06.06.2017

Kein Zugriff der Eltern auf Facebook-Account ihrer verstorbenen Tochter

Der Schutz des Fernmeldegeheimnisses steht dem Anspruch der Erben entgegen, Einsicht in die Kommunikation der Tochter mit Dritten zu erhalten. Da Facebook seine Dienste nur beschränkt auf die Person des Nutzers anbietet, ist es aus der Sicht der ebenfalls schutzbedürftigen weiteren Beteiligten am Kommunikationsvorgang (Chat) in technischer Hinsicht nicht erforderlich, einem Erben nachträglich Zugang zum Inhalt der Kommunikation zu verschaffen.

KG Berlin 31.5.2017, 21 W 23/16
Der Sachverhalt:
Die Tochter der Klägerin war mit 15 Jahren unter ungeklärten Umständen durch eine in einen Bahnhof einlaufende U-Bahn tödlich verletzt worden. Die Klägerin erhoffte, über den Facebook-Account ihrer Tochter und die dort ausgetauscht Nachrichten und Posts mehr über den Tod ihrer Tochter zu erfahren und zu klären, ob es sich um einen Selbstmord gehandelt haben könnte. Dies war auch deshalb von Bedeutung, als der Fahrer der U-Bahn, die die Verstorbene erfasst hatte, gegen die Erben ein Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen Verdienstausfalls geltend gemacht hatte. Facebook Ireland Limited (im Folgenden: Facebook) verweigerte der Klägerin jedoch die Zugangsdaten zu dem in einen Gedenkzustand versetzten Account.

Das LG gab der Klage statt und verpflichtete Facebook, den Eltern der Verstorbenen als deren Erben Zugang zu dem Benutzerkonto und dessen Kommunikationsinhalten zu gewähren. Auf die Berufung von Facebook hob das KG das Urteil auf und wies die Klage ab. Allerdings wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Revision zum BGH zugelassen.

Die Gründe:
Zwar hat der Senat vollstes Verständnis für das Anliegen der Klägerin und des Vaters der Erblasserin, das Facebook-Account ihrer Tochter durchzusehen, um die Hintergründe ihres tragischen Todes auf diese Weise vielleicht etwas erhellen zu können. Der Senat sieht sich aber rechtlich daran gehindert, diesem Ansinnen zum Erfolg verhelfen zu können. Der Schutz des Fernmeldegeheimnisses steht nämlich dem Anspruch der Erben entgegen, Einsicht in die Kommunikation der Tochter mit Dritten zu erhalten.

Die nach dem TKG vorgesehenen Ausnahmen greifen - entgegen der Auffassung des LG - nicht. Zwar sieht das Gesetz vor, dass einem Dritten Kenntnisse vom Inhalt der Kommunikation verschafft werden dürfen, wenn dies erforderlich ist. Als erforderlich kann jedoch nur angesehen werden, was dazu dient, den Dienst technisch zu ermöglichen oder aufrecht zu erhalten. Da Facebook jedoch seine Dienste nur beschränkt auf die Person des Nutzers anbietet, ist es auch aus der Sicht der ebenfalls schutzbedürftigen weiteren Beteiligten am Kommunikationsvorgang (Chat) in technischer Hinsicht nicht erforderlich, einem Erben nachträglich Zugang zum Inhalt der Kommunikation zu verschaffen.

Ebenso wenig existiert eine andere gesetzliche Vorschrift, die es erlaubt, von dem Schutz des Fernmeldegeheimnisses eine Ausnahme zu machen (sog. "kleines Zitiergebot"). Insbesondere das Erbrecht im BGB lässt nicht erkennen, dass der Gesetzgeber den Willen hatte, das Fernmeldegeheimnis einzuschränken. Auch aus sonstigen Gründen ist es nicht geboten, ohne gesetzliche Regelung Ausnahmen zuzulassen und von dem sog. "kleinen Zitiergebot" abzuweichen.

Schließlich kommt auch nicht in Betracht, von einem Verzicht auf den Schutz des Fernmeldegeheimnisses auszugehen. Denn nicht nur die Verstorbene als Nutzerin des Accounts und Vertragspartnerin von Facebook, sondern zumindest auch alle diejenigen, die in einem Zwei-Personen-Verhältnis mit der Verstorbenen kommuniziert hatten, müssten dafür auf den Schutz des Fernmeldegeheimnisses verzichtet haben. Aus der BVerfG-Rechtsprechung (vgl. insb. Urteil vom 27.2.2008, 1 BvR 370/07) folgt im Endergebnis nichts Abweichendes. Die somit erforderliche Zustimmung dieser anderen Kommunikationspartner lag im hier maßgeblichen Fall jedoch nicht vor.

Linkhinweis:

Rechtsprechungsdatenbank Berlin-Brandenburg
Zurück