06.02.2018

Kein konkludenter Energielieferungsvertrag durch Realofferte bei vermeintlichem Kundenwechsel

Geht ein Energieversorgungsunternehmen im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses irrtümlich von einem Kundenwechsel aus, kommt kein konkludenter Energielieferungsvertrag mit dem neuen Kunden zu Stande. Eine Realofferte richtet sich typischerweise an denjenigen, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den mit Energie belieferten Versorgungsanschluss ausübt.

OLG Hamm 15.1.2018, 2 U 127/17
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist ein Energieversorgungsunternehmen. Sie verlangt vom Beklagten die Bezahlung von Gas. Dieses wurde in der Zeit vom 1.1.2011 bis zum 20.3.2012 für eine Verbrauchsstelle geliefert. Bei der Verbrauchsstelle handelt es sich um ein Hausgrundstück mit einem einzigen Gaszähler und zentraler Heizungs- und Warmwasseranlage. Die Eigentümerin ist als Streithelferin der Klägerin am Rechtsstreit beteiligt.

Für diese Verbrauchsstelle hatte die Klägerin zunächst ein Vertragsverhältnis mit der Streithelferin begründet und war im Verbrauchszeitraum aufgrund einer übermittelten, auf dem Beklagten lautenden Kundenanmeldung von einem Kundenwechsel auf dem Beklagten ausgegangen. Im vorliegenden Rechtsstreit stellte sich heraus, dass diese Kundenanmeldung nicht vom Beklagten unterzeichnet worden war.

Zur Begründung des von ihr angenommenen Kundenwechsels bezog sich die Klägerin zudem auf die Gewerbeanmeldung einer auf den Namen des Beklagten lautenden GbR, die ausweislich eines von der Streithelferin vorgelegten Mietvertrages Keller und Erdgeschoss des Hauses im Verbrauchszeitraum angemietet hatte. Bei dieser Gesellschaft handelt es sich nach der Darstellung des Beklagten um eine tatsächlich nicht existierende Scheingesellschaft. Die von der Klägerin für den Verbrauchszeitraum abgerechneten Gaskosten von rd. 6.600 € bezahlte der Beklagte nicht.

Das LG gab der Klage statt und verurteilte den Beklagten zur Zahlung. Dabei nahm es aufgrund der Gewerbeanmeldung des Beklagten an, zwischen der GbR und der Klägerin sei ein Versorgungsvertrag über die Lieferung des streitgegenständlichen Gases zustande gekommen. Den Vertragsschluss habe die Klägerin mit ihrer Realofferte, dem Bereitstellen des Gases, angeboten. Als Inhaberin der tatsächlichen Verfügungsgewalt über den Anschluss habe die GbR das Angebot mit die Entnahme des Gases angenommen. Als Gesellschafter der GbR hafte der Beklagte für deren Verbindlichkeiten.

Auf die Berufung des Beklagten änderte das OLG das Urteil ab und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Die Klägerin hat weder mit dem Beklagten noch mit der auf seinen Namen lautenden GbR einen Kaufvertrag über die Lieferung von Gas abgeschlossen.

Nach eigenem Vortrag der Klägerin bestand für die infrage stehende Verbrauchsstelle zunächst ein Vertragsverhältnis mit der Streithelferin, der Eigentümerin des Grundstücks. Es ist nicht ersichtlich, dass dieses Vertragsverhältnis wirksam beendet worden ist und ein Kundenwechsel stattgefunden hat. Der von der Klägerin vorgelegten Kundenanmeldung kommt insoweit keine Bedeutung bei. Sie ist gefälscht und enthält keine Willenserklärung des Beklagten. Deswegen bestand das Vertragsverhältnis mit der Streithelferin auch nach dieser Anmeldung fort. Neben diesem fortbestehenden Vertragsverhältnis kommt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Annahme eines konkludenten Vertragsabschlusses mit dem Beklagten oder der GbR nicht in Betracht.

Der Annahme eines durch eine Realofferte konkludent abgeschlossenen Energielieferungsvertrages steht zudem entgegen, dass weder dem Beklagten noch der GbR die tatsächliche Verfügungsgewalt über den infrage stehenden Versorgungsanschluss zugestanden hat. Empfänger einer Realofferte des Versorgungsunternehmens ist typischerweise derjenige, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübt. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist das grundsätzlich der Eigentümer, was im vorliegenden Fall umso mehr gilt, als das gesamte Hausgrundstück nur über einen einzigen Gaszähler und eine zentrale Heizungs- und Warmwasseranlage verfügt.

Einem Mieter - nur als solcher kämen der Beklagte oder die GbR infrage - steht die tatsächliche Verfügungsgewalt über einen derartigen Versorgungsanschluss nur dann zu, wenn er diese für das gesamte Objekt ausgeübt hat. Hiervon ist vorliegend nicht auszugehen. Weder dem Beklagten noch der GbR stand das gesamte Hausgrundstück zur Verfügung. Deswegen bedarf es auch keiner weiteren Aufklärung, ob die GbR nur eine tatsächlich nicht existierende Scheingesellschaft war, wie der Beklagte vorgetragen hat.

OLG Hamm PM vom 5.2.2018
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