01.03.2016

Kein Rechtsschutzinteresse für Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei in früherem Verfahren gewährter Restschuldbefreiung

Dem Schuldner fehlt das für den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erforderliche Rechtsschutzinteresse, wenn er den erneuten Eigenantrag mit dem Ziel der Erteilung der Restschuldbefreiung stellt, obwohl ihm innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Eröffnungsantrag bereits einmal die Restschuldbefreiung in einem Insolvenzverfahren erteilt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn in dem vorausgehenden Verfahren Forderungen einzelner Gläubiger möglicherweise zu Unrecht mit dem Zusatz der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung festgestellt worden sind.

BGH 4.2.2016, IX ZB 71/15
Der Sachverhalt:
Über das Vermögen der Schuldnerin wurde auf eigenen Antrag mit Beschluss vom 2.7.2007 das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet. In diesem Verfahren meldete der Gläubiger R. eine titulierte Hauptforderung i.H.v. rd. 8.700 € zzgl. Zinsen und Kosten als von der Restschuldbefreiung ausgenommene Forderung zur Insolvenztabelle an. Weil die ordnungsgemäß belehrte Schuldnerin nicht rechtzeitig Widerspruch erhob, wurde die Forderung als Anspruch aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung zur Insolvenztabelle festgestellt. Abgeschlossen wurde das Verfahren mit Beschluss vom 29.8.2013, in welchem der Schuldnerin die Restschuldbefreiung erteilt worden ist.

Mit einem am 20.6.2014 beim Insolvenzgericht eingegangenen Schriftsatz beantragte die Schuldnerin ein weiteres Mal die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen mit anschließender Restschuldbefreiung. Sie macht geltend, ihr Antrag diene dem Zweck, der in dem vorausgegangenen Verfahren zu Unrecht mit dem Zusatz der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung festgestellten Forderung des Gläubigers R. widersprechen zu können.

Das AG - Insolvenzgericht - wies die Anträge auf Erteilung der Restschuldbefreiung und Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens zurück. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Schuldnerin blieb vor dem LG ohne Erfolg. Die Rechtsbeschwerde, mit der die Schuldnerin ihr Ziel verfolgt, in einem erneuten Insolvenzverfahren eine Restschuldbefreiung ohne die Feststellung ausgenommener Forderungen zu erreichen, hatte vor dem BGH ebenfalls keinen Erfolg.

Die Gründe:
Der wiederholte Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin ist unzulässig, weil das für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erforderliche Rechtsschutzinteresse fehlt.

Alleiniges Ziel des Antrags der Schuldnerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist es, von der im vorausgehenden Verfahren als ausgenommener Forderung i.S.d. § 302 Nr. 1 InsO festgestellten Forderung des Gläubigers R. befreit zu werden. Dieses Ziel kann die Schuldnerin im Hinblick auf § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a.F. nicht erreichen, denn im Fall eines Versagungsantrags gem. § 289 Abs. 1, § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a.F. wäre ihr die Restschuldbefreiung auf Antrag des Gläubigers zu versagen. Gem. § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a.F. hat das Insolvenzgericht dem Schuldner die Restschuldbefreiung im Schlusstermin zu versagen, wenn ihm in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Restschuldbefreiung erteilt worden ist.

Mit dieser Vorschrift, die in den vor dem 1.7.2014 beantragten Altverfahren noch anzuwenden ist, wird ein zeitlich beschränktes Wiederholungsverbot begründet, mit dem sichergestellt werden soll, dass die Restschuldbefreiung als Hilfe für unverschuldet in Not geratene Personen dient und nicht als Zuflucht für diejenigen, die bewusst finanzielle Risiken auf andere abwälzen wollen. Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a.F. erfüllt, tritt die zehnjährige Sperrwirkung der Regelung ein, ohne dass anhand der besonderen Umstände des einzelnen Falles geprüft werden muss, ob dem Schuldner tatsächlich ein unredliches Verhalten vorgeworfen werden kann oder ob eine Ausnahme von der Sperrfrist möglich ist. Die Gründe, die zu der erneuten Verschuldung geführt haben, sind unerheblich.

Es kommt nicht darauf an, ob es die Schuldnerin in dem vorausgehenden Verfahren schuldhaft oder schuldlos versäumt hat, gegen die Anmeldung der Forderung des Gläubigers R. mit dem Zusatz der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung rechtzeitig Widerspruch einzulegen. Selbst wenn die Schuldnerin nicht ordnungsgemäß auf die Möglichkeit des Widerspruchs gem. § 175 Abs. 2 InsO a.F. hingewiesen worden wäre, würde dies an der Feststellung der Forderung als von der Restschuldbefreiung ausgenommene Verbindlichkeit nichts ändern. Die weitere Frage, ob die Forderung zu Recht oder zu Unrecht als solche aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung festgestellt werden durfte, ist nicht erheblich. Die zehnjährige Sperrfrist des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO greift unabhängig von der Frage der Redlichkeit der Schuldnerin oder eines redlichen Handelns der anmeldenden Gläubiger ein.

Entsprechend diesen Beschlüssen ist dem Schuldner auch das für die Zulässigkeit des Eröffnungsantrags erforderliche Rechtsschutzinteresse abzusprechen, wenn er einen erneuten Insolvenzantrag stellt, der auf die Erteilung der Restschuldbefreiung gerichtet ist, obwohl ihm diese innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Antrag bereits einmal gewährt worden ist. Das Insolvenzgericht kann nicht verpflichtet sein, die Stundung zunächst zu gewähren, obwohl sie später wegen Missachtung der Zehn-Jahres-Frist wieder aufzuheben ist. Genauso wäre es sinnlos, wenn dem Schuldner ein Rechtsschutzinteresse für einen erneuten Antrag auf Restschuldbefreiung zuerkannt wird, obwohl bereits absehbar ist, dass ihm die Restschuldbefreiung in dem nachfolgenden Verfahren auf Antrag gem. § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO aF versagt werden muss. Dies entspricht der Neufassung des § 287a Abs. 2 Nr. 1 InsO, nach der ein wiederholter Antrag auf Restschuldbefreiung unzulässig ist, wenn dem Schuldner diese innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Antrag bereits einmal erteilt worden ist.

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