13.06.2022

Kein vorläufiger Rechtsschutz für das Inverkehrbringen von Nutzhanfblättern

Der etwaige Verlust wirtschaftlicher Vorteile für die Dauer des Hauptsacheverfahrens allein ist kein die Vorwegnahme der Hauptsache ausnahmsweise rechtfertigender schwerer und unzumutbarer, anders nicht abwendbarer Nachteil. Die bloße Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs führt auch nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht ohne Weiteres dazu, dass ein Anordnungsgrund indiziert wird.

OVG Lüneburg v. 27.4.2022 - 14 ME 116/22
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin ist Produzentin und Großhändlerin für die gesamte Palette von Hanf-Rohstoffen (Hanfsamen, Hanföl, Hanfmehl, Hanfprotein, Hanfballaststoffe) und Endprodukten aus Hanf (Hanftextilien, -accessoires, -kosmetik und -nahrungsmittel); ihre Gewerbeanmeldung erfolgte 1995. Im April 2021 hatte sie bei der Antragsgegnerin den Erlass einer Allgemeinverfügung nach § 54 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs (LFGB) mit dem Inhalt beantragt, dass Hanfblätter zur Verwendung als Kräutertee, die in Österreich oder einem anderen Mitgliedstaat der EU oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum rechtmäßig hergestellt werden oder sich dort rechtmäßig im Verkehr befinden, in Deutschland verkehrsfähig sind.

Die Antragsgegnerin lehnte diesen Antrag nach Einholung von Stellungnahmen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) ab. Die Voraussetzungen des § 54 LFGB lägen nicht vor, da danach Allgemeinverfügungen nur für Lebensmittel, Bedarfsgegenstände oder kosmetische Mittel erlassen werden könnten und es sich bei einem aus Hanfblättern hergestellten Teeprodukt, anders als die Antragstellerin meine, nicht um ein Lebensmittel handle.

Das VG hat den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin blieb vor dem OVG erfolglos.

Die Gründe:
Das VG ist zu Recht davon ausgegangen, dass es an einem Anordnungsgrund fehlt. Der danach nur ausnahmsweise mögliche Erlass einer solchen, die Hauptsache vorwegnehmenden Regelungsanordnung kam hier nicht in Betracht.

Ein die Vorwegnahme der Hauptsache ausnahmsweise rechtfertigender schwerer und unzumutbarer, anders nicht abwendbarer Nachteil kann zwar dann gegeben sein, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes die soziale, berufliche oder wirtschaftliche Existenzgrundlage des jeweiligen Antragstellers gefährdet ist und dies seine Grundrechte aus Art. 12, 14 GG berührt. Eine wirtschaftliche Existenzgefährdung ergab sich aus dem Vorbringen der Antragstellerin indessen nicht. Allein der etwaige Verlust wirtschaftlicher Vorteile für die Dauer des Hauptsacheverfahrens allein ist kein die Vorwegnahme der Hauptsache ausnahmsweise rechtfertigender schwerer und unzumutbarer, anders nicht abwendbarer Nachteil.

Die bloße Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs führt auch nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht ohne Weiteres dazu, dass ein Anordnungsgrund indiziert wird. Eine "Schaffung vollendeter Tatsachen" bzw. eine "erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Rechtsverletzung, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann" droht der Antragstellerin bei einem Zuwarten auf die Hauptsacheentscheidung nicht. Derartiges folgte entgegen ihrer Annahme nicht bereits daraus, dass sie den von ihr ins Auge gefassten Import der Hanfteeblätter in der Zeit bis zu einer Hauptsacheentscheidung nicht durchführen kann. Ginge man davon aus, dass hierin bereits ein hinreichendes fortschreitendes endgültiges Vereiteln läge, wäre diese Voraussetzung bei jeder erstrebten Genehmigung ohne Weiteres gegeben, weil die begehrte Umsetzung der Genehmigung für die Dauer des gerichtlichen Verfahrens gerade typischerweise noch nicht möglich ist.

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