Kartellbeteiligte können für höhere Preise von Wettbewerbern haften
EuGH 5.6.2014, C-557/12Das Unionsrecht verbietet wettbewerbswidrige Absprachen. In diesem Zusammenhang haften Unternehmen, die sich an einem Kartell beteiligen, für den Schaden, der Dritten durch diesen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht entstehen kann.
2007 verhängte die Kommission gegen die Gruppen Kone, Otis, Schindler und ThyssenKrupp Geldbußen von insgesamt 992 Mio. € wegen ihrer Teilnahme an Kartellen beim Einbau und bei der Wartung von Aufzügen und Fahrtreppen in Belgien, Deutschland, Luxemburg und den Niederlanden. 2008 verhängten auch die österreichischen Behörden Geldbußen gegen mehrere Unternehmen (darunter Kone, Otis und Schindler) wegen Bildung eines die genannten Produkte betreffenden Kartells auf dem österreichischen Markt. Das Kartell sollte den Beteiligten einen höheren als den unter normalen Wettbewerbsbedingungen erzielbaren Preis sichern.
Die ÖBB Infrastruktur AG (ÖBB), eine Tochtergesellschaft der österreichischen Bundesbahnen, kaufte Aufzüge und Fahrtreppen von nicht am Kartell beteiligten Unternehmen. Sie verlangt von den am österreichischen Kartell Beteiligten Schadensersatz i.H.v. rd. 1,84 Mio. €. Der Schaden soll sich daraus ergeben, dass die Lieferanten von ÖBB einen höheren Preis angesetzt hätten, als sie dies ohne das Kartell getan hätten.
Der mit dem Rechtsstreit befasste Oberste Gerichtshof möchte vom EuGH wissen, ob die Kartellbeteiligten für den von ÖBB geltend gemachten Schaden haftbar gemacht werden können. Nach österreichischem Recht ist ein Schadensersatz nämlich nicht möglich, weil der Schaden durch eine Entscheidung des nicht am Kartell beteiligten Lieferanten verursacht wurde, der rechtmäßig handelte.
Die Gründe:
Das Unionsrecht steht dem österreichischen Recht insoweit entgegen, als dieses für den Ersatz von Schäden, die durch ein Kartell entstehen, kategorisch und unabhängig von den speziellen Umständen des konkreten Falles verlangt, dass zwischen dem Geschädigten und den Kartellbeteiligten vertragliche Beziehungen bestehen.
Die praktische Wirksamkeit des Verbots wettbewerbswidriger Absprachen wäre beeinträchtigt, wenn der Einzelne nicht Ersatz des ihm durch einen Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln entstandenen Schadens verlangen könnte. Daher kann jedermann Ersatz des ihm entstandenen Schadens verlangen, wenn zwischen dem Schaden und dem fraglichen Kartell ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Ein Kartell kann zur Folge haben, dass Unternehmen, die ihm nicht angehören, ihre Preise an den durch das Kartell entstandenen Marktpreis anpassen, was den Kartellbeteiligten nicht verborgen bleiben kann. Der Marktpreis ist nämlich einer der wichtigsten Gesichtspunkte, die ein Unternehmen bei der Festsetzung des Preises berücksichtigt, zu dem es seine Waren oder Dienstleistungen anbietet.
Insoweit kann eine solche Entscheidung über die Festsetzung eines Angebotspreises, auch wenn sie als völlig autonome, auf der Ebene jedes Unternehmens, das dem Kartell nicht angehört, getroffene Entscheidung anzusehen ist, unter Heranziehung eines durch das Kartell verfälschten Marktpreises getroffen werden. Ist erwiesen, dass das Kartell nach den Umständen des konkreten Falles und insbes. den Besonderheiten des betreffenden Marktes eine Erhöhung der geltenden Preise durch nicht am Kartell beteiligte Wettbewerber zur Folge haben kann, müssen die durch diese Preissteigerung Geschädigten somit von den Kartellbeteiligten den Ersatz des ihnen entstandenen Schadens verlangen können.
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