24.01.2017

Kein Wettbewerbsverhältnis zwischen einem Fondsbeteiligungen anbietenden Unternehmen und einem sich kritisch hierzu äußernden Rechtsanwalt

Zwischen einem Unternehmen, das Fondsbeteiligungen anbietet, und einem Rechtsanwalt besteht auch dann kein konkretes Wettbewerbsverhältnis, wenn der Rechtsanwalt sich auf seiner Internetseite kritisch über das Unternehmen äußert, um auf diese Weise dessen Kunden als Mandaten zu gewinnen. Die Beeinträchtigung von Absatzchancen des Unternehmens ist lediglich ein Reflex des Marktverhaltens des Rechtsanwalts und reicht für sich gesehen nicht aus, um ein konkretes Wettbewerbsverhältnis begründen zu können.

OLG Frankfurt a.M. 8.12.2016, 6 U 229/15
Der Sachverhalt:
Die Klägerinnen sind Teil der A-Unternehmensgruppe, die auf den Handel mit Wohn- und Gewerbeimmobilien spezialisiert ist. In einem Artikel aus dem Jahr 2014 berichtete das Presseorgan B unter der Überschrift "A im Visier der Staatsanwaltschaft" über die Fonds der Klägerinnen und ein damit zusammenhängendes Ermittlungsverfahren).

Die Beklagte ist Inhaberin einer Rechtsanwaltskanzlei, die schwerpunktmäßig die Interessen von Kapitalanlegern und Bankkunden vertritt. Auf zwei Internetplattformen veröffentlichte die Beklagte eine Zusammenfassung dieses Presseberichts. Diese Zusammenfassung ist Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Die Klägerinnen mahnten die Beklagte wegen dieser Veröffentlichung ab. Sie verpflichtete sich strafbewehrt zur Unterlassung, lehnte allerdings die Forderung der Klägerinnen auf Erstattung der Abmahnkosten ab. Entsprechendes gilt für die Forderung auf Erstattung der Abmahnkosten gegenüber dem Portalbetreiber. Die Klägerinnen verlangen nun von der Beklagten die Zahlung dieser Beträge.

Das LG wies die Klage ab. Die Berufung der Klägerinnen hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Revision zum BGH wurde zugelassen.

Die Gründe:
Den Klägerinnen standen weder wettbewerbsrechtliche noch deliktsrechtliche Unterlassungsansprüche gegen die Beklagte zu, so dass die Abmahnung der Klägerinnen unberechtigt war. Ein wettbewerbsrechtlicher Abmahnkostenerstattungsanspruch gem. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG ist nicht gegeben. Die Klägerinnen waren für wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche nicht aktiv legitimiert (§ 8Abs. 3 Nr. 1 UWG). Es fehlt an einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG).

Die Parteien bieten keine gleichartigen Leistungen an. Die Klägerinnen bieten Fondsbeteiligungen, die Beklagte anwaltliche Leistungen an. Mit ihrer Veröffentlichung im Internet möchte die Beklagte neue Mandanten akquirieren. Bei den potenziellen Mandanten handelt es sich um potenziell geschädigte Anleger. Dieser Personenkreis zählt zwar zu den früheren Kunden der Klägerin; im Hinblick auf die erlittene oder vermeintliche Schädigung durch die getätigte Anlage werden diese Kunden jedoch regelmäßig zu einer erneuten Anlage bei der Klägerin nicht bereit sein.

Es ist zwar nicht auszuschließen, dass durch die Veröffentlichung der Beklagten gleichwohl die Absatzinteressen der Klägerin beeinträchtigt werden, weil die Veröffentlichung auch andere - neue - Anlageinteressenten erreichen kann. Eine solche bloße Beeinträchtigung der Absatzinteressen reicht zur Begründung eines Wettbewerbsverhältnisses jedoch nicht aus, wenn es an jeglichem Konkurrenzmoment im Angebots- oder Nachfragewettbewerb fehlt. Die Beeinträchtigung von Absatzchancen der Klägerin ist lediglich ein Reflex des Marktverhaltens der Beklagten und reicht für sich gesehen nicht aus, um ein konkretes Wettbewerbsverhältnis begründen zu können.

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