18.01.2017

Kein derivativer Erzeugnisschutz für einen mittels patentgeschützten Verfahren gewonnenen Untersuchungsbefund

Eine Datenfolge kommt nur dann als durch ein patentgeschütztes Verfahren unmittelbar hergestelltes Erzeugnis in Betracht, wenn sie sachlich-technische Eigenschaften aufweist, die ihr durch das Verfahren aufgeprägt worden sind, und sie daher ihrer Art nach tauglicher Gegenstand eines Sachpatents sein kann. Die Darstellung eines mittels eines patentgeschützten Verfahrens gewonnenen Untersuchungsbefunds und hieraus gewonnener Erkenntnisse stellt als Wiedergabe von Informationen kein Erzeugnis dar, das Schutz nach § 9 S. 2 Nr. 3 PatG genießen kann (Rezeptortyrosinkinase II).

BGH 27.9.2016, X ZR 124/15
Der Sachverhalt:
Die Klägerin, die ein Diagnoselabor betreibt, machte Ansprüche wegen Verletzung des mit Wirkung für Deutschland erteilten europäischen Patents 959 132 geltend. Sie ist eine Tochtergesellschaft der I-Inc., die Inhaberin einer ausschließlichen Lizenz an dem Klagepatent ist und die Klägerin zur gerichtlichen Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen ermächtigt und ihr ihre Ansprüche auf Auskunft, Rechnungslegung und Schadensersatz abgetreten hat.

Das Klagepatent, dessen Inhaberin die T-Inc. ist, betrifft, wie im Senatsurteil vom 19.1.2016 (Az.: X ZR 141/13 - Rezeptortyrosinkinase) erläutert, das technische Problem, eine für das FLT3-Gen codierende Nukleinsäure, die aufgrund genetischer Veränderungen als Marker bei der Diagnose leukämischer Erkrankungen verwendet werden kann, sowie ein Verfahren zum Nachweis dieser Nukleinsäure zur Verfügung zu stellen. Das Patentgericht hatte das Streitpatent teilweise für nichtig erklärt. Der BGH hat die Entscheidung abgeändert und festgestellt, dass

eine Lehre zum technischen Handeln, die die Nutzung einer Entdeckung zur Herbeiführung eines bestimmten Erfolgs lehrt, dem Patentschutz unabhängig davon zugänglich ist, ob die Lehre über die zweckgerichtete Nutzung des aufgedeckten naturgesetzlichen Zusammenhangs hinaus einen "erfinderischen Überschuss" enthält. Dies gilt auch für die Bereitstellung einer für ein Humanprotein codierenden Nukleinsäuresequenz. Einer Kennzeichnung der Sequenz als isoliert oder durch ein technisches Verfahren gewonnen im Patentanspruch bedarf es dabei nicht.

Das LG hat die auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Schadensersatz gerichtete Klage, die die Klägerin auf die Patentansprüche in der Fassung des Urteils des BPatG aus Juli 2013 gestützt hatte, abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos und auch die zugelassene Revision, mit der die Klägerin ihre Berufungsanträge insofern weiter verfolgte hatte, als sie auf § 9 S. 2 Nr. 3 PatG gestützt wurden, blieb ohne Erfolg.

Die Gründe:
Die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der Beklagten nach den Grundsätzen des derivativen Erzeugnisschutzes gem. § 9 S. 2 Nr. 3 PatG lagen nicht vor.

Nach § 9 S. 2 Nr. 3 PatG sind Erzeugnisse, die unmittelbar durch ein patentiertes Verfahren hergestellt sind, so geschützt, als ob sie durch ein Erzeugnispatent unter Schutz gestellt wären. Dementsprechend greift der Schutz der Vorschrift nur ein, wenn das geschützte und angewendete Verfahren entweder ein Erzeugnis hervorbringt oder zu einer Veränderung der äußerlichen oder inneren Beschaffenheit eines Erzeugnisses führt und damit ein Ergebnis erzielt wird, das seinerseits prinzipiell taugliches Objekt eines Sachpatents sein könnte. Infolgedessen handelte es sich bei den von der Beklagten in der Tschechischen Republik gewonnenen Untersuchungsberichten nicht um Erzeugnisse i.S.d. § 9 S. 2 Nr. 3 PatG. Dass Verfahrensansprüche , wie sie dem Berufungsurteil zugrunde lagen, durch das Senatsurteil vom 19.1.2016 gegenüber dem patentgerichtlichen Urteil wieder eine weitere Fassung erhalten hatten, führte zu keiner anderen Beurteilung.

Ohne Erfolg berief sich die Revision darauf, dass nach BGH-Rechtsprechung eine mittels eines geschützten Verfahrens gewonnene (Video-)Datenfolge als unmittelbares Verfahrenserzeugnis anzusehen sein kann, auch wenn sie nicht als ein körperlicher Gegenstand zu qualifizieren ist, sondern ein solcher erst durch ihre Verbindung mit einem Datenträger entsteht. Eine Datenfolge kommt nur dann als durch ein patentgeschütztes Verfahren unmittelbar hergestelltes Erzeugnis in Betracht, wenn sie sachlich-technische Eigenschaften aufweist, die ihr durch das Verfahren aufgeprägt worden sind, und sie daher ihrer Art nach tauglicher Gegenstand eines Sachpatents sein kann.

Die Darstellung eines mittels eines patentgeschützten Verfahrens gewonnenen Untersuchungsbefunds und hieraus gewonnener Erkenntnisse stellt als Wiedergabe von Informationen kein Erzeugnis dar, das Schutz nach § 9 S. 2 Nr. 3 PatG genießen kann. Ob ein rechtspolitisches Bedürfnis nach einem patentrechtlichen Schutz von Ergebnissen insbesondere gentechnischer Analyse- und In-vitro-Diagnoseverfahren besteht, brauchte der Senat nicht zu entscheiden. Denn die bestehende gesetzliche Regelung bietet jedenfalls für eine über § 9 S. 2 Nr. 3 PatG hinausgehende richterrechtliche Schutzerstreckung keine Handhabe.

Linkhinweise:

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