Kein Schadensersatz in Sachen Lkw-Kartell
LG Nürnberg-Fürth v. 20.8.2020 - 19 O 7770/18
Der Sachverhalt:
Die Klägerin zu 1) ist ein Elektrogroßhandelsunternehmen mit über 900 Mitarbeitern in Mittel- und Süddeutschland. Die Klägerin zu 2) ist ein Familienunternehmen mit 90 Mitarbeitern, das für Industrie, Handel und Gewerbe Entsorgungslösungen anbietet. Die Beklagte zu 1) und die MAN-Gruppe sind zwei der führenden Nutzfahrzeugkonzerne in Europa und u.a. Herstellerinnen von Lastkraftwagen. Die Beklagte zu 2) ist das größte Unternehmen innerhalb der MAN-Gruppe.
Die Beklagten beteiligten sich mit anderen europäischen Herstellern von Lastkraftwagen an Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV und Art. 53 Abs. 1 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, wie sie Gegenstand der Feststellungen der Kommission in der Kommissionsentscheidung vom 19.7.2016 (AT.39824 - Trucks, bekannt gegeben unter dem Aktenzeichen C(2016) sind, deren Adressatinnen auch die Beklagten sind. Die Beklagte zu 1) beteiligte sich im Zeitraum vom 17.1.1997 bis 18.1.2011, die Beklagte zu 2) im Zeitraum vom 17.1.1997 bis 20.9.2010.
Die Klageparteien begehrten von den Beklagten Zahlung von Schadensersatz aufgrund des festgestellten sog. Lkw-Kartells. Das LG hat die Klage abgewiesen.
Die Gründe:
Ein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass den Klägerinnen aus den Geschäften, auf die sie ihr Begehren stützt, ein Schaden entstanden ist, besteht nicht. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung betreffend Quoten- und Kundenschutzkartelle fehlt es für die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises angesichts der Vielgestaltigkeit und Komplexität wettbewerbsbeschränkender Absprachen, ihrer Durchführung und ihrer Wirkungen an der erforderlichen Typizität des Geschehensablaufs. Es ist nicht hinreichend gesichert, dass eine sehr große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass Quoten- und Kundenschutzabsprachen tatsächlich und in jedem Einzelfall beachtet und erfolgreich umgesetzt werden, auch dann nicht, wenn sie auf eine umfassende Wirkung ausgerichtet sind (BGH-Urt. v. 11.12.2018 - KZR 26/17 - Schienenkartell; BGH-Urt. v. 28.1.2020 - KZR 24/17 - Schienenkartell II).)
Die vorstehenden Entscheidungen betreffen ausdrücklich Quoten- und Kundenschutzkartelle und nicht einen bloßen Informationsaustausch. Wenn allerdings schon im Bereich der sog. "Hardcore"-Kartelle die Grundsätze des Anscheinsbeweises nicht anwendbar sind, so gilt das erst Recht für wettbewerbswidriges Verhalten in Form eines reinen Informationsaustauschs, wie er im hiesigen Fall in Rede steht. Auch für andere Kartelle, denen u.a. ein Informationsaustausch zu Grunde lag, ist in der bisherigen Rechtsprechung die Anwendung des Anscheinsbeweises abgelehnt worden (vgl. u.a. OLG Nürnberg, HEMA Vertriebskreis; OLG Stuttgart, Urt. v. 04.04.2019 - 2 U 101/18 - LkW-Kartell; OLG Frankfurt, Urt. v. 12.05.2020 - 11 U 98/18 (Kart).
Soweit die Klageparteien den Schadensersatzanspruch darauf stützen, dass die Adressaten des Bußgeldbescheids die Bruttopreislisten abgesprochen hätten, ist Folgendes von Bedeutung: Aus dem maßgeblichen Bescheid der Kommission ergibt sich nicht, dass - jedenfalls für den für die hiesige Klagepartei betroffenen deutschen Absatzmarkt - hinsichtlich der Bruttopreise verbindliche Vereinbarungen getroffen wurden. Nach Bewertung des Bußgeldbescheids durch die Kammer hat mit bindender Wirkung lediglich ein - im Einzelnen unkonkreter und unverbindlicher - Informationsaustausch vorgelegen. Dieser betraf im Übrigen lediglich Bruttolistenpreise, nicht aber mit den Abnehmern von Lkw vereinbarte Nettopreise.
