenhang die vom EuG gegen die italienische Gesellschaft Eni SpA verhängte Geldbuße i.H.v. 181,5 Mio. € bestätigt.

EuGH 8.5.2013, C-508/11 P
Der Sachverhalt:
Die Kommission verhängte Geldbußen i.H.v. insgesamt 519 Mio. € gegen 13 Unternehmen wegen Beteiligung an einem zwischen 1996 und 2002 bestehendem Kartell auf dem Markt für synthetische Kautschuke, die in der Reifenproduktion oder etwa zur Herstellung von Bodenbelägen und Golfbällen verwendet werden. Die Zuwiderhandlung bestand in der Festlegung von Preiszielen, der Aufteilung von Kunden durch Nichtangriffsvereinbarungen und dem Austausch sensibler Geschäftsinformationen über Preise, Wettbewerber und Kunden.

Insbes. bei der italienischen Gesellschaft Eni SpA und deren 100-prozentiger Tochtergesellschaft Polimeri Europa SpA (später Versalis SpA) erhöhte die Kommission aufgrund ihrer Beteiligung an zwei früheren Kartellen den Grundbetrag ihrer Geldbuße wegen Tatwiederholung um 50 Prozent auf insgesamt 272,25 Mio. €. Die betroffenen Unternehmen klagten daraufhin auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission bzw. Herabsetzung ihrer jeweiligen Geldbuße.

Das EuG erklärte die Entscheidung für nichtig, soweit sie Unipetrol, deren Tochtergesellschaft Kaučuk und Trade-Stomil betrifft. Zu Eni und deren Tochtergesellschaft Polimeri Europa stellte das EuG fest, dass die Entwicklung der Struktur und der Kontrolle der betroffenen Unternehmen besonders komplex sei und dass die Kommission nicht nachgewiesen habe, dass dieselben Unternehmen erneut eine Zuwiderhandlung begangen hätten. Es setzte daher die gesamtschuldnerisch verhängte Geldbuße auf 181,50 Mio. € herab.

Mit seinem hiergegen gerichteten Rechtsmittel macht Eni geltend, dass das EuG die Kommissionsentscheidung insoweit hätte für nichtig erklären müssen, als sie darin für die von der Syndial SpA (vormals EniChem SpA, eine weitere Gesellschaft des Eni-Konzerns) und/oder Versalis begangene Zuwiderhandlung verantwortlich gemacht worden sei. Der EuGH wies das Rechtsmittel zurück.

Die Gründe:
Nach ständiger Rechtsprechung kann im Rahmen der Anwendung der Wettbewerbsregeln das Verhalten einer Tochtergesellschaft ihrer Muttergesellschaft insbes. dann zugerechnet werden, wenn die Tochtergesellschaft trotz eigener Rechtspersönlichkeit ihr Marktverhalten nicht eigenständig bestimmt, sondern im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt. In dem besonderen Fall, dass eine Muttergesellschaft das gesamte oder nahezu das gesamte Kapital ihrer Tochtergesellschaft hält, die gegen die Wettbewerbsregeln der Union verstoßen hat, besteht eine widerlegbare Vermutung, dass die Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf ihre Tochtergesellschaft ausübt.

Vorliegend hielt Eni über die gesamte Dauer der Zuwiderhandlung unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 99,97 % das Kapital der Gesellschaften, die unmittelbar in den entsprechenden Geschäftsbereichen tätig waren. Die Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft bilden ein einziges Unternehmen; daher konnte die Kommission der Muttergesellschaft Geldbußen auferlegen, ohne dass deren persönliche Beteiligung an der Zuwiderhandlung nachzuweisen wäre. Diese Vermutung eines tatsächlich bestimmenden Einflusses ist allerdings nicht unwiderlegbar. Um sie zu widerlegen, hätte Eni aber nachweisen müssen, dass Versalis auf operativer und finanzieller Ebene völlig eigenständig handeln konnte; dies hat sie jedoch nicht getan.

Auch das Vorbringen von Eni, dass sie aufgrund der beschränkten Haftung von Kapitalgesellschaften und der eigenständigen Rechtspersönlichkeit von Gesellschaften für die von ihren Tochtergesellschaften begangene Zuwiderhandlung nicht verantwortlich sei, war zurückzuweisen. Wie nämlich der ständigen Rechtsprechung zu entnehmen ist, stützt sich das Wettbewerbsrecht der Union auf den Begriff des Unternehmens als wirtschaftliche Einheit - selbst wenn diese aus mehreren natürlichen oder juristischen Personen gebildet wird -, die nach dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit für Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln einzustehen hat.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 58 vom 8.5.2013
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