30.11.2012

Kartellrecht: Stromversorger muss örtliche Stromnetze nicht an neu gegründete Stadtwerke herausgeben

Die Schleswig-Holstein Netz AG muss das ihr gehörende Stromversorgungsnetz in der Stadt Heiligenhafen nicht an die neu gegründeten Stadtwerke Heiligenhafen herausgeben. Seit dem Inkrafttreten des EnWG im Jahr 2005 ist bei der Neuausschreibung der Wegenutzungsrechte an öffentlichen Verkehrswegen für Leitungen ein Wettbewerb zu veranstalten; eine Stadt kann sich nicht "völlig frei und ungehindert" für einen Selbsteintritt in die Vergabe der Wegerechte entscheiden, weil dann gerade kein Wettbewerb stattfindet.

Schleswig-Holsteinisches OLG 22.11.2012, 16 U(Kart) 22/12
Der Sachverhalt:
Die beklagte Schleswig-Holstein Netz AG ist Eigentümerin und Betreiberin des Stromversorgungsnetzes in der klagenden Stadt Heiligenhafen. Sie hatte einen zwanzigjährigen Wegenutzungsvertrag mit der Stadt, der ihr gestattete Stromversorgungsanlagen auf und unter den öffentlichen Wegen im Stadtgebiet zu betreiben. Als der Vertrag nach zwanzig Jahren auslief, schrieb die Stadt die Vergabe der Wegerechte neu aus. Die Schleswig-Holstein Netz AG und ein weiteres Unternehmen gaben Vertragsangebote ab.

Die Stadt teilte im Anschluss mit, keinen der Bewerber nehmen zu wollen, sie beabsichtige vielmehr, eigene Stadtwerke zu gründen und diese das Stromverteilungsnetz betreiben zu lassen. Unter Berufung auf die Vorschrift des § 46 Abs. 2 EnWG und den alten Wegenutzungsvertrag verlangte sie als neues Energieversorgungsunternehmen die Übertragung des Eigentums am örtlichen Stromversorgungsnetz gegen Erstattung des Ertragswerts. Die Stadt ist der Ansicht, dass sie völlig frei darüber habe entscheiden dürfen, welcher Partner fortan für die Energieversorgung zuständig sein solle.

Das OLG wies die Klage ab.

Die Gründe:
Die Stadt hat keinen Anspruch auf Übertragung des Eigentums am örtlichen Stromversorgungsnetz.

Die Vergabe der Wegerechte an sich selbst, bzw. an die neu gegründeten Stadtwerke, verstößt gegen die Vorschriften des Kartellrechts und ist deshalb nichtig (§ 46 Abs. 3 EnWG und § 20 GWB). v

Bei der Auswahlentscheidung sind in erster Linie das Niveau der erreichten Netzentgelte und die Effizienz des Netzbetreibers maßgeblich. Hinzu kommen Qualitätskriterien wie etwa die Umweltverträglichkeit und die Sicherung des störungsfreien Netzbetriebs. Vorliegend hat sich die Stadt bei ihrer Auswahlentscheidung nicht an diesen Kriterien orientiert. Der Grund für die Vergabe der Wegerechte an eigene Stadtwerke war allein eine unter dem Stichwort Rekommunalisierung firmierende politische Entscheidung.

Schleswig-Holsteinisches OLG PM Nr. 20 vom 28.11.2012
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