Bayern.Recht
Die Klägerin zu 1) ist ein Elektrogroßhandelsunternehmen mit über 900 Mitarbeitern in Mittel- und Süddeutschland. Die Klägerin zu 2) ist ein Familienunternehmen mit 90 Mitarbeitern, das für Industrie, Handel und Gewerbe Entsorgungslösungen anbietet. Die Beklagte zu 1) und die MAN-Gruppe sind zwei der führenden Nutzfahrzeugkonzerne in Europa und u.a. Herstellerinnen von Lastkraftwagen. Die Beklagte zu 2) ist das größte Unternehmen innerhalb der MAN-Gruppe.
Die Beklagten beteiligten sich mit anderen europäischen Herstellern von Lastkraftwagen an Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV und Art. 53 Abs. 1 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, wie sie Gegenstand der Feststellungen der Kommission in der Kommissionsentscheidung vom 19.7.2016 (AT.39824 - Trucks, bekannt gegeben unter dem Aktenzeichen C(2016) sind, deren Adressatinnen auch die Beklagten sind. Die Beklagte zu 1) beteiligte sich im Zeitraum vom 17.1.1997 bis 18.1.2011, die Beklagte zu 2) im Zeitraum vom 17.1.1997 bis 20.9.2010.
Die Klageparteien begehrten von den Beklagten Zahlung von Schadensersatz aufgrund des festgestellten sog. Lkw-Kartells. Das LG hat die Klage abgewiesen.
Die Gründe:
Ein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass den Klägerinnen aus den Geschäften, auf die sie ihr Begehren stützt, ein Schaden entstanden ist, besteht nicht. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung betreffend Quoten- und Kundenschutzkartelle fehlt es für die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises angesichts der Vielgestaltigkeit und Komplexität wettbewerbsbeschränkender Absprachen, ihrer Durchführung und ihrer Wirkungen an der erforderlichen Typizität des Geschehensablaufs. Es ist nicht hinreichend gesichert, dass eine sehr große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass Quoten- und Kundenschutzabsprachen tatsächlich und in jedem Einzelfall beachtet und erfolgreich umgesetzt werden, auch dann nicht, wenn sie auf eine umfassende Wirkung ausgerichtet sind (BGH-Urt. v. 11.12.2018 - KZR 26/17 - Schienenkartell; BGH-Urt. v. 28.1.2020 - KZR 24/17 - Schienenkartell II).)
Die vorstehenden Entscheidungen betreffen ausdrücklich Quoten- und Kundenschutzkartelle und nicht einen bloßen Informationsaustausch. Wenn allerdings schon im Bereich der sog. "Hardcore"-Kartelle die Grundsätze des Anscheinsbeweises nicht anwendbar sind, so gilt das erst Recht für wettbewerbswidriges Verhalten in Form eines reinen Informationsaustauschs, wie er im hiesigen Fall in Rede steht. Auch für andere Kartelle, denen u.a. ein Informationsaustausch zu Grunde lag, ist in der bisherigen Rechtsprechung die Anwendung des Anscheinsbeweises abgelehnt worden (vgl. u.a. OLG Nürnberg, HEMA Vertriebskreis; OLG Stuttgart, Urt. v. 04.04.2019 - 2 U 101/18 - LkW-Kartell; OLG Frankfurt, Urt. v. 12.05.2020 - 11 U 98/18 (Kart).
Soweit die Klageparteien den Schadensersatzanspruch darauf stützen, dass die Adressaten des Bußgeldbescheids die Bruttopreislisten abgesprochen hätten, ist Folgendes von Bedeutung: Aus dem maßgeblichen Bescheid der Kommission ergibt sich nicht, dass - jedenfalls für den für die hiesige Klagepartei betroffenen deutschen Absatzmarkt - hinsichtlich der Bruttopreise verbindliche Vereinbarungen getroffen wurden. Nach Bewertung des Bußgeldbescheids durch die Kammer hat mit bindender Wirkung lediglich ein - im Einzelnen unkonkreter und unverbindlicher - Informationsaustausch vorgelegen. Dieser betraf im Übrigen lediglich Bruttolistenpreise, nicht aber mit den Abnehmern von Lkw vereinbarte Nettopreise